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Bayern fördert wettbewerbsfähigen Ausbau des Max-Planck-Campus Martinsried zu Standort für internationale Spitzenforschung mit bis zu 500 Mio. Euro

In den kommenden Jahren werden die Lebenswissenschaften im Fokus des wissenschaftlichen Wettbewerbs stehen – sowohl bei der Gewinnung herausragender Köpfe als auch hinsichtlich entsprechender attraktiver Infrastrukturen. Die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) plant deshalb, den Campus in Martinsried zum Flaggschiff für Life Sciences über Deutschland und Europa hinaus weiter zu entwickeln. Der Freistaat Bayern will das Vorhaben – vorbehaltlich der Zustimmung des Landtags – in den kommenden zehn Jahren mit bis zu 500 Mio. Euro fördern. Ministerpräsident Markus Söder, MdL, und Max-Planck-Präsident Martin Stratmann unterzeichneten eine entsprechende Absichtserklärung am 29. April 2021 im Max-Planck-Haus am Hofgarten.

Schon heute ist der Standort Martinsried ein Leuchtturm in der europäischen Biotechnologie und gekennzeichnet durch eine enge Vernetzung von akademischer Forschung, Medizin und Industrie. Die Mehrzahl der hier ansässigen mittelständischen Unternehmen sind Ausgründungen wissenschaftlicher Einrichtungen, viele davon aus den beiden Martinsrieder Max-Planck-Instituten für Biochemie und für Neurobiologie. Alleine in den vergangenen fünf Jahren gab es rund 40 Neugründungen. Damit hat sich Martinsried zum Zentrum der Biotech-Region München entwickelt, die heute insgesamt fast 100 Unternehmen zählt. „Wir wollen diese 'Innovationspipeline' erhalten und stärken“, bekräftigte der bayerische Ministerpräsident. Zusammen mit den beiden Münchner Universitäten und weiteren Wissenschaftseinrichtungen in Bayern will die MPG die nationale und internationale Strahlkraft des Campus Martinsried als Forschungs- und Technologiestandort durch eine wettbewerbsfähige Weiterentwicklung sichern.

Vor diesem Hintergrund sollen sich das Max-Planck-Institut für Neurobiologie und das in Seewiesen ansässige Max-Planck-Institut für Ornithologie zu einem gemeinsamen neuen Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz zusammenschließen und sich in den nächsten Jahren mit weiteren Abteilungen vergrößern. Der Standort Seewiesen soll dabei als Außenstelle für naturnahe Forschung erhalten bleiben. Aufbauend auf einer erfolgreichen Geschichte vor allem in den molekularen und zellulären Neurowissenschaften hat sich das MPI für Neurobiologie in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu einem der führenden Zentren zur Erforschung neuronaler Schaltkreise entwickelt. Wichtige methodische Innovationen, wie optische Bildgebung und Optogenetik, Connectomics und Einzel-Zellsequenzierung, Anwendung von maschinellem Lernen auf biologische Datensätze oder Virtual-Reality-Verhaltenstests haben dazu beigetragen, die neuronalen Strukturen immer enger mit der Funktion im Nervensystem zu verknüpfen. Das Max-Planck-Institut für Ornithologie wiederum ist weltweit bekannt dafür, Feldökologie und laborgestützte Ansätze zur Verhaltensforschung unter einem Dach zu vereinen. Als Nachfolgeinstitut des Max-Planck-Instituts für Verhaltensphysiologie, das Anfang der 1950er Jahre dem aufkeimenden Gebiet der Ethologie eine Heimat gab und an dem der spätere Nobelpreisträger Konrad Lorenz forschte, leisteten die Forscherinnen und Forscher des Instituts Pionierarbeit in den Bereichen Neuroethologie, Soziobiologie und Verhaltensökologie.

Das wachsende Verständnis von Verhaltensweisen in der realen Welt bietet den entsprechenden Kontext für die mechanistische Erforschung ihrer neuronalen Grundlagen. Umgekehrt versprechen die technologischen Revolutionen in den Neurowissenschaften, auch die Verhaltensökologie zu verändern. Der Austausch zwischen Forschenden, die diese komplementären Ansätze im Feld und im Labor sowohl experimentell als auch theoretisch vorantreiben, wird die Einführung neuer Werkzeuge und neuer Konzepte für beide Bereiche beschleunigen.

