"Wir wollen Möglichkeiten eröffnen"

"Wir wollen Möglichkeiten eröffnen"

Über die Afrika-Strategie der Max-Planck-Gesellschaft

Wer „Afrika“ hört, der denkt an weite Savannen und große Wildtierherden. Oder aber an Armut, Hunger, Krankheiten und Konflikte. Und doch birgt Afrika auch ein großes und vielfältiges Forschungspotenzial. Max-Planck-Forscherinnen und -Forscher sind schon seit langem in Afrika aktiv. Nun lotet die Max-Planck-Gesellschaft aus, in welchem Umfang sie afrikanische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor Ort besser unterstützen kann. Am 15. Dezember 2020 gab es einen ersten „Africa Round Table“ (ART) – pandemiebedingt zunächst einmal nur virtuell.

Im Kongo und an der Elfenbeinküste unterhält das MPI für evolutionäre Anthropologie Feldstationen für die Verhaltensforschung an Menschenaffen. Teams des MPI für Verhaltensbiologie sind im Kruger-Nationalpark unterwegs, um mit GPS-Sendern die Tierbewegungen dort zu erfassen. Das MPI für Psycholinguistik untersucht die sprachliche Diversität in unterschiedlichen Regionen Afrikas. Und mit H.E.S.S. in Namibia oder dem Square Kilometre Array (SKA) in Südafrika sind unter Mitwirkung von Max-Planck-Instituten gigantische Messinstrumente für die Astronomie entstanden. 

„Ich selber forsche schon seit 1991 in Afrika“, erzählt Bill Hansson, der den Vorsitz für den „Africa Round Table“ übernommen hat. „Für uns alle ist Afrika ein wirklich ‚cooler Ort‘, um zu forschen. Aber ich habe das Gefühl, dass wir nicht in dem Maße etwas zurückgeben, wie wir davon profitieren. Die Afrikaner werden es darüber hinaus auch nicht dauerhaft akzeptieren, in der zweiten Reihe zu stehen.“

Afrikas Bevölkerung ist jung – die Hälfte der über eine Milliarde Einwohnerinnen und Einwohner ist unter 19 Jahre alt. Und auch wenn das junge Afrika der Smartphones und Solarzellen die etablierte Politik noch nicht ganz erobert hat, so prägt und entwickelt es doch die Gesellschaften weiter. „Wir können die Menschen in Afrika dabei unterstützen, dieses Potenzial durch Bildung selbst zu heben. Dabei muss man aber sehr behutsam vorgehen, damit man sich nicht dem Vorwurf des Post-Kolonialismus aussetzt“, so Hansson. „Wir wollen Möglichkeiten eröffnen. Aber die Afrikaner sollen selbst wählen, ob und wie sie diese annehmen möchten.“

In einem ersten Schritt will die Max-Planck-Gesellschaft niedrigschwellige Maßnahmen etablieren, wie Lectures und Mentorships. Außerdem soll es ein spezielles Partnergruppen-Programm und Mobility Grants für afrikanische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler geben, die vorübergehend in Deutschland an einem MPI arbeiten möchten. „Ein wichtiges Ziel dabei muss sein, den Rückkehrenden eine sehr gute Chance für den Start in der Heimat zu eröffnen“, erklärt Hansson. Die größere Herausforderung aber wird darin bestehen, langfristig ein wissenschaftliches Umfeld und adäquate Forschungsbedingungen zu etablieren. Wie bringt man ein Wissenschaftssystem zum Laufen? „Wir können uns nicht an europäischen Institutionen wie Max-Planck oder dem französischen CNRS orientieren“, erklärt Hansson. „Wir müssen uns anschauen, wie man Fördermöglichkeiten in Afrika so aufbauen kann, dass sie dort funktionieren.“

Er weiß, wovon er spricht. Seit 2006 ist er Mitglied im Board des International Centre for Insect Physiology and Ecology, kurz icipe, in Kenia. „Als ich in das Board eintrat, war das Institut kurz vor dem Bankrott – wir mussten uns quasi Geld leihen, um die Löhne auszuzahlen“, erzählt Hansson. Aber mit einem starken lokalen Management und einem aktiven Leitungsgremium ist das Center nun auf einem sehr guten Weg. „Heute ist das icipe ein Musterinstitut in Afrika.“

Internationale Geldgeber sind erpicht darauf, jemanden zu finden, dem sie vertrauen können – eine effiziente Organisation, die ihr Geld nimmt und es gut einsetzt. Wenn man so eine Organisation hat, dann wird auch das Geld dorthin fließen. „icipe hat ein Budget von mehreren Millionen Dollar, alles ‚soft money‘“, wie Hansson betont. Damit sind beispielsweise Stiftungsgelder gemeint. Im Schulterschluss mit der Alexander von Humboldt-Stiftung, die über ein großes AlumniNetzwerk in Afrika verfügt, will er daher weitere Fördermöglichkeiten ausloten. Eines ist daher jetzt schon klar: Die Max-Planck-Gesellschaft wird einen langen Atem und eine langfristige Vision für Afrika brauchen – schnelle Lösungen gibt es nicht. 

Text: Christina Beck 

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