
Klima und Klimawandel
In welche Richtung sich das Klima entwickelt, belegen Messungen inzwischen eindeutig: Um etwa 1 Grad Celsius ist die globale Durchschnittstemperatur vom vorindustriellen Zeitalter bis zum Jahr 2017 gestiegen. Wie weit sie bis zum Ende des 21. Jahrhunderts noch zunehmen wird, hängt vor allem davon ab, ob sich die Menschheit künftig konsequent dem Klimaschutz verschreiben wird. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Max-Planck-Institute arbeiten daran, die Klimaprognosen noch genauer zu machen. Und sie untersuchen, welche Maßnahmen nötig sind, um den Klimawandel auf ein verträgliches Maß zu begrenzen.
Der Weltklimarat (IPCC), dem auch Max-Planck-Wissenschaftler angehören, ist in seinen Aussagen klar: Nach äußerst großer Wahrscheinlichkeit, wie es in seinem 5. Sachstandbericht heißt, verursachen Treibhausgas-Emissionen durch den Menschen, vor allem der Ausstoß von CO2 bei der Verfeuerung von Kohle, Öl und Erdgas, einen Klimawandel, der heute schon mess- und spürbar ist. Doch auch wenn sich die bisherige Entwicklung der globalen Durchschnittstemperatur mit den Vorhersagen deckt, ist noch nicht klar, wie stark die Erderwärmung bis zum Jahr 2100 noch ausfallen wird. Ein wesentlicher Unsicherheitsfaktor ist dabei der Mensch. Wird er den Ausstoß von Treibhausgasen in kommenden Jahrzehnten massiv zurückfahren? Oder wird der CO2-Gehalt der Atmosphäre weiter ansteigen? Aber auch die physikalischen Formeln, mit denen Klimaforscher ihre Prognosen berechnen, enthalten noch Unsicherheiten. So geben Vorhersagen des IPCC für die Erderwärmung bei einer Verdopplung des CO2-Gehalts im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter – damals enthielt die Atmosphäre 285 Teile CO2 pro Millionen – eine Spannbreite von 1,5 bis 4,5 Grad Celsius an. Das relativ große Intervall ergibt sich aus zahlreichen Unwägbarkeiten im Klimasystem. Denn die Erderwärmung kann zu vielen Rückkopplungen führen, die den Klimawandel weiter verstärken, aber auch abschwächen können. Die Unsicherheiten in den Berechnungen möchten die Klimaforscher der Max-Planck-Gesellschaft verringern. Und sie arbeiten an belastbaren Klimaprognosen für die nächsten ein oder zwei Jahrzehnten. Zudem gehen sie Fragen nach, wie sich durch Klimaschutz die schlimmsten Folgen der Erderwärmung abwenden lassen: Wie schnell müssen wir den CO2-Ausstoß senken, um die Erderwärmung, wie 2015 auf der Pariser Weltklimakonferenz beschlossen, auf 2 oder gar 1,5 Grad zu begrenzen. Ist Geoengineering, also etwa die gezielte Freisetzung von Staub, der das Sonnenlicht blockt, sinnvoll, um dieses Ziel zu erreichen?
Angesichts des noch immer steigenden CO2-Ausstoßes wird es immer schwieriger, die Erwärmung bis zum Ende des 21. Jahrhunderts auf 2 oder gar auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Doch es ist noch möglich, wie Forscher des Max-Planck-Instituts für Meteorologie berechnet haben – wenn die Menschen künftig konsequenten Klimaschutz betreiben und jetzt anfangen, deutlich weniger Treibhausgase freizusetzen. Allerdings stiege die globale Durchschnittstemperatur bis 2100 selbst dann um etwa 1,1 Grad, wenn alle Emissionen im Jahr 2017 komplett eingestellt worden wären. Die Rechnungen ergeben aber auch, dass es bei der derzeitigen Emissionsrate nur noch etwa 15 bis 30 Jahre dauert, bis das Risiko, eine Erderwärmung von 1,5 Grad zu überschreiten, fünfzig Prozent erreicht.
Ob das 1,5-Grad-Ziel noch eingehalten wird, hängt nicht nur von politischen Entscheidungen ab. Auch jeder einzelne kann dazu beitragen. Dass der Beitrag Einzelner tatsächlich relevant ist, unterstreicht eine Studie von Forschern des Max-Planck-Instituts für Meteorologie, die untersuchen, wie sich der Klimawandel auf das arktische Meereis auswirkt. Die Wissenschaftler haben einen einfachen Zusammenhang dafür gefunden, wieviel Quadratmeter vom arktischen Meereis durch einen bestimmten CO2-Ausstoß verschwindet. Ein Beispiel: Jeder Passagier in einem Flugzeug von Frankfurt/Main nach San Francisco hinterlässt einen CO2-Fußabdruck, der fünf Quadratmeter Meereis schmelzen lässt.