Das Max-Planck-Institut für Biochemie hat mit Feodor Lynen sowie Hartmut Michel, Johann Deisenhofer und Robert Huber vier Nobelpreisträger hervorgebracht und mit seiner Forschung in vielen Bereichen entscheidende Grundlagen geschaffen. Beispielhaft dafür steht die erfolgreiche Krebsforschung von Axel Ullrich, der die Grundlagen für einen biomedizinischen Blockbuster in der Krebstherapie gelegt hat, oder die Forschung von Franz-Ulrich Hartl an der Proteinfaltung, deren Fehlsteuerung zahlreiche Krankheiten auslöst. Darüber hinaus hat das MPI eine lange Tradition in der Erforschung sogenannter Nanomaschinen, im Entschlüsseln ihrer Eigenschaften, Funktionsweisen und Strukturen. Einige der bahnbrechendsten technologischen Entwicklungen, die es uns heute ermöglichen, strukturelle Details lebender Systeme mithilfe der Kryo-Elektronentomographie im Bereich von einem Millionstel Millimeter und darunter aufzulösen, oder mittels der Massenspektrometrie enorme Datenmengen zu sammeln, zu verarbeiten und auszuwerten, wurden hier maßgeblich vorangetrieben. Letztere Methode wird heute in Zusammenarbeit mit dem Klinikum Großhadern und Krankenhäusern weltweit zur Charakterisierung von Zellen pathologischer Proben eingesetzt.

Diese große Bandbreite der biomedizinischen und neurowissenschaftlichen Forschung am Campus Martinsried soll durch Forscherinnen und Forscher komplementiert werden, die sich mit der Entwicklung neuer Technologien befassen, da diese oft für Quantensprünge unseres Verständnisses biologischer Prinzipien sowie ihrer Anwendung verantwortlich sind. Dabei geht es um Schlüsseltechnologien wie molekulares Design, 3D-Drucken von biologischen Komponenten, Robotik, Mikrosystemtechnik und Künstliche Intelligenz. Aber auch die Entwicklung neuer umfangreicher, rechnergestützter und analytischer Werkzeuge. Maschinelles Lernen und Big Data werden eine große Rolle spielen. Gerade für die Modellierung komplexer Systeme, wie z.B. einer Zelle, eines Gehirns und der Interaktion von Gehirnen könnten aber auch Quantencomputer besonders wichtig werden.

Vor diesem Hintergrund stellen sich besondere Bedarfe und Herausforderungen an den neu zu bauenden Campus, insbesondere hinsichtlich der erforderlichen computergestützten Ausstattung. Daher erwägt die MPG, ihr Rechenzentrum, das bislang auf dem Campus Garching angesiedelt ist, um einen zusätzlichen Standort in Martinsried zu erweitern. Auf diese Weise können neue Kapazitäten geschaffen werden, um den Herausforderungen im Bereich der Analyse von molekularen Strukturen, Proteinnetzwerken, Imaging Daten und multidimensionalen Verhaltensmessungen gerecht zu werden. Neben standardisierten Laboren, die für viele Bereiche einsetzbar sein werden, wird es Speziallabore und technische Sonderbereiche geben, wie z.B. (Kryo-) Elektronenmikroskopie oder Magnetresonanztomografie (MRT).

Besonderen Wert legt die Max-Planck-Gesellschaft auf den Aspekt der Nachhaltigkeit: „Wir wollen einen klimaneutralen Forschungscampus, der in seiner Art und Größe vorbildlich in Europa ist“, erklärte Präsident Martin Stratmann. Geplant ist auch ein transparent gestaltetes Begegnungszentrum für Wissenschaft und Öffentlichkeit nahe der zukünftigen U-Bahn-Haltestelle in Martinsried. Dort sollen sich die neuen Gebäude sukzessive ab 2023 entwickeln.

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