Im Wechselbad der Stile
Rock oder Schlager? Klassik oder Country? Pop oder Techno? Der Musikgeschmack verrät einiges über Persönlichkeit und Status einer Person. Doch Hörgewohnheiten sind im Wandel. Eingefleischte Rockfans tanzen auf dem Volksfest zu Dieter Thomas Kuhn, Klassikliebhaber legen beim Abspülen Johnny Cash auf, Raver hören zum Chillen Chopin. Das Team um Melanie Wald-Fuhrmann am Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik in Frankfurt sucht nach dem Wesen und den Wurzeln musikalischer Vorlieben und spürt den Veränderungen nach.
Text: Mechthild Zimmermann
Wer hört welche Musik, und worauf gründet sich der Musikgeschmack des Einzelnen? Diese Frage ließ sich jahrzehntelang recht gut pauschal beantworten: Die Elite besucht Klassikkonzerte und musiziert selbst auf klassischen Instrumenten. Die Mittelschicht orientiert sich nach oben, sie bevorzugt dabei leichte Klassik und andere gehobene Unterhaltungsmusik. Die Unterschicht hört Schlager und Volksmusik. Diese Kategorisierung geht vor allem auf den französischen Soziologen Pierre Bourdieu zurück. In seinem einflussreichen Werk Die feinen Unterschiede von 1979 legt er dar, dass Geschmack nichts Individuelles ist, sondern von der Gesellschaft geprägt wird, besonders von der Sozialisation in der Familie. Basis dieser Analyse waren umfassende Studien in den 1960er- und 1970er-Jahren.
Immer noch verbinden wir ganz bestimmte Stereotype mit dem musikalischen Geschmack einer Person. Die Musikwissenschaftlerin Melanie Wald-Fuhrmann nutzt diesen Effekt, wenn sie in der Öffentlichkeit über ihre Forschung referiert: „Wenn ich Ihnen bekennen würde, dass ich am liebsten Helene Fischer und die Wildecker Herzbuben höre, würden Sie sich ein Bild von mir machen – und in diesem Fall wohl kein ganz positives.“ Gelächter im Publikum – solche Hörgewohnheiten traut wohl keiner ernsthaft der Max-Planck-Direktorin zu. Schlager und volkstümliche Musik verbinden die meisten auch heute noch mit niedrigem Bildungsniveau und unteren sozialen Milieus, Klassikhörer hingegen schätzt man als intelligent und gebildet ein.
Neben dem soziologischen gibt es auch einen psychologischen Erklärungsansatz. Die Idee ist, musikalische Vorlieben mit Persönlichkeitsmerkmalen in Zusammenhang zu bringen, erläutert Paul Elvers, Doktorand und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik: „Es gibt beispielsweise Studien, die versucht haben, einen Zusammenhang zu finden zwischen sensation seeking, also Sensationslust, und der Vorliebe für Rockmusik. Wohingegen Klassik- und Jazzhörer eher mit Beschäftigungen in Verbindung gebracht werden, die ruhig oder kontemplativ sind. Die Ergebnisse sind gemischt, es gibt Studien, die zeigen Zusammenhänge, es gibt Studien, die finden eher keine.“
Recht klar belegt ist dagegen, dass der Musikgeschmack, der sich in der Kindheit und Jugend herausgebildet hat, für die meisten Menschen zeitlebens prägend bleibt. Melanie Wald-Fuhrmann vergleicht die musikalische Sozialisation mit dem Spracherwerb: „Das ist wie eine musikalische Muttersprache. Die meisten bleiben dem Musikgeschmack ihrer Kinder- und Jugendjahre treu, weil es einfach viel Spaß macht, sich mit etwas zu beschäftigen, das man gut kennt und in seinen Erfahrungshorizont einbetten kann.“ Allerdings ist zu beobachten, dass sich das Hörverhalten mit dem sozialen Aufstieg ändern kann. So erklärt Wald-Fuhrmann, warum manch einer erst im gesetzten Alter zur Klassik kommt: „Insofern gibt es die 55-jährigen CEOs, die aufs Rheingau Musik Festival gehen und sich ein Oratorium von Händel anhören, obwohl ihre musikalische Sozialisation eine ganz andere ist.“
