Tonsprachen brauchen es feucht

Sprachen mit vielfältigen Tonhöhen entwickelten sich vor allem in Regionen mit hoher Luftfeuchtigkeit

20. Januar 2015

Das Wetter schlägt nicht nur auf unsere Stimmung, sondern auch auf unsere Stimme. Ein internationales Forscherteam, darunter Wissenschaftler der Max-Planck-Institute für Psycholinguistik, evolutionäre Anthropologie und Mathematik in den Naturwissenschaften, hat den Einfluss der Luftfeuchtigkeit auf die Evolution von Sprachen untersucht. Ihre Analyse hat ergeben, dass Sprachen mit vielfältigen Tonhöhen eher in Gebieten mit hoher Luftfeuchtigkeit vorkommen. Sprachen mit einfacheren Betonungen gibt es dagegen vor allem in trockenen Gebieten. Grund dafür ist, dass die Stimmlippen eine feuchte Umgebung brauchen, um den richtigen Ton zu treffen.

Die Tonhöhe ist in allen Sprachen ein wichtiger Teil der Kommunikation – in manchen mehr, in anderen weniger. Deutsch oder Englisch beispielsweise bleibt immer noch verständlich, selbst wenn ein Roboter alle Wörter gleich betont. Im chinesischen Mandarin dagegen kann die Betonung den Sinn eines Wortes komplett verändern. „Ma“ mit einer gleichmäßigen Betonung bedeutet „Mutter“, „ma“ mit einer zunächst sinkenden und dann steigenden Betonung heißt „Pferd“. „Nur wer die Tonhöhe korrekt trifft, kann sich in einer solchen sogenannten Tonsprache ausdrücken“, erklärt Seán G. Roberts, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Psycholinguistik in Nijmegen.

Das Klima kann aber für die Sprecher einer Tonsprache zum Problem werden, denn die Stimmlippen im Kehlkopf – umgangssprachlich auch Stimmbänder genannt – leiden darunter. Schon die vorübergehende Erhöhung der Luftfeuchtigkeit wirkt sich auf die Stimmlippen aus: Die Feuchtigkeit hält die Schleimhäute feucht und macht diese elastischer. Zudem verändert sie den Ionenhaushalt innerhalb der Stimmlippenschleimhäute. Bei guter Befeuchtung können die Stimmlippen dadurch ausreichend schwingen und den richtigen Ton treffen.

Die Forscher vermuteten deshalb, dass sich Tonsprachen seltener in trockenen Regionen entwickeln, da variantenreiche Tonhöhen unter diesen Bedingungen schwerer zu produzieren sind und leichter zu Missverständnissen führen. “Moderne Datenbanken ermöglichen es uns, die Eigenschaften von tausenden von Sprachen zu analysieren. Sie bringen aber auch Probleme mit sich, denn eine Sprache kann ihre komplexen Betonungen auch einfach von einer anderen Sprache geerbt haben“, sagt Damián E. Blasi, der an den Max-Planck-Instituten für Mathematik in den Naturwissenschaften und für evolutionäre Anthropologie in Leipzig forscht. In ihrer Studie belegen die Wissenschaftler nun, dass sie diesen Effekt von der Rolle des Klimas trennen können.

Die Forscher haben den Zusammenhang zwischen Feuchtigkeit und der Bedeutung der Tonhöhe an über 3750 Sprachen aus unterschiedlichen Sprachfamilien untersucht. Demnach kommen Tonsprachen in trockenen Gebieten tatsächlich deutlich seltener vor. So sind im vergleichsweise trockenen Mitteleuropa keine Tonsprachen wie in den Tropen und Subtropen Asiens und Zentralafrikas entstanden.

Das Klima formt also offenbar die Rolle der Betonung in einer Sprache und damit die Art und Weise, wie Informationen ausgetauscht werden. Selbst kleine Effekte können sich im Laufe der Generationen so verstärken, dass ein globales Muster entsteht. So bestimmt das Klima die Entwicklung von Sprachen. „Wenn in Deutschland ein feuchter Regenwald wachsen würde, hätte sich Deutsch vielleicht auch zur Tonsprache entwickelt“, sagt Roberts.

LG-HR

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