„Es ließ mich und andere wachsen“

„Es ließ mich und andere wachsen“

Zum 20-jährigen Jubiläum des Partnergruppenprogramms in Indien
 

3. April 2024

In keinem anderen Land sind so viele Partnergruppen aktiv wie in Indien: Seit 2004 wurden 85 Partnergruppen in Indien gegründet, von denen im März 2024 27 aktiv waren. Anlässlich dieses 20-jährigen Jubiläums besuchte eine Delegation um Max-Planck-Präsident Patrick Cramer Anfang April 2024 die Metropole Delhi. Ziel der Reise ist es, bestehende Partnerschaften zu stärken und neue Kooperationsmöglichkeiten für die Max-Planck-Gesellschaft auszuloten. 

Die bevölkerungsreichste Demokratie und fünftgrößte Volkswirtschaft weltweit birgt ein großes und vielfältiges Forschungspotenzial. Max-Planck-Präsident Peter Gruss hatte schon vor über zwei Jahrzehnten erkannt, dass es mit Blick auf den demografischen Wandel in Deutschland wichtig sein würde, die Zusammenarbeit mit Indien auszubauen. Anlässlich des Besuchs von Bundeskanzler Gerhard Schröder in Indien 2004 unterzeichnete Gruss ein "Memorandum of Understanding" über die künftige wissenschaftliche Zusammenarbeit beider Länder.

Innerhalb kurzer Zeit stieg nicht nur die Zahl der PhDs und Postdocs aus Indien, sondern insbesondere das Partnergruppenprogramm entwickelte sich zu einem besonders erfolgreichen und nachhaltigen Instrument für die Zusammenarbeit: seit 20 Jahren unterstützt es indische Postdocs nach einem Aufenthalt an einem MPI dabei, Forschung im eigenen Land zu betreiben – und intensive Beziehungen zu ihrem vormaligen Max-Planck-Institut aufrechtzuerhalten.

Einer der ersten Partnergruppenleiter in Indien war Naveen Garg. Heute ist er Professor für Computer Science am Indian Institute of Technology (kurz IIT) in Delhi, einer der führenden universitären Bildungseinrichtungen in Indien. Eine Partnergruppe in Indien zu leiten und die damit verbundene finanzielle Förderung haben nicht nur seine eigene wissenschaftliche Karriere nachhaltig geprägt, sondern auch die vieler indischer Nachwuchsforschender. Spricht man mit dem Professor, der zu Algorithmen und der Komplexität in der theoretischen Informatik forscht und unterrichtet, über seine wissenschaftlichen Erfolge, wird schnell klar: Seine Zeit als Partnergruppenleiter in Indien hat ihn nachhaltig geprägt – bis heute. Und das obwohl seine Ernennung 20 Jahre zurückliegt.

Warum das so ist, liegt nicht so sehr in Gargs individueller Lebensgeschichte begründet, sondern in der Struktur des indischen Wissenschaftssystems, das als eines der komplexesten weltweit gilt: Fast 80 Prozent der indischen Studierenden ist in Bachelorprogrammen eingeschrieben, 11 Prozent in einem Masterprogramm. Weniger als 0,5 Prozent absolvieren einen PhD oder dessen Vorstufe, den MPhil (Quelle: DAAD). Positionen für Postdocs gibt es bislang sehr wenige. Damit erklärt sich auch, warum sich Naveen Garg entschied, als Postdoc in Deutschland weiterzuforschen. „Nachdem ich meinen PhD am IIT Delhi gemacht hatte, zog es mich in die Welt. Ich wollte mit den Besten auf meinem Forschungsfeld arbeiten.“ Und die fand Garg in Saarbrücken in der Gruppe von Kurt Mehlhorn, dem damaligen Direktor am MPI für Informatik. Es folgten zwei inspirierende Jahre als Postdoc und anderthalb Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter von 1994 bis 1997.