In der Abteilung Musik am Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik bilden solche Erkenntnisse die Basis für Forschungsvorhaben, die tiefer in die Ursachen der Geschmacksbildung vordringen und zugleich die Varianz der Geschmäcker genauer analysieren wollen. Damit suchen Melanie Wald-Fuhrmann und ihre Mitarbeiter einerseits neue Antworten auf eine sehr alte Frage, die schon seit Platon und Aristoteles die Menschheit beschäftigt – nämlich die Grundfrage der Ästhetik: was Menschen schön finden und warum. Andererseits arbeiten sie damit an einem sehr aktuellen Thema. Denn in den Hörgewohnheiten bildet sich auch der fundamentale Wandel ab, den unsere Gesellschaft seit gut zwei Jahrzehnten durchläuft und der in der Soziologie als zweite Moderne beschrieben wird. Kennzeichen dafür sind die Globalisierung in der Wirtschaft und der Kultur, der Bedeutungsverlust von Traditionen und sozialen Prägungen, an deren Stelle eine zunehmende Vielfalt an Lebensstilen und Wertvorstellungen tritt, sowie ständig wachsende Angebote an Waren und Dienstleistungen, Bildung und Kultur, auch getrieben durch das Internet. Daraus resultiert wiederum das Phänomen der Individualisierung, das heißt, jeder Einzelne kann, ja muss sogar in der pluralisierten Gesellschaft seinen Lebenslauf und Lebensstil selbst gestalten.
Expertenhörer als musikalische Allesfresser
Der Wandel des Musikgeschmacks ist allerdings noch wenig erforscht, die Datenlage ist dünn, bedauert Wald-Fuhrmann. „Es gibt erste Untersuchungen seit den 1990er-Jahren ausgehend von den USA, dass sich die hierarchische Zuordnung von Musikstilen zu Schichten auflöst. Das scheint aber vor allem für die gesellschaftliche Elite zu gelten, die zunehmend auch Musikstile in ihren Geschmack aufnimmt, die eigentlich mit der Mittel- oder Unterschicht konnotiert werden oder wurden. Für dieses Phänomen gibt es den englischen Begriff des omnivore, also des Allesfressers, der viele Musikstile – auch sehr unterschiedliche – in seinen Geschmack integriert.“ Allerdings gibt es bisher kaum Forschungsarbeiten, die den Wandel des Musikgeschmacks für Europa und speziell für Deutschland dokumentieren.
Umso wertvoller ist eine aktuelle Studie, die Paul Elvers gemeinsam mit zwei Institutskollegen und einem Musikwissenschaftler von der Universität Wien publiziert hat. Für den Artikel, der jüngst in der Zeitschrift Frontiers in Psychology erschienen ist, werteten die Forscher den Musikgeschmack sogenannter Expertenhörer und durchschnittlicher Hörer aus. Expertenhörer, also Personen, die sich professionell mit Musik beschäftigen, sind für die Erforschung des Musikgeschmacks von besonderem Interesse – auch für die Frage, ob weniger ihre soziale Herkunft als vielmehr ihr musikalisches Wissen und ihre Ausbildung dazu führen, dass sie ein bestimmtes musikalisches Repertoire bevorzugen.
Mittels Onlineumfrage erhob Paul Elvers Daten von rund 1000 Studierenden, ein Viertel davon Musikwissenschaftsstudenten im Haupt- oder Nebenfach. Unter anderem sollten die Teilnehmer angeben, wie oft sie Stücke verschiedener Musikstile hören. Die Häufigkeit reichte in fünf Stufen von „nie“ bis „täglich“. Zur Auswahl standen 22 Musikrichtungen von Rock, Pop und Klassik über Punk, Heavy Metal und Emo/Screamo bis zu Gospel, Reggae und Weltmusik. Zudem wurden der soziale Status, der musikalische Background sowie Persönlichkeitsmerkmale abgefragt.
In der Auswertung konnte Elvers zunächst über eine Faktorenanalyse die Vielzahl der Stile in fünf Kategorien zusammenfassen: Klassik, Jazz, House, Folk und Rock. Dabei untersuchte er nicht einfach, wie häufig diese Kategorien von den Experten und den Nicht-Experten gehört werden. Stattdessen bildete er aus den Ergebnissen – unabhängig davon, von welcher der beiden Gruppen sie stammten – drei hinreichend homogene Cluster: engagierte Hörer, konventionelle Hörer und Rockhörer.
Wie die Benennung nahelegt, zeichnen sich Rockhörer dadurch aus, dass sie weit überdurchschnittlich oft Musik aus den Kategorien Rock und Folk hören, dagegen kaum andere Musik, besonders wenig Klassik und Jazz. Konventionelle Hörer geben insgesamt an, nur mäßig oft Musik zu hören, am ehesten Klassik, House und Pop. Engagierte Hörer konsumieren dagegen deutlich öfter Musik als die anderen, mit einer klaren Präferenz für Klassik und Jazz, sie hören aber ebenfalls häufig Folk und Rock. Damit entsprechen die engagierten Hörer recht exakt dem Phänomen der omnivores: Sie vereinen – mit einem Schwerpunkt auf anspruchsvollen Stilen – nicht nur viele verschiedene Stile in ihrem Musikgeschmack, sondern hören insgesamt häufig und intensiv Musik.
Rockfans grenzen sich ab
Die zentrale Frage für Paul Elvers lautete nun: Wie sind diese Gruppen bei den Expertenhörern und in der Kontrollgruppe vertreten? Die Musikwissenschaftsstudenten konnte er zur Hälfte den engagierten Hörern zuordnen. Er fand aber auch 36 Prozent konventionelle Hörer und 13 Prozent Rockhörer. In der Kontrollgruppe bildete sich dagegen eine klassische Normalverteilung ab: ein Viertel engagierte Hörer, rund die Hälfte konventionelle und ein weiteres Viertel Rockhörer. Dass nicht noch mehr Musikwissenschaftsstudenten bevorzugt Klassik hören, erklären Paul Elvers und Melanie Wald-Fuhrmann mit einem Wandel, den das Fach in den vergangenen Jahren durchlaufen hat. Gerade an der Humboldt-Universität zu Berlin, wo der Großteil der Befragten rekrutiert wurde, sind Pop- und Rockmusik in den Musikwissenschaften fest verankert. Im Wesentlichen entsprachen die Ergebnisse den Erwartungen.
Weit aufschlussreicher sind für die Forscher andere Aspekte der Studie: etwa die Tatsache, dass Rockhörer einen eigenen Cluster bilden und Klassikliebhaber die größte Offenheit zeigen. „Das ist der auffälligste Unterschied zu früheren Studien, dass wir diese Tendenz zum ‚Allesfresser‘ entdeckt haben“, sagt Paul Elvers. „Dass Leute, die Musikwissenschaft studieren, eine Präferenz für klassische Musik haben, hat man vorher schon festgestellt. Aber dass es jetzt auch eine Tendenz gibt, sich in anderen Stilen zu engagieren – das ist eine echte Neuerung.“
Auffällig ist zudem, dass sich in der Untersuchung kein signifikanter Zusammenhang von sozialem Status und Musikgeschmack nachweisen ließ. Von den befragten Studenten stammten etwa ein Drittel aus der Unter- und unteren Mittelschicht, gut die Hälfte aus der Mittelschicht und zehn Prozent aus der oberen Mittelschicht. Damit war ein breiter Bevölkerungsquerschnitt in der Untersuchung vertreten: „Die Befragten waren ja gerade junge Leute“, hebt Melanie Wald-Fuhrmann hervor. „Daher könnten ihre Angaben durchaus einen Trend markieren. Und das wäre eine wirklich interessante Entwicklung, wenn der Musikgeschmack die soziale Identifikation verliert.“ Elvers und Wald-Fuhrmann sind sich bewusst, dass die Studie ihre Grenzen hat: Studierende repräsentieren schon wegen ihres Alters nicht den Durchschnitt der Gesamtbevölkerung. Es könnte außerdem sein, dass sich diejenigen, die aus niedrigeren sozialen Milieus stammen, in ihrem Hörverhalten bereits nach oben orientieren.
Rund um die Uhr die passende Musik
Außerdem gibt es Unterschiede zwischen dem, was in Umfragen angegeben wird, und dem tatsächlichen Hörverhalten. Heute sind die verschiedensten Arten von Musik viel leichter verfügbar als jemals zuvor. Jeder hat überall und rund um die Uhr die Möglichkeit, per Handy die passende Musik auszusuchen. Dadurch können der Musikgeschmack und das Hörverhalten durchaus divergieren, meint Wald-Fuhrmann: „Wir entscheiden uns je nach Stimmung und Tätigkeit für ganz unterschiedliche Stücke. Es gibt zum Beispiel Situationen, da finden wir Schlager passend und lustig, aber das würden wir niemals in einem Musikgeschmack-Fragebogen ankreuzen.“
Mit der „Experience Sampling Method“, die das tägliche Verhalten dokumentiert, versuchen die Forscher in einer weiteren Untersuchung dem realen Hörverhalten auf die Spur zu kommen. Zunächst wird per Fragebogen der Musikgeschmack ermittelt. Dann laden sich die Studienteilnehmer eine App aufs Handy, die aufzeichnet, welches Stück sie zu welcher Zeit hören. Zusätzlich werden sie immer wieder spontan angefragt, in welcher Situation sie sich befinden: zu Hause oder unterwegs, beim Joggen oder in der U-Bahn, mit Freunden im Park oder in der heimischen Küche beim Abspülen. Mit den gewonnenen Daten können die Forscher Vergleiche ziehen zwischen dem Musikgeschmack und situationsbezogenem Verhalten.
Aber auch beim Musikgeschmack selbst sind noch viele Fragen offen. Hier arbeiten die Wissenschaftler ebenfalls mit neuen Studien daran, die Ergebnisse auf eine breitere Basis zu stellen. „Wir möchten Musikgeschmack mehrdimensionaler verstehen“, beschreibt Wald-Fuhrmann die Ziele. „Dafür müssen wir nicht nur nach den Inhalten fragen, sondern nach der Breite des Musikgeschmacks und der Intensität der Auseinandersetzung. Wir wollen die Abhängigkeit von der Sozialisation und den Peers verstehen, die Art und Weise, wie die Leute sich informieren und zu neuer Musik kommen. Und dann ist es zum Beispiel auch spannend zu schauen, was andere in der Familie hören.“
Eine entsprechende Befragung, die solche Kriterien einbezieht, ist auf der Homepage des Max-Planck-Instituts für empirische Ästhetik seit Kurzem online geschaltet. Jeder, der sich für Musik interessiert, ist eingeladen mitzumachen. Um Teilnehmer zu gewinnen, nutzt das Team um Melanie Wald-Fuhrmann die verschiedensten Kanäle: Anzeigen in klassischen Musikzeitschriften ebenso wie soziale Medien oder Gruppen, die bei Musikstreaming-Diensten und Onlineportalen organisiert sind. Wichtig ist den Geschmacksforschern auch, nicht nur ein grobes Raster an Stilen abzufragen, sondern genauer zu differenzieren. Denn darin sieht Wald-Fuhrmann einen weiteren Trend: „Die einzelnen Stile – egal, ob Klassik oder Metal – teilen sich in zahllose Unterstile. Es gibt teilweise sehr überzeugte Fangruppen eines Unterstils, die sich wiederum mit einem anderen Unterstil gar nicht identifizieren. Für einen Außenstehenden ist das oft nicht nachvollziehbar, aber für den Einzelnen ist das essenziell. Zum Beispiel im Bereich Klassik: Da ist der Typus Mensch, der sich für Neue Musik interessiert, schon ein sehr anderer als derjenige, der Haydn und Beethoven favorisiert, von der Alten Musik ganz zu schweigen.“
Vorschläge für die musikalische Bildung
Welche Faktoren sind dafür verantwortlich, dass sich die Geschmäcker innerhalb eines Stils so ausdifferenzieren? Und wie kommt es dazu, dass sich ein Teil der Menschen von der musikalischen Prägung des Elternhauses abwendet und einen ganz anderen Musikgeschmack entwickelt? Hier könnte der psychologische Ansatz zum Tragen kommen, das heißt, Persönlichkeitsmerkmale könnten eine Rolle spielen.
Paul Elvers hat in seiner Studie auch diesen Zusammenhang untersucht. Die Teilnehmer charakterisierten sich selbst anhand der sogenannten Big Five – ein etabliertes Modell der Persönlichkeitspsychologie. Dabei werden Eigenschaften in fünf Faktoren jeweils zwischen die jeweiligen Pole eingestuft: selbstsicher oder verletzlich, zurückhaltend oder gesellig, vorsichtig oder neugierig, nachlässig oder gewissenhaft, misstrauisch oder kooperativ. Im Ergebnis konnte Elvers jedoch nur sehr schwache Zusammenhänge zwischen Persönlichkeit und Musikgeschmack feststellen. Melanie Wald-Fuhrmann hat einen anderen Erklärungsansatz entwickelt. Danach könnten musikalische Schlüsselerlebnisse für die Ausprägung des Geschmacks eine zentrale Rolle spielen. Dazu sammelt die Wissenschaftlerin nun ebenfalls Daten. „Wir versuchen, erst einmal plausibel zu machen, dass es Sinn hat, in die Musikgeschmack-Forschung das Konstrukt der Schlüsselerlebnisse einzuführen. Dazu unterfüttern wir es mit autobiografischen Geschichten.“
Geschichten, wie auch Paul Elvers eine von sich erzählen kann: „Meine Eltern gehören nicht zur akademischen Elite und haben mir nicht jeden Morgen klassische Musik vorgespielt. Mein Vater war zum Beispiel großer Pink-Floyd-Fan, er hat auch selbst gespielt. Damit habe ich früh Erfahrung gemacht. Als Jugendlicher habe ich dann die Liebe zur klassischen Musik entdeckt. Ein Erlebnis ist mir in Erinnerung, das mich besonders geprägt hat: Als ich anfing, Klavier zu lernen, durfte ich irgendwann Bachs zweistimmige Inventionen spielen. Und auf einmal habe ich diese Musik verstanden, ich habe die Stimmen verstanden, und alles hat zusammengepasst. Das war ein toller Moment. Ich habe für zwei oder drei Stunden immer wieder dieselbe Invention gespielt und war völlig begeistert. Seitdem gehört Bachs Musik zu meinem Repertoire und hat mir auch den Zugang zu dieser Welt ermöglicht.“
Nach allem, was Wald-Fuhrmann bisher herausgefunden hat, löst das eigene Musizieren oft solche Schlüsselerlebnisse aus, ebenso Musik, die man live im Konzert erlebt. Eine wichtige Rolle spielen auch Menschen im engeren Umfeld, die den Jugendlichen bisher unbekannte Musikstile näherbringen – etwa Freunde oder Lehrer, Verwandte oder Trainer. „Wenn man unbedingt wollte“, sagt die Musikwissenschaftlerin, „könnte man daraus Vorschläge für die musikalische Bildung ziehen: Gebt den Leuten Live-Erlebnisse, lasst sie Musikinstrumente spielen – das müssen ja nicht nur klassische sein –, bringt sie in Kontakt mit möglichst viel Musik, damit eine innere Response angeregt wird! Dann wird jeder sein Schlüsselerlebnis haben. Und das hätte dann vielleicht zur Folge, dass man sich nicht mit dem sozialisierten Musikgeschmack zufriedengeben müsste, der vielleicht nur so ein mittleres Mögen zur Folge hat, sondern wirklich die Musik finden könnte, die die große Liebe ist.“
Studien am MPI für empirische Ästhetik
AUF DEN PUNKT GEBRACHT
Traditionell gilt Musikgeschmack als schichtabhängig: Die Elite hört Klassik, die Mittelschicht gehobene Unterhaltungsmusik, die Unterschicht Schlager und Volksmusik.
Diese Kategorisierung scheint sich zunehmend aufzulösen. Vor allem Menschen, die sich intensiv mit Musik auseinandersetzen, entwickeln einen breiteren Geschmack.
Gleichzeitig lässt sich bei vielen Menschen eine starke Fixierung auf Unterstile beobachten, beispielsweise bei Klassikliebhabern auf die Alte Musik.
Die Forschung sucht nach Faktoren, die unabhängig von der sozialen Zugehörigkeit für die Geschmacksbildung eine Rolle spielen: etwa Persönlichkeitsmerkmale oder Schlüsselerlebnisse.