Vielleicht helfen solche konkreten Aussagen zum Klimaeffekt unseres eigenen Verhaltens, die Menschen zum Klimaschutz zu bewegen. Die relativ abstrakten Szenarien, was am Ende des Jahrhunderts droht, wenn wir den Klimawandel nicht bremsen können, tun es offenbar nicht. Das belegt eine Studie von Wissenschaftlern der Max-Planck-Institute für Meteorologie und für Evolutionsbiologie. Demnach setzen Menschen eher auf kurzfristige Belohnungen als auf die Aussicht, mit ihrem Verhalten einen möglicherweise katastrophalen Klimawandel in fernerer Zukunft zu verhindern.
Nicht zuletzt dieses Verhalten der Menschen, das sich auch immer noch in politischen Entscheidungen widerspiegelt, hat Hamburger Klimaforscher motiviert, die Bedrohung der Erderwärmung für die Menschen schon heute greifbarer zu machen. Sie arbeiten an Modellen, die für die nächsten Jahrzehnte belastbare Vorhersagen liefern. Solche mittelfristigen Prognosen werden dadurch erschwert, dass das Klima generell relativ großen statistischen Schwankungen unterliegt. Eindeutige Trends in der näheren Zukunft lassen sich deshalb nur schwer zuverlässig erkennen.
Auch Prognosen, wie sich der Klimawandel regional auswirken wird, können uns die Dringlichkeit vor Augen führen, deutlich weniger Treibhausgase auszustoßen. So haben Wissenschaftler berechnet, wie sich bei einer fortschreitenden Erwärmung der Wasserhaushalt in Deutschland verändern wird. Demnach wird es im Winter mehr regnen, im Sommer dagegen werden Dürren zunehmen. Ein anderes Team arbeitet daran, solche meteorologischen Extremereignisse und vor allem auch ihre Folgen mit hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung vorherzusagen, um letztlich auch frühzeitig davor warnen zu können.
Um auch in einer Zukunft mit trockeneren Sommern die Gefahr von Missernten zu reduzieren, versuchen Biologen Pflanzen resistenter gegen Trockenheit zu machen.
Züchtungen, die mit Wassermangel besser klarkommen, dürften etwa in Südeuropa, aber auch in Teilen Deutschlands gefragt sein, weil dort im Zuge des Klimawandels zumindest im Sommer weniger Niederschläge zu erwarten sind. Neben solchen Anpassungen an den Klimawandel im Kleinen diskutieren Forscher auch deutlich weitreichendere und umfassendere Maßnahmen, um auf die Erderwärmung zu reagieren: das Geoengineering. Dabei handelt es sich um Eingriffe, mit denen die Erde trotz eines steigenden CO2-Gehalts in der Luft gekühlt oder CO2 aktiv aus der Atmosphäre entfernt werden soll. Solche Maßnahmen sind vor allem deshalb umstritten, weil sie zwar die Erderwärmung bremsen könnten, möglicherweise aber unerwünschte Nebenwirkungen haben könnten.
Geoengineering wirft dabei nicht nur klimawissenschaftliche, sondern auch völkerrechtliche Fragen auf. Sollte ein Staat etwa im Alleingang Sulfat-Partikel in der Atmosphäre ausbringen, um das Sonnenlicht abzuschirmen, hätte das globale Auswirkungen und könnte zu Konflikten mit anderen Staaten führen, in denen die Maßnahme schädliche Folgen nach sich zieht.
Als ein mögliches Mittel gegen die Erderwärmung durch das Treibhausgas CO2 wird Aufforstung diskutiert und teilweise auch schon praktiziert. Sie soll CO2 aktiv aus der Atmosphäre entfernen, indem damit in Wäldern dauerhaft Biomasse aufgebaut wird. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Meteorologie haben untersucht, wie stark sich dadurch die Erderwärmung begrenzen ließe und ob andere Vorschläge zum Geoengineering möglicherweise effektiver. Bei der Aufforstung handelt es sich um eine Änderung der Landnutzung, die den Klimawandel möglicherweise bremsen könnte. Oft beschleunigen solche Veränderungen die Erderwärmung jedoch, etwa wenn tropische Regenwälder Weiden weichen müssen. Allerdings sind die Zusammenhänge nicht überall auf der Erde so klar, weil Wald zwar CO2 bindet aber eine geringere Albedo besitzt, Sonnenlicht also weniger gut von der Erdoberfläche reflektiert als etwa eine Graslandschaft.
Fest steht, dass gerade der Amazonas-Regenwald eine herausragende Bedeutung auch für das Klimasystem hat, weil er gigantische Mengen an Kohlenstoff speichert, die bei seiner Rodung als CO2 freigesetzt werden und die Erderwärmung weiter befeuern. Und der Kahlschlag im größten zusammenhängenden Waldgebiet der Erde schreitet immer weiter voran – mit fatalen Folgen für das regionale und das globale Klima.
Nicht nur tropische Wälder wie der Amazonas sind bedroht, sondern auch der heimische Wald. Ihm setzt der Klimawandel mit häufigeren und extremeren Dürren und Hitzewellen bereits jetzt massiv zu. Gleichzeitig könnte der Wald helfen, den Klimawandel abzuschwächen, weil er große Mengen CO2 aufnehmen kann Fachleute streiten allerdings darüber, wie der Wald am meisten zum Klimaschutz beiträgt.
