Die Skyline von Puerto Madero in Buenos Aires ©123RF/spectral

Lateinamerika

Deutlicher Ausbau der Beziehungen

Seit Beginn des 21. Jahrhunderts nehmen Bildung und Forschung einen immer zentraleren Platz ein, wenn es um die Zukunft des lateinamerikanischen Subkontinents geht. Das spiegelt sich auch in der wissenschaftlichen Zusammenarbeit der Max-Planck-Gesellschaft mit Forschungseinrichtungen der Länder Lateinamerikas wider: Ihre Anfänge lagen zwar bereits in den 1950er Jahren; aber erst allmählich entwickelten sich offizielle Kooperationen. Heute gibt es in vielen Ländern der Region ein ausgeprägtes Interesse an der Max-Planck-Gesellschaft, ihren Instituten und ihrer Expertise beim Aufbau und Betrieb weltweit führender Forschungseinrichtungen. 

Die deutlich konsolidierte Zusammenarbeit zwischen Lateinamerika und der Max-Planck-Gesellschaft zeigt sich nicht nur in der wachsenden Zahl lateinamerikanischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die an Max-Planck-Instituten promovieren oder Postdoc-Aufenthalte absolvieren, sondern auch bei der Konstituierung des Partnerinstituts in Buenos Aires, des Partnerlabors in Rosario, Argentinien, sowie bei der Einrichtung von derzeit etwa 50 assoziierten Forschungsgruppen. So gibt es derzeit mehr als 15 Partnergruppen und über 15 Unabhängige Gruppen/Tandem-Gruppen an Universitäten und Forschungsinstituten auf dem Subkontinent. In 2022 forschten an Max-Planck-Instituten forschen über 700 Gast- und Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus Lateinamerika. Darüber hinaus bestehen derzeit etwa 200 Forschungsprojekte zwischen Max-Planck-Instituten und Partnern in der Region.

Instrumente für die Kooperation 

Herausragende Instrumente der Zusammenarbeit sind in Lateinamerika das CONICET-MPG Partnerinstitut für biomedizinische Forschung in Buenos Aires (IBioBA), das sich auf die Untersuchung der Prinzipien und Mechanismen der Zell- und Molekularbiologie in der Biomedizin konzentriert, und das Partnerlabor des Max-Planck-Instituts für biophysikalische Chemie in Rosario (LMPbioR), das neurodegenerative Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson untersucht.

Darüber hinaus bestehen dank der Unterstützung durch die Max-Planck-Gesellschaft und ihrer Partnerinstitutionen derzeit etwa 50 mit Max-Planck-Instituten assoziierte Forschungsgruppen in Lateinamerika, die entweder als Partner oder Unabhängige Gruppen/Tandem-Gruppen eingerichtet werden. Erstere werden von herausragenden Nachwuchskräften geleitet, die nach einem Postdoc-Aufenthalt an einem Max-Planck-Institut in ihrem Heimatland eine Forschungsgruppe einrichten. Bei Tandem-Gruppen und unabhängigen Forschungsgruppen handelt es sich um eine Partnerschaft zu einem Thema von gemeinsamem Interesse zwischen einer Gastgebereinrichtung in Lateinamerika und einem Max-Planck-Institut, dessen Gruppenleitende Person durch internationale Ausschreibungen mit einer gemeinsamen Evaluierung ausgewählt wird.

Symposien und internationale Veranstaltungen 

Angesichts des fortschreitenden Wachstums und der Beschleunigung der internationalen Forschung ist es für Wissenschaftler gerade in einkommensschwachen Ländern nicht immer einfach, die Entwicklung neuester Forschungsthemen weltweit und just-in-time zu verfolgen. Daher ist es wichtig, mögliche Synergien zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Lateinamerika und in Max-Planck-Instituten zu identifizieren und durch bilaterale wissenschaftliche Workshops und Symposien in den Ländern Lateinamerikas zur Entfaltung zu bringen. Durch das wechselseitige Vorstellen neuester Forschungsergebnisse und das persönlichen Kennenlernen intensiviert sich der Austausch und die Ausbildung von Nachwuchswissenschaftlern und es entwickeln sich neue gemeinsame Projekte und Initiativen. 

Ausschreibungen für gemeinsame Forschungsprojekte 

In einer Reihe von Ländern, wie etwa in Argentinien, Brasilien, Chile, Costa Rica und Uruguay, organisieren nationale Förderagenturen regelmäßig gemeinsame Ausschreibungen für Projekte zwischen Forschenden in verschiedenen Stadien ihrer Karriere in Lateinamerika und ihren Kolleginnen und Kollegen in Max-Planck-Instituten. Diese Forschungsprojekte werden von den nationalen Förderagenturen, aber auch von den Ministerien für Forschung und Technologie oder regionalen Forschungsstiftungen finanziert.

Die Wurzeln der Zusammenarbeit 

Auch wenn die Zusammenarbeit Max-Plancks mit lateinamerikanischen Partnereinrichtungen auf eine lange Geschichte zurückblicken kann, begann die eigentliche offizielle Kooperation mit der Gründung des CONICET-MPG Partnerinstituts für biomedizinische Forschung in Buenos Aires. Seitdem hat sie sich stetig weiterentwickelt.

