In großen Sprüngen
Elizaveta Bobkova vom Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg war im Rahmen des deutsch-französischen Austauschprogramms Salto drei Monate in Bordeaux. Sie meisterte komplizierte Labortechniken, war Jurorin bei einem Wettbewerb der synthetischen Biologie und widmete sich ihrem Lieblingssport: dem Eiskunstlauf.
Meine erste Leidenschaft entdeckte ich im Alter von vier Jahren. Von meinen Eltern bekam ich Schlittschuhe geschenkt. Von da an stand ich mehrmals pro Woche auf dem Eis und übte Sprünge und Pirouetten. Auch später, während meines Studiums in Heidelberg, war ich Mitglied im Eiskunstlaufverein. Meine zweite Leidenschaft kam während meiner Schulzeit hinzu: Ich begeisterte mich mehr und mehr für die Naturwissenschaften und fand großen Spaß daran, bei Biologie-Wettbewerben mitzumachen. Nach dem Abitur habe ich mich für Biowissenschaften eingeschrieben und mich später in Richtung Biophysik orientiert. Ein Highlight für mich war die Teilnahme am jährlichen Wettbewerb „International Genetically Engineered Machine“ (iGEM). Dabei präsentieren Teams junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt ihre Entwicklungen auf dem Gebiet der synthetischen Biologie. Beim Blick durchs Mikroskop etwas zu sehen, das man selbst geschaffen und das nie zuvor jemand gesehen hat – wie cool ist das denn?
Eines Tages saß ich in einem Vortrag von Tobias Erb. Ihm und seinem Team am Marburger Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie war es gelungen, einen künstlichen Stoffwechselweg zu entwickeln und diesen an Chloroplasten zu koppeln. Damit lässt sich Kohlendioxid binden und in neue Verbindungen umwandeln. In Zukunft könnte man mithilfe solcher synthetischer Reaktionszyklen das Treibhausgas aus der Atmosphäre idealerweise nutzen, um chemische Substanzen umweltschonend herzustellen. Ich war fasziniert von der Vision, den Klimawandel mit biotechnologischen Methoden zu bekämpfen. Daran wollte ich forschen!
Ich stellte mich bei Tobias Erb vor und bekam eine Doktorandenstelle. In meiner Doktorarbeit suche ich nach einem Weg, um Moleküle selektiv über synthetische Membranen zu transportieren. Ziel ist es, die künstlichen Reaktionszyklen durch eine räumliche Trennung der Teilprozesse noch effizienter zu machen. Dabei setze ich auch auf die Mikrofluidik – eine Methode, mit der sich biochemische Reaktionen auf kleinstem Raum untersuchen lassen. Die erste Adresse, um mich intensiv damit auseinanderzusetzen, war das Labor von Jean-Christophe Baret in Bordeaux. Baret ist Experte auf diesem Gebiet und arbeitet schon seit vielen Jahren mit unserer Forschungsgruppe zusammen. Das deutsch-französische Austauschprogramm Salto zwischen der französischen Forschungsorganisation Centre national de la recherche scientifique (CNRS) und der Max-Planck-Gesellschaft hat mir den Aufenthalt ermöglicht.
Die Mikrofluidik ist eine sehr vielseitige Technik. Ich verwende Flüssigkeitstropfen quasi als winzige Versuchsgefäße. Um sie zu erzeugen, leite ich drei Flüssigkeiten durch hauchfeine Kanäle zusammen. Zwei der Flüssigkeiten enthalten jeweils unterschiedliche Bestandteile der Reaktion und vermischen sich. Sie bilden einen Tropfen innerhalb der dritten Flüssigkeit, die mit den beiden ersten nicht mischbar ist und als „Gefäß“ dient. Sobald die Reaktionsbestandteile darin aufeinandertreffen, startet die Reaktion. Eine raffinierte Methode, doch erfordert der Umgang mit den winzigen Kanülen und Spritzenpumpen Routine und eine ruhige Hand. In Bordeaux habe ich unglaublich viel gelernt – vor allem dank Postdoc Thomas Beneyton, der mich vor Ort betreut hat.
Auch in anderer Hinsicht war der Aufenthalt ein voller Erfolg: Da zeitgleich in Paris der diesjährige iGEM-Wettbewerb stattfand, konnte ich beides verbinden und auf dem Weg nach Paris noch einen Stopp in Disneyland einlegen. Anders als in der Vergangenheit war ich diesmal nicht als Teilnehmerin bei dem Wettbewerb, sondern als Jurymitglied. Die tollen Projekte und der Austausch mit so vielen kreativen Leuten waren inspirierend und haben riesigen Spaß gemacht. Und damit nicht genug, stand ich in Frankreich nach langer Zeit wieder einmal auf Schlittschuhen. In Marburg ist das nächste Stadion so weit entfernt, dass ich meinen Lieblingssport zwischenzeitlich „auf Eis“ legen musste. In Bordeaux war es hingegen bloß ein Katzensprung, und ich konnte nach der Arbeit wieder meiner alten Leidenschaft nachgehen. Das Schöne daran: Selbst Sprünge und Figuren klappten noch!