Die Bedeutung der Wälder im Erdsystem und die vielfältigen Effekte der Landnutzung verdeutlichen beispielhaft, wie komplex die Zusammenhänge im Erdsystem sind. Dafür steht auch die Wechselwirkung zwischen Artenvielfalt und Klima.
Diese Komplexität im Erd- und Klimasystems erschweren die Prognosen der Klimaforscher. So löst die Erderwärmung Entwicklungen aus, die sie in Form von Rückkopplungen noch verstärken dürften. Manche Folgen schwächen sie möglicherweise aber auch ab. Besonders unsicher ist vor diesem Hintergrund, wie sich die Wolkenbedeckung der Erde und die Niederschläge entwickeln werden, wenn es auf der Erde immer wärmer wird. Und wie sich diese Veränderung wiederum auf das Klima auswirken. Max-Planck-Forscher arbeiten daran, diese Zusammenhänge aufzuklären.
Eine weitere Unbekannte in den Prognosen für das künftige Klima stellt die Rückkopplung zwischen der Erderwärmung und einem möglichen Auftauen der Permafrostböden in Sibirien dar. Diese Böden speichern große Mengen an Kohlenstoff. Wenn die tieferen Bodenschichten im Sommer künftig nicht mehr gefroren bleiben, könnte dieser Kohlenstoff in Form von Treibhausgasen entweichen und den Klimawandel verstärken.
Solche Rückkopplungen spielen bei klimatischen Veränderungen, die es in der Erdgeschichte immer wieder gab, seit jeher eine große Rolle. Die Klimaveränderungen der Vergangenheit vollzogen sich nach allem, was Forscher derzeit wissen, zwar noch nie so schnell wie die Erderwärmung, die wir derzeit erleben. Zudem wurden sie bislang auch nie durch einen Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre – schon gar nicht eine durch den Menschen bewirkte Zunahme – ausgelöst. Doch aus dem Studium vergangener Entwicklungen lernen Klimaforscher viel über die Rückkopplungen, die wir heute zu erwarten haben.
Zu einer Rückkopplung, die den derzeit zu beobachtenden Klimawandel verstärkt, könnten auch extreme Wettereignisse führen – vor allem Dürren. Denn bei großer Trockenheit nehmen Pflanzen weniger CO2 auf, um damit Biomasse aufzubauen. Generell wirken sich Klimaveränderungen auf den Kreislauf von Kohlenstoff zwischen der Atmosphäre, der Vegetation – Geoforscher sprechen von der Biosphäre – aus. Wie dies den CO2-Gehalt der Atmosphäre beeinflusst, untersuchen Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Biogeochemie.
Ob Wetterextreme dabei in den vergangenen Jahrzehnten schon häufiger und heftiger geworden sind, ist noch nicht geklärt. Für Überschwemmungen haben Forscher am Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme diese Frage anhand von Zeitreihen analysiert. Dabei haben sie etwa für die Elbe nach heutiger Datenlage noch keinen Trend hin zu mehr und stärkeren Hochwassern beobachtet, auch wenn der Fluss in den Jahren 2002 und 2013 außergewöhnlich hohe Pegelstände erreichte.
Auch nicht eindeutig erwiesen ist, dass die sehr trockenen Sommer der vergangenen Jahre in Südeuropa, aber auch in Westeuropa wie etwa in manchen Gegenden Deutschlands schon auf den Klimawandel zurückzuführen sind. Klimaprognosen zufolge ist aber mit vermehrten und langanhaltenderen Dürren etwa in Teilen Europas zu rechnen. Zu einer anderen Art von Extrem wird der Klimawandel vermutlich in Nordafrika sowie im Nahen und mittleren Osten führen. Das dürfte gerade in den betroffenen Regionen zu unerträglichen Lebensverhältnissen führen, die Menschen vermehrt zur Migration zwingen, wie Berechnungen von Wissenschaftlern am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz ergeben haben. Ein Beispiel, welche politischen Folgen von Klimaveränderungen auf nationaler und internationaler Ebene nach sich ziehen können, liefert der Bürgerkrieg in Syrien, zu dessen Ausbruch eine mehrjährige Dürre beitrug und dem Hunderttausende Menschen nur durch Flucht entkamen.
Nicht überall und in jeder Hinsicht könnte der Klimawandel zu lebensfeindlicheren Bedingungen führen. So könnte es etwa in der Sahara mehr Regen geben, sodass sich in einigen Teilen der Wüste wahrscheinlich die Vegetation ausbreitet.
Zeiten, in denen die heutige Wüstengebiete feuchter und damit grüner und weniger lebensfeindlich war, gab es im Laufe der Erdgeschichte bereits. Solche Phasen könnten in der Geschichte der Menschheit sogar eine wichtige Rolle gespielt haben.
Solche Beispiele zeigen einmal mehr, wie sehr die Menschheit im Guten wie im Schlechten von der Entwicklung des Klimas abhängig ist.