Waren es in den 1950er und 1960er Jahren vor allem die besondere geografische, biologische und soziale Vielfalt des Subkontinents, die die Aufmerksamkeit der Forschenden auf sich zog, so dominierten von 1965 bis 1985 Militärdiktaturen die gesellschaftliche Entwicklung Lateinamerikas – gefangen zwischen Innenorientierung und Auslandsverschuldung war kaum Spielraum für eine internationale wissenschaftliche Zusammenarbeit.

Erst durch den Übergang zur Demokratie in den 1980er Jahren und das beschleunigte Tempo aufgrund der Globalisierung wurde die Rolle von Wissenschaft und Technologie für die Entwicklung der lateinamerikanischen Länder wieder zum Gegenstand der Diskussion. Mit dem Ergebnis, dass sie heute im Mittelpunkt stehen, wenn es um die Zukunft des Subkontinents in einer globalisierten Welt geht.

Frühe Begegnungen mit lateinamerikanischen Forschenden 

Derzeit kommen rund 40 Prozent der Direktorinnen und Direktoren der Max-Planck-Institute aus dem Ausland, darunter befinden sich auch einige mit spanischer und lateinamerikanischer Herkunft. Allerdings waren die ersten Begegnungen zwischen Max-Planck-Instituten und Forschenden in Lateinamerika eher sporadisch. So machte sich 1976 die argentinische Physikerin Dr. Silvia Braslavsky über die USA auf den Weg zum damaligen Max-Planck-Institut für Strahlenchemie in Mülheim, wo sie Gruppenleiterin wurde. Dr. Thomas Jovin wurde 1969 als erster Wissenschaftler aus Lateinamerika zum Direktor an ein Max-Planck-Institut, in diesem Fall das Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen, berufen.

1971 wurde der gebürtige Spanier Manuel Cardona zum Gründungsdirektor am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart ernannt. Manuel Cardona war von Anfang an ein engagierter Förderer der Materialwissenschaften, nicht nur in seinem Heimatland, sondern vor allem auch in Lateinamerika.

Einer der Pioniere im Hinblick auf die Forschungszusammenarbeit mit Argentinien ist Professor Florian Holsboer, Direktor des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie in München. Seit mehr als 20 Jahren unterhält sein Institut enge Beziehungen zu argentinischen Wissenschaftlern und war maßgeblich am Aufbau des CONICET-Max Planck Partnerinstituts für biomedizinische Forschung in Buenos Aires beteiligt.

Spezielle Forschungsmöglichkeiten

Die Länder Lateinamerikas verfügen nicht nur über ganz besondere geographische Bedingungen, sie zeichnen sich auch durch ihre einzigartige biologische Vielfalt und ihre ausgeprägte kulturelle Vielfalt aus. Ihre Bevölkerung ist – im Vergleich zu Deutschland – im Durchschnitt wesentlich jünger. Daher verfügen diese Länder über einen großen Pool an gut ausgebildeten, hoch motivierten und sehr talentierten Studierenden und Nachwuchskräften.

  • ATTO

    In Amazonien besitzt Südamerika die größte tropische Waldfläche, die auf der Erde noch existiert. Bereits in den 1960er Jahren richtete das damalige Max-Planck-Institut für Limnologie in Plön (heute: Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie) in Zusammenarbeit mit dem brasilianischen National Institute of Amazonian Research (INPA) eine tropenökologische Forschungsstation in Manaus ein. Inzwischen betreiben das Max-Planck-Institut für Chemie und das Max-Planck-Institut für Biogeochemie dort ökologische und atmosphärische Forschung am Amazonian Tall Tower Observatory (ATTO) in Manaus, wo seit 2015 unter anderem auch ein über 300 Meter hoher Klima-Messturm in Betrieb ist.

  • APEX 

    Die Hochebenen und Wüsten der Anden in Chile sind ein idealer Standort für Hochleistungsteleskope, die auf einen klaren Himmel und trockene Luft angewiesen sind. So begannen in den 1990er Jahren die Arbeiten zur Errichtung verschiedener Großteleskope (VLT, VLTBI, usw.) für die Europäische Südsternwarte (ESO) auf dem Cerro Paranal in Chile. Das Atacama Pathfinder Experiment (APEX), das 2003 unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie auf der Chajnantor-Ebene in der chilenischen Atacama-Wüste eingerichtet wurde, war ein wichtiger technologischer Prototyp für das Großteleskop ALMA, das seit 2013 in Betrieb ist.

  • CTA

    Die Atacama-Wüste, eine der trockensten und isoliertesten Regionen der Erde (und deshalb ein Paradies für Sterngucker) wird auch das Cherenkov-Teleskop-Array (CTA) der südlichen Hemisphäre an einem Standort weniger als zehn Kilometer südöstlich des bestehenden Paranal-Observatoriums des European Southern Observatory (ESO) beherbergen. Das Raster auf der Südhalbkugel wird den gesamten Energiebereich des CTA abdecken und Gammastrahlungsenergien von 20 GeV bis 300 TeV erfassen. Der Standort soll ein viel größeres Raster aller drei Klassen von CTA-Teleskopen auf einer Fläche von vier Quadratkilometern beherbergen: vier Großteleskope, um die Niedrigenergie-Empfindlichkeit des CTA zu erfassen, 25 mittelgroße Teleskope, um den Kernenergiebereich der CTA abzudecken, und 70 Kleinteleskope, um die Gammastrahlung mit der höchsten Energie des CTA abzudecken. An CTA sind die Max-Planck-Institute für Physik (München) sowie für Kernphysik (Heidelberg) maßgeblich beteiligt.

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