Amtsübergabe in Göttingen

Zur diesjährigen Jahresversammlung der Max-Planck-Gesellschaft sind vom 20. bis 22. Juni über 800 interne und externe Gäste nach Göttingen gekommen. Mit stehender Ovation verabschiedeten die Gäste Martin Stratmann nach seiner Festansprache, in der er an Bund und Länder appellierte, Bürokratien abzubauen, um den Anschluss Deutschlands an die großen Wissenschaftsnationen, darunter die USA und China, nicht zu verlieren. „Wer Risiken vermeiden will, geht das größte Risiko ein“, so Stratmann. „Wer frei denkt, andere begeistert und Neuland betritt, kann transformative Forschungsergebnisse erzielen. Und die Welt verändern,“ sagte Patrick Cramer, der neue Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, in seiner Antrittsrede.

Die diesjährige Jahresversammlung, die vom 20. bis 22. Juni in Göttingen stattfand, startete am Dienstagabend mit dem wissenschaftlichen Eröffnungsvortrag von Melina Schuh, Direktorin am Max-Planck-Institut für multidisziplinäre Naturwissenschaften. In der prachtvollen Aula am Wilhelmsplatz begrüßten Martin Stratmann, Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, und Metin Tolan, Präsident der Georg-August-Universität, die vorrangig internen Gäste und betonten die gute Vernetzung am Standort Göttingen und das fruchtbare wissenschaftliche Umfeld. Vizepräsidentin Asifa Akhtar führte die Rednerin ein. Als exzellente Wissenschaftlerin, Mutter und Führungsperson sei Schuh ein Vorbild für alle Wissenschaftlerinnen.

In ihrem Vortrag „Von der Erforschung der Eizelle bis zum Kinderwunsch“ nahm Melina Schuh die Zuhörer*innen mit auf eine „Reise an den Anfang des Lebens“ und betonte, wie wenig erforscht die menschlichen Eizelle sei. Sie und ihre Gruppe haben in den letzten Jahren mehrere Methoden entwickelt, um das zu ändern, und dabei u.a. herausgefunden, wie sich das korrekte Trennen von Chromosomen durch Stabilisierung des dafür zuständigen Spindelapparats verbessern ließe. Eine Kurve in ihrer Präsentation zeigte zudem deutlich, warum es durchaus sinnvoll ist, sich auch in jüngeren Jahren Gedanken über Familienplanung zu machen. Denn mit zunehmenden Alter steigt die Gefahr für eine fehlerhafte Chromosomen-Übertragung ‒ von in jungen Jahren etwa 20 Prozent bis auf 70 Prozent in höherem Alter. Das Publikum zeigte sich sehr beeindruckt von der Forschung und den Ergebnissen, die Schuh und ihr Team in den vergangenen Jahren geleistet haben, was auch die zahlreichen Fragen im Anschluss zeigten.

Medaillen und Preise für den Nachwuchs

29 junge Nachwuchsforschende haben 2023 die Otto-Hahn-Medaille für herausragende wissenschaftliche Leistungen erhalten, die sie im Zusammenhang mit ihrer Doktorarbeit erbracht haben. Die Verleihungen der mit 7500 Euro dotierten Medaillen hat im Rahmen der Sektionssitzungen am ersten Tag Jahresversammlung in Göttingen stattgefunden.

Vier der mit der Medaille ausgezeichnenden Forschenden, Dmitriy Borodin vom MPI für Multidisziplinäre Naturwissenschaften, Zhexin Wang vom MPI für molekulare Physiologie, Qun Yang vom MPI für Chemische Physik fester Stoffe und Micha Heilbron vom MPI für Psycholinguistik, wurden darüber hinaus mit dem Otto Hahn Award ausgezeichnet. Der Preis ermöglicht einen Forschungsaufenthalt im Ausland. Im Anschluss daran können die Nachwuchsforschenden als Gruppenleiter und Gruppenleiterinnen eine Forschungsgruppe mit eigenem Forschungskonzept an einem Max-Planck-Institut übernehmen.

Zurück zu den Anfängen

Die Geburtsstunde der heutigen Max-Planck-Gesellschaft (MPG) schlug am 26. Februar 1948 in Göttingen. An diesem Tag wurde sie in der Kantine der Aerodynamischen Versuchsanstalt ‒ heute Teil des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt DLR ‒ gegründet. Sie folgte auf die 1911 gegründete Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG), die erste Einrichtung in Deutschland zur Förderung außeruniversitärer Forschung in eigenen Instituten. Zum Namensgeber für die Nachfolgeorganisation der KWG wurde Max Planck. Das Amt des ersten Präsidenten übernahm der Chemiker und Nobelpreisträger Otto Hahn. Beide für die Max-Planck-Gesellschaft so wichtigen Persönlichkeiten sind auf dem alten Stadtfriedhof in Göttingen begraben.

Die Stadt Göttingen stand auch im Fokus der Festversammlung, die den Höhepunkt der 74. Jahresversammlung markierte und in deren Rahmen Martin Stratmann die Amtskette des Präsidenten an Patrick Cramer übergab. Bevor die Veranstaltung beginnen konnte, durften sich die Gäste zunächst im Sprint über den roten Teppich üben. Denn ein heftiges Unwetter entlud sich über Göttingen eine gute halbe Stunde vor der Festversammlung und setzte so einiges unter Wasser.

Göttingen jedenfalls hätte nicht nur die Vergangenheit der Max-Planck-Gesellschaft geprägt, und ihre Gegenwart mitbestimmt, sondern auch eine spannende Zukunft würde der Standort der MPG bieten, betonte der Ministerpräsident des Landes Niedersachsen, Stephan Weil, in seiner Ansprache. Damit bekräftigte Weil die bereits von seinem Minister Falko Mohrs am Mittwochabend getroffene Aussage, dass das Land Niedersachsen 1,5 Milliarden Euro zusätzliche Mittel in die Wissenschaft investieren wolle. Die Max-Planck-Gesellschaft werde sicher auch davon profitieren. 

Im Anschluss sprach die Bundesministerin für Bildung und Forschung Bettina Stark-Watzinger, die den Bundeskanzler Olaf Scholz vertrat, der aufgrund dringender internationaler Termine kurzfristig absagen musste. Sie würdigte die Max-Planck-Gesellschaft als eine Wissenschaftsorganisation, die für „bahnbrechende Erfindungen steht“. Sie nannte hier u.a. die Elektronenmikroskopie, das MRT und die Genschere. Deutschland brauche eine MPG in Bestform, denn nur mit einer starken Wissenschaft seien die Krisen unserer Zeit zu bewältigen. Stark-Watzinger bedankte sich bei Martin Stratmann für die geleistete Arbeit und sicherte seinem Nachfolger Patrick Cramer die Unterstützung der Bundesregierung zu.

Ehre für Martin Stratmann

Mit stehender Ovation verabschiedeten die Gäste Martin Stratmann nach seiner Festansprache, in der er an Bund und Länder appellierte, Bürokratien abzubauen, um den Anschluss Deutschlands an die großen Wissenschaftsnationen, darunter die USA und China, nicht zu verlieren. „Wer Risiken vermeiden will, geht das größte Risiko ein“, so Stratmann. 

Mit einem ganz besonderen Lied ging die Festversammlung nach gut zwei Stunden dann zu Ende: Die Melodie von „Göttingen“ der französischen Chansonnière Barbara erklang in der Lokhalle und überraschte insbesondere Patrick Cramer. Er hatte die Geschichte des Lieds in seiner ersten Ansprache als Präsident der Max-Planck-Gesellschaft als Symbol dafür präsentiert, was erreichbar und möglich wird, wenn Mut, Beharrlichkeit und Vertrauen zusammenkommen. In der Wissenschaft sei das ganz ähnlich: „Wer frei denkt, andere begeistert und Neuland betritt, kann transformative Forschungsergebnisse erzielen. Und die Welt verändern.“ Das habe Cramer auch bei seinen Besuchen an allen Instituten der Max-Planck-Gesellschaft erleben dürfen – er sei beeindruckt von der Bandbreite der Forschung. Und das, was alle Mitarbeitenden in der MPG eine, sei der Antrieb durch Neugier. „Wir sind Findende, mehr als Suchende. Wir sind achtsam, um sie zu erleben – diese „Serendipity“. Diese beinahe magischen Momente, […]“, sagte Cramer. Die Gründungsgeschichte der MPG lehre, worauf es ankomme: „Weitblick, persönlicher Einsatz, Zusammenhalt“.

Starke Netzwerke am Standort

Vier Max-Planck-Institut mit etwa 1.580 Mitarbeitenden zählt der Standort Göttingen: das Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation, das Max-Planck-Institut zur Erforschung multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften, das Max-Planck-Institut für multidisziplinäre Naturwissenschaften und das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung. Sie alle forschen international und sind darüber hinaus eng mit der Universität Göttingen sowie weiteren regionalen Partner verbunden. Wie exzellent die Forschung in Göttingen ist, zeigt sich auch an der Vielzahl der Nobelpreisträger – davon alleine vier aus den Reihen der Max-Planck-Gesellschaft: Manfred Eigen (Nobelpreis für Chemie 1967), Erwin Neher und Bernd Sackmann (Nobelpreis für Medizin 1991) sowie Stefan Hell (Nobelpreis für Chemie 2014). Wer Einblick in die Forschung dieser und weiterer Max-Planck-Nobelpreisträger*innen nehmen möchte, der ist herzlich eingeladen in die Ausstellung „Pioniere des Wissens – die Nobelpreisträger*innen der Max-Planck-Gesellschaft“ zu kommen, die am 23. Juni im Forum Wissen eröffnet wird, oder sich über die Digital Story im Internet zu informieren.

Max-Planck-Tag in Göttingen

Ein Tag zum Staunen, Entdecken und Mitmachen – den bot die Max-Planck-Gesellschaft am 23. Juni auf dem Wissenschaftsmarkt vor dem Alten Rathaus. Hier wurde dem Wetter getrotzt und die Forschung verschiedener Max-Planck-Institute aus Göttingen und dem gesamten Bundesgebiet gezeigt - Grundlagenforschung in all ihrer Vielfalt. Der Max-Planck-Tag endete mit einem Science Slam im Alten Rathaus.

Insgesamt betreibt die Max-Planck-Gesellschaft fünf Institute in Niedersachsen mit 1.730 Mitarbeiter*innen. Zum Standort Göttingen kommt noch das Teilinstitut des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik in Hannover hinzu.

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