Wie gut ist Ihr Wissen über Finanzen?

Eine solide Kenntnis wappnet laut Studien vor finanziellen Engpässen und schlechter Finanzberatung

22. Oktober 2019

Am 30. Oktober ist Weltspartag. Die eigenen Finanzen sind aber nicht nur an diesem Tag wichtig. Investitionen werden immer komplexer. Was gestern das Sparschwein war, ist heute das Aktienportfolio – das erfordert einiges an Finanzwissen. Ein Team am Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik hat sich mit diesem Thema befasst und herausgefunden, dass Kunden von Finanzberatern unterschiedlich behandelt werden. Außerdem variiert das Finanzwissen, das Männer und Frauen besitzen.

Finanzwissen oder Finanzkompetenz (englisch „financial literacy“) beschreibt, wie viel eine Person über seine eigene Finanzlage und über Grundsätze der Finanzwelt weiß. Dieses Wissen kann beispielsweise anhand der sogenannten Big Three gemessen werden. Das sind drei Fragen mit jeweils drei Antwortmöglichkeiten sowie der Option „Das weiß ich nicht“. Die drei Fragen lauten: 1) Angenommen Sie haben 100 Euro auf Ihrem Sparkonto, der Zinssatz liegt bei 2 Prozent pro Jahr und Sie lassen das Geld 5 Jahre auf dem Konto. Wie viel haben Sie danach auf dem Konto? 2) Stellen Sie sich vor, dass der Zinssatz auf Ihrem Sparkonto 1 Prozent pro Jahr und die Inflation 2 Prozent pro Jahr beträgt. Wie viel könnten Sie mit dem Geld ein Jahr später kaufen? 3) Ist diese Aussage richtig oder falsch? "Der Kauf von Aktien einer einzelnen Firma bietet in der Regel eine sicherere Rendite als ein Aktienfonds."

Die Fragen ermitteln, ob eine Person grundlegende finanzielle Konzepte wie zum Beispiel Inflation und Zinsen oder Risikodiversifikation verstehen. Es werden die Anteile betrachtet, wie viele Personen richtig oder falsch geantwortet haben.

Finanzkompetenz ist entscheidender Faktor in der Rentenplanung

Ein Team um Tabea Bucher-Koenen am Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik in München hat das Finanzwissen der Deutschen in mehreren Studien unter die Lupe genommen. Demnach beantworteten gut die Hälfte der Deutschen alle drei Fragen richtig und drei Viertel nannten bei den ersten beiden Fragen die zutreffende Antwort. Allerdings wusste jeder Zehnte für keine der Big Three Fragen die korrekte Lösung und knapp 8 Prozent wählten bei allen Fragen die Option „Das weiß ich nicht“.

Vor dem Hintergrund der aktuellen, deutschen Rentenvorsorgestruktur ist das ein Problem. Seit der Riester-Rentenreform 2001 ist nicht mehr nur der Staat für die Rente verantwortlich. Die Bürgerinnen und Bürger sollen zusätzlich zur gesetzlichen Rente privat vorsorgen. Die Riester-Rente will insbesondere schlechter gestellte Haushalte und Familien mit Kindern zum Sparen motivieren. Sie können Zuschüsse erhalten, die bei über 90 Prozent ihrer eigenen Beiträge liegen können. Doch diese Impulse scheinen nicht zu wirken. Über 80 Prozent der reicheren Haushalte haben private Rücklagen für die Rente, wohingegen das nur bei 30 Prozent der ärmeren Haushalte der Fall ist.

Angesichts dessen weisen Bucher-Koenen und Kollegen darauf hin, dass finanzielle Anreize eventuell nicht ausreichen. Sie betonen, dass das persönliche Finanzwissen ein entscheidender Faktor sei, ob und wie jemand für die Rente plane. Allgemein gilt: Je geringer die Finanzkompetenz, desto weniger wahrscheinlich ist es, dass jemand für die Rente vorsorgt und die Finanzlücke schließt, die die Rentenreformen hinterlassen haben. Diese Personengruppen sind aber vor allem jene, die fürs Alter vorsorgen sollten, um finanzielle Engpässe im Alter zu vermeiden.

