Vermischte Gene

Interaktive Weltkarte zur genetischen Geschichte des Menschen enthüllt genetische Auswirkungen historischer Ereignisse

13. Februar 2014

Wenn Eltern aus verschiedenen ethnischen Gruppen sich miteinander fortpflanzen, ist das Erbgut ihrer Nachkommen eine Mischung aus der DNA dieser beiden Gruppen. Stücke dieser DNA werden dann an darauf folgende Generationen weitergegeben und gelangen so bis in die heutige Zeit. Ein Forscherteam vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, der Oxford University und dem University College London erstellte jetzt eine Weltkarte, die die genetische Geschichte von 95 verschiedenen Populationen aus aller Welt über vier Jahrtausende hinweg beleuchtet.

Die im Internet zugängliche interaktive Weltkarte beschreibt detailliert die Geschichte der genetischen Vermischung zwischen 95 Populationen aus Europa, Afrika, Asien und Südamerika. So können die genetischen Auswirkungen historischer Ereignisse veranschaulicht werden, wie etwa des europäischen Kolonialismus, des Mongolischen Reiches, des arabischen Sklavenhandels, sowie die Begegnung europäischer Händler mit Menschen aus China entlang der Seidenstraße.

Die jetzt in der Fachzeitschrift Science erschienene Studie ist die erste, die die genetische Vermischung zwischen menschlichen Populationen gleichzeitig identifiziert, datiert und charakterisiert. Dafür haben die Forscher komplexe statistische Methoden zur Analyse der DNA von 1490 Menschen aus 95 Populationen aus aller Welt entwickelt. „DNA hat die Macht, gelebte Geschichte zu erzählen und Details aus der Vergangenheit der Menschheit ans Licht zu bringen”, sagt Simon Myers, der an der Oxford University und dem Wellcome Trust Centre for Human Genetics forscht. “Weil wir ausschließlich genetische Daten nutzen, liefert unsere Studie Information, die von anderen Quellen unabhängig ist. Viele unserer genetischen Beobachtungen passen zu historischen Ereignissen, und wir finden auch Hinweise auf bisher unbekannte Fälle genetischer Vermischung. Die DNA der heute in China lebenden Tu zeigt beispielsweise, dass sich um das Jahr 1200 Europäer griechischer Herkunft mit der damals dort lebenden chinesischen Bevölkerung vermischt haben. Es scheint plausibel, dass der Anteil europäischer DNA von Händlern stammt, die damals die Seidenstraße bereisten.“

Eine leistungsstarke Methode namens “Globetrotter” gibt Einblicke in vergangene Ereignisse, wie zum Bespiel das genetische Erbe des Mongolischen Reiches. Historische Aufzeichnungen deuten darauf hin, dass die in Pakistan lebenden Hazara teilweise von mongolischen Kriegern abstammen. Im Rahmen ihrer Studie konnten die Forscher nun klare Hinweise darauf finden, dass die mongolische DNA sich mit dem Erbgut der lokalen Bevölkerung während der Ära des Mongolischen Reiches vermischt hat. Sechs andere Populationen, bis hin in die Türkei im Westen, zeigten ähnliche Hinweise auf eine genetische Vermischung mit Mongolen zu etwa derselben Zeit.

„Was mich am meisten erstaunt, ist, wie gut unsere Methode funktioniert“, sagt Garrett Hellenthal vom University College London. „Obwohl individuelle Mutationen nur wenig darüber aussagen, woher eine Person stammt, können wir jetzt Vermischungsereignisse rekonstruieren, indem wir Informationen aus dem gesamten Genom hinzuziehen. Manchmal finden wir bei Menschen aus angrenzenden Regionen überraschende Unterschiede hinsichtlich der Vermischungsquellen. So konnten wir bei anderen in Pakistan lebenden Gruppen verschiedene Ereignisse identifizieren, die sich zu unterschiedlichen Zeiten zugetragen haben: Einige erbten DNA aus Afrika südlich der Sahara, möglicherweise durch den arabischen Sklavenhandel, andere aus Ostasien und wieder andere aus dem alten Europa. Bei fast allen von uns erfassten Populationen kam es zu einer Vermischung, was nahelegt, dass diese in der jüngeren Geschichte sehr üblich war und durch die Migration von Menschen über große Entfernungen gefördert wurde.“

Das Forscherteam verwendete die Genomdaten von 1490 Menschen um DNA-“Blöcke” zu identifizieren, die Menschen unterschiedlicher Populationen gemein haben. Populationen, die näher miteinander verwandt sind, besitzen mehr gemeinsame Blöcke, und einzelne Blöcke geben Aufschluss über die zugrundeliegende Abstammung entlang der Chromosomen.  „Jede Population hat ihre eigene genetische ‚Palette‘“, sagt Daniel Falush vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. „Wenn man die Genome heute lebender Maya malen würde, müsste man dafür eine gemischte Farbpalette bestehend aus  spanischer, westafrikanischer und indianischer DNA wählen. Dieser Mix entstand um etwa 1670, was sich mit historischen Aufzeichnungen deckt, denen zufolge zu jener Zeit Menschen aus Spanien und Westafrika die amerikanischen Kontinente besiedelten. Obwohl wir den Gruppen, die sich in der Vergangenheit miteinander vermischt haben, keine DNA-Proben entnehmen können, so können wir dennoch einen Teil ihres Erbguts innerhalb der Mixpalette heute lebender Bevölkerungsgruppen nachweisen.“

Neben einem frischen Blick auf historische Ereignisse könnte diese Studie zukünftig auch Informationen darüber liefern, wie sich die Zusammensetzung der DNA in verschiedenen Populationen auf Gesundheit und Krankheit auswirkt.

 

SJ, ML/HR

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