So wie Naveen Garg vor 30 Jahren geht es auch heute noch vielen Studierenden in Indien. „Wir haben sehr viele begabte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in unserem Land. Wenn sie jedoch weltweit führend auf ihrem Forschungsgebiet werden wollen, können ihnen Einrichtungen im Ausland ein besseres Umfeld bieten – zumindest noch“, schätzt Garg die Situation des Forschungsstandortes Indien ein. Entscheidend sei, dass indische Nachwuchsforschende im Ausland von dem intensiven Austausch mit anderen internationalen Promovierenden und Postocs profitieren würden, so Garg weiter. Viele von ihnen finden dieses Umfeld an einem der aktuell 84 Max-Planck-Institute: 2022 stammte jeder zwölfte ausländische Nachwuchswissenschaftler an Max-Planck-Instituten aus Indien – ein Anstieg von mehr als 21 Prozent in den letzten fünf Jahren. Damit bilden indische Doktorandinnen und Doktoranden die drittgrößte ausländische Gruppe an Max-Planck-Instituten insgesamt (nach ausländischen Nachwuchsforschenden aus der EU und China).

Trotz der Top-Bedingungen am MPI für Informatik wuchs bei Naveen Garg das Bedürfnis, wieder nach Indien in die Nähe seiner Familie zurückzukehren. „Für viele Menschen kann die Rückkehr nach Indien ein beruflicher Rückschlag sein, zum Beispiel weil man die an der Gasteinrichtung gewachsenen Bindungen verliert. Ich kehrte ans IIT in Delhi mit der Gewissheit zurück, dass mir das nicht passieren würde.“ Auch Dank des 2004 eingerichteten Partnergruppenprogramms war es ihm möglich, die enge Verbindung mit dem MPI in Saarbrücken aufrechtzuerhalten und zu intensivieren.

Als Partnergruppenleiter erhielt Garg jährlich 20.000 Euro über einen Zeitraum von fünf Jahren: „Ich habe das Geld effektiv genutzt, um meine Forschung auszubauen, Promovierende und Postdocs zu beschäftigen, regelmäßige Forschungsaufenthalte in Deutschland zu verbringen, an internationalen Konferenzen teilzunehmen – und einen besonders erfolgreichen und nachhaltigen Workshop in Delhi zu veranstalten.“ So sei es ihm nicht nur gelungen, führende Forschende auf dem Gebiet der „Approximation Algorithms“ einzuladen. Er finanzierte über 100 indischen Studierenden die Teilnahme an dem Workshop. „Auch heute noch kommen einige dieser Studierende auf mich zu, die sagen, dass sie durch diesen Workshop zur Algorithmik gekommen sind. Das ist etwas, worüber ich mich sehr freue. Denn viele von ihnen sind heute sehr gute Forscherinnen und Forscher.“

Heute blickt Naveen Garg auf zahlreiche Erfolge zurück: Seine Abteilung am IIT in Delhi umfasst über 100 Promovierende und 5 Postdocs. Seine Aktivitäten in der Partnergruppe mündeten 2010 in das erste Max Planck Center in Indien, das seit 2016 gemeinsam mit dem Max-Planck-Institut für Softwaresysteme und dem für Informatik als Kollaboration weitergeführt wird. Er ist Fellow der Indian Academy of Science, Bangalore, und wurde mit dem SS-Bhatnagar-Preis für mathematische Wissenschaften im Jahr 2016 ausgezeichnet. Ob durch seine Professur, seine Partnergruppe oder das von ihm mit aufgebaute Max Planck Center: Besonders freut sich Garg, dass von seinen eigenen Verdiensten zahlreiche Studierende und Promovierende aus Indien profitierten und ihren eigenen Weg in der Wissenschaft gehen können. „Meine eigenen Erfahrungen wurden von ihnen in vielerlei Hinsicht übertragen und optimiert. Das erfüllt mich sehr!“

PM

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