Geschlechtsspezifische Unterschiede des Finanzwissens

In ihren Untersuchungen haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zudem festgestellt, dass Frauen häufiger über eine geringe Finanzkompetenz verfügen als Männer. Verglichen mit Männern, ist es weniger wahrscheinlich, dass sie eine der Big Three Fragen richtig beantworten und es ist wahrscheinlicher, dass sie bei einer Frage „Das weiß ich nicht“ angeben. Diese Unterschiede sind nicht nur in Deutschland zu beobachten, sondern beispielsweise auch in den Niederlanden oder den USA.

Financial literacy gender gap nennt sich diese Differenz, die sich durch alle Altersklassen und Bildungsstände zieht. Somit zeichnet sie sich auch unter jüngeren Frauen ab, trotz allgemein höherem Bildungsniveau und einer wachsenden Teilnahme am Arbeitsmarkt. Es gibt unterschiedliche Erklärungen, wie die financial literacy gender gap entsteht. Eine mögliche Ursache ist, dass Aufgaben in einem klassischen Haushalt oft so aufgeteilt werden, dass sich der Mann tendenziell häufiger um die Finanzen kümmert als die Frau.

Finanzielle Situation einer Frau im Alter ist unsicher

Auch wenn die Gründe für diese Wissenslücke noch nicht geklärt sind, steht dennoch fest, dass sie teilweise gravierende Konsequenzen nach sich zieht. Das geringere Finanzwissen vieler Frauen führt dazu, dass sie eher zu unvorteilhaften ökonomischen Entscheidungen tendieren. So versäumen sie beispielsweise, ihr Geld gewinnbringend anzulegen.

Das ist problematisch, denn Frauen verfügen im Durchschnitt über weniger finanzielle Mittel als Männer, weil sie durch die Geburt ihrer Kinder die Erwerbstätigkeit unterbrechen. Somit ist die finanzielle Situation von Frauen am Ende ihres Lebens oft schlechter, als die der Männer.

Dennoch sehen die Forschenden einen Lichtblick: Frauen schätzen ihre Finanzkompetenzen oft richtig ein. Dadurch sind Bildungsprogramme, um die Wissenslücke zu schließen, besonders effektiv.

Signale der Finanzkompetenz beeinflussen die Qualität der Beratung

Diese Probleme von Menschen mit geringer Finanzkompetenz ließen sich eigentlich durch eine kompetente Finanzberatung lösen. Das ist aber in der Realität schwierig. Das Forschungsteam stellte fest, dass Kunden, die weniger Finanzwissen signalisieren, durchschnittlich eine schlechtere Beratung erhalten. Besonders gravierend fällt dieser Effekt für Frauen und Menschen ohne Hochschulbildung aus. Wenn Kunden einen niedrigen Bildungsstand haben oder weiblich sind, interpretieren Finanzberaterinnen und -berater dies oft als einen Hinweis auf eine geringere Finanzkompetenz.

Schätzen sie den Kunden als kompetent ein, erhält er eher eine gute Beratung. Denn der Finanzberater muss damit rechnen, dass der Kunde genug Wissen mitbringt, um seine Beratung zu beurteilen. Außerdem könnte sich der Kunde eine eigene Option überlegen, die dann mit den Ratschlägen des Beraters konkurriert. Eine solche Motivation entfällt für Kunden, die als weniger kompetent einstuft werden. Sie bekommen dann eine schlechtere Beratung.

Tabea Bucher-Koenen, die inzwischen am Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung arbeitet, und Kollegen empfehlen dennoch, dass Menschen mit weniger Finanzwissen eine Beratung in Anspruch nehmen sollten, solange die zu erwartende Qualität über der eigenen Option liegt. Außerdem appellieren sie an die Politik, Maßnahmen durchzusetzen, um die Qualität der Finanzberatung zukünftig zu sichern.

Unterschiedliche Datenerhebungen wurden eingesetzt

Die Forschung basiert auf unterschiedlichen Datensätzen, zum Beispiel der groß angelegten Datenerhebung SAVE (Sparen und Altersvorsorge in Deutschland). Sie skizziert das Sparverhalten privater Haushalte in Deutschland zwischen 2001 und 2013. Von 2007 bis 2009 beinhaltete diese Umfrage auch Fragen zum Finanzwissen.

AE/MZ

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