Persönliche Erfahrungen führen Finanzexperten oft in die Irre

Ihre Fehleinschätzungen beeinflussen nicht nur Kunden, sondern auch den gesamten Markt

Finanzberater treffen Entscheidungen unabhängig von ihren subjektiven Eindrücken – so denken viele. Allerdings haben Forschende das Gegenteil festgestellt. Ein Team um Zwetelina Iliewa vom Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern hat herausgefunden, dass auch Finanzexperten von ihren Marktbeobachtungen zu Fehlentscheidungen verleitet werden.

Das Forschungsteam entdeckte, dass sich Finanzexpertinnen und -experten auf ihre Erlebnisse über frühere Aktiengewinne verlassen, wenn sie zukünftige Profite einschätzen. Dieses Verhalten zeigt sich unabhängig davon, wie lange die Expertinnen und Experten schon in dem Bereich arbeiten. Gerade die Erfahrungen in den ersten Berufsjahren sind offenbar besonders prägend. So meiden sie beispielsweise risikoreiche Anlagen, wenn sie während einer Krise ihre Karriere begonnen haben. Verpasste Profite sind die Folge.

Dieses typische Vorgehen ist problematisch, denn persönliche Erfahrungen sind selektiv und subjektiv und eignen sich daher nicht als umfassende Informationsquelle, um begründete Entscheidungen zu treffen. Ihre Wahrnehmung wird durch die eigenen Erlebnisse verzerrt. Die Experten betrachten den Finanzmarkt also ständig durch eine Lupe, dabei sollten sie aber ein Fernglas verwenden.

Fehleinschätzungen treffen Kunden und andere Investoren

Für ihre Studie fokussierten sich Iliewa und Kollegen auf Experten, die für den Finanzmarkttest des deutschen Wirtschaftsforschungsinstituts ZEW zurate gezogen werden. Diese Spezialisten arbeiten durchschnittlich seit 21 Jahren in Finanzabteilungen, Banken oder Versicherungen und eine ihrer Hauptaufgaben ist es, Finanzmärkte korrekt einzuschätzen. Für den Finanzmarkreport werden sie monatlich befragt, wie sich der deutsche Aktienindex (DAX) aus ihrer Sicht in den nächsten sechs Monaten entwickeln wird.

Der Einfluss der Expertenmeinungen ist tendenziell vergleichbar mit den Bewertungen von Ratingagenturen. Ihre Einschätzungen wirken sich maßgeblich auf die Gewinne ihrer Kunden und die Entscheidungen von anderen Investoren aus. Breite Veröffentlichungen der Expertenmeinungen können sogar Preisreaktionen an den Finanzmärkten hervorrufen. Es ist also bedenklich, dass diese Experten auf ihre Erfahrungen und nicht auf akkurate, umfassende Informationen zurückgreifen.

Deshalb empfehlen Zwetelina Iliewa und Kollegen, dass Berufsanfänger verschiedene Situationen eines Finanzmarktes durchleben sollen. Ähnlich wie Piloten, die im Flugsimulator trainieren, sollten angehende Finanzberater Finanzmarktsimulationen durchlaufen. Das Forschungsteam argumentiert, dass die Berater auf diese Weise unvoreingenommen Erfahrungen machen und diese dann für zukünftige Entscheidungen nutzen könnten. Das wäre eine Möglichkeit, um den Verzerrungseffekt in Zukunft abzumildern.

AE/MZ

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