Auf den Spuren der dunklen Seite des Universums

Das Weltraumteleskop Euclid liefert erste wissenschaftliche Bilder

Um zu verstehen, wie das Universum entstand und wie es sich bis zu seiner heutigen Form entwickelt hat, braucht es zwei Dinge: Kosmologische Computermodelle nutzen die Gesetze der Physik, um zu beschreiben, wie das Universum heute aussehen sollte. Beobachtungen mit Teleskopen überprüfen, ob diese Modelle Recht behalten. Das Euclid Weltraumteleskop wird erstmals in der Lage sein, Milliarden von Galaxien und ihre Positionen in drei Dimensionen zu vermessen und das beinahe im gesamten von der Erde aus einsehbaren Universum. Die ersten wissenschaftlichen Bilder wurden nun veröffentlicht.

Euclid, das neueste Weltraumteleskop der Europäischen Weltraumorganisation (Esa), hat seine ersten Farbfotos aus dem Weltall veröffentlicht. Diese zeigen eine Kombination von Daten der beiden Instrumente VIS (Visible Instrument) und NISP (Nah-Infrarot Spektrograf und Photometer), die jeweils das sichtbare und nahe Infrarotlicht mit großflächigen Detektoren einfangen. Euclids wichtigste Aufgabe ist, die detaillierteste dreidimensionale Kartierung des Universums vorzunehmen und diesem damit einige seiner dunklen Geheimnisse zu entlocken. Die deutschen Mitglieder des Euclid-Konsortiums, darunter auch die Max-Planck-Institute für Astronomie und extraterrestrische Physik, haben zentrale technische Komponenten des Teleskops entwickelt, übernehmen logistische Dienstleistungen – was die immensen Datenströme angeht – und gewährleisten die Qualität der veröffentlichten Daten.

Bisherige Weltraumteleskope, wie etwa Hubble oder James Webb wurden gebaut, um sehr kleine Bereiche am Himmel sehr genau zu untersuchen. Euclid hingegen weitet den Blick bei gleichsam starker Bildqualität: Dank seiner großen Optik, seiner empfindlichen Instrumente und seiner Position außerhalb der störenden Erdatmosphäre liefert es in relativ kurzer Beobachtungszeit Bilder großer Himmelsausschnitte, die zudem bemerkenswert scharf sind und auch das schwache Licht weit entfernter Galaxien enthalten. Mit den veröffentlichten Bildern demonstrieren die Mitglieder des Euclid-Konsortiums das volle Potenzial von Euclid an Hand fünf ausgewählter Objekte. Jedes Bild deckt am Himmel eine Fläche ab, die etwas größer ist als der Vollmond. Am Ende der Mission werden etwa 40.000 solcher Bildausschnitte zu einer Gesamtfläche von etwa 14.000 Quadratgrad am Himmel kombiniert werden, das entspricht einem Drittel des gesamten Himmels – der Teil, der nicht von unserer eigenen Galaxie, der Milchstraße, verdeckt ist.

Die nun erschienenen Bilder zeigen eines sehr deutlich: Jedes Bilder wird eine Fundgrube darstellen für neue Erkenntnisse über die Physik einzelner Sterne, der Milchstraße oder ferner Galaxien. „Das Teleskop wird enorme Datenmengen sammeln mehr Objekte finden als bisher möglich“, sagt Maximilian Fabricius vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching bei München und von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Knud Jahnke, Instrumentenwissenschaftler am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg bestätigt: „Wir werden uns alle an die Fülle der Informationen gewöhnen müssen, die Euclid liefern wird.“

Ein Beispiel ist der Perseus-Galaxienhaufen. Solche Galaxienhaufen gehören zu den größten und massereichsten Strukturen des Universums. Ohne Netzwerke Dunkler Materie wären die hier abgebildeten Galaxien gleichmäßig am Himmel verteilt. „Mit Euclids riesigem Bildfeld und seiner hohen Empfindlichkeit lassen sich die Galaxien im Perseus-Galaxienhaufen bis an ihre äußersten und leuchtschwächsten Regionen vermessen“, sagt Matthias Kluge, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik und an der Ludwig-Maximilians-Universität. Ferner finden sich im selben Bild weitere Galaxien, die nicht mit dem Perseus-Haufen in Verbindung stehen. Je weiter man in das Universum blickt, desto ältere Galaxien finden Astronominnen und Astronomen, da das Licht sich mit endlicher Geschwindigkeit ausbreitet. Das gleiche gilt für Galaxien in unterschiedlichsten Entwicklungsstadien. All diese Informationen werden Forschenden helfen noch mehr darüber erfahren, wie sich das Universum in seiner Frühzeit entwickelte, als Galaxien zu Hauf miteinander kollidierten und verschmolzen.

Etwa 95 Prozent unseres Kosmos scheint aus mysteriösen „dunklen“ Zutaten zu bestehen, die auch Teil an der Entstehung des Perseus-Galaxienhaufens haben. Während die Dunkle Materie die Gravitationswirkung zwischen und innerhalb von Galaxien bestimmt und zunächst für eine Abbremsung der Ausdehnung des Weltalls sorgte, ist die Dunkle Energie für die derzeitige beschleunigte Expansion des Universums verantwortlich.

Allerdings verstehen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bislang wir noch nicht, woraus die Dunkle Materie oder Dunkle Energie bestehen. Bekannt ist, dass diese subtile Veränderungen im Aussehen und in den Bewegungen der Objekte verursachen, die mit Teleskopen tatsächlich sichtbar gemacht werden können.

Um den „dunklen“ Einfluss auf das sichtbare Universum aufzuspüren, wird Euclid in den nächsten sechs Jahren die Formen, Entfernungen und Bewegungen von Milliarden von Galaxien bis zu 10 Milliarden Lichtjahre entfernt beobachten. Hierbei werden die spektralen Informationen des NISP-Infrarotinstruments unter anderem durch optischen Spektren bodengebundener Teleskope ergänzt. So lassen sich Entfernung der von Euclid abgebildeten Galaxien sehr genau bestimmen und die zweidimensionalen Fotos von Euclid in die umfangreichste dreidimensionale Karte des einsehbaren Universums übersetzen, die je erstellt wurde.

MN/TB

Hintergrundinformationen

Euclid ist eine Weltraummission der Europäischen Weltraumagentur (Esa) mit Beiträgen der National Aeronautics and Space Administration (Nasa). Diese Mission ist Teil des „Cosmic Vision“-Programms der Esa .

Die Kameras VIS und NISP wurden von einem Konsortium aus Wissenschaftlern und Ingenieurinnen aus 17 Ländern entwickelt und gebaut, viele aus Europa, aber auch aus den USA, Kanada und Japan. Aus Deutschland beteiligen sich das Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, das Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching, die Ludwig-Maximilians-Universität in München, die Universität Bonn, die Ruhr-Universität Bochum sowie die Deutsche Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Bonn.

Die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR koordiniert die deutschen Esa-Beiträge und stellt aus dem Nationalen Raumfahrtprogramm Fördermittel für die beteiligten deutschen Forschungsinstitute zur Verfügung. Deutschland ist mit rund 21 Prozent der größte Beitragszahler im Esa-Wissenschaftsprogramm.

Weitere interessante Beiträge

Zur Redakteursansicht