Ein Hauch von Gold und Silber

Erstmals lassen sich kristalline Schichten der Edelmetalle erzeugen, die nur aus einer Atomlage bestehen und halbleitend sind

Metalle zeichnen sich üblicherweise durch eine gute elektrische Leitfähigkeit aus. Das gilt insbesondere für Gold und Silber. Doch jetzt fanden Forscher vom Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart, gemeinsam mit Partnern in Pisa und Lund, dass einige Edelmetalle diese Eigenschaft einbüßen, wenn sie nur dünn genug sind. Das Extrem einer nur ein Atom dicken Schicht verhält sich demnach wie ein Halbleiter. Damit zeigt sich einmal mehr, dass sich Elektronen in der zweidimensionalen Schicht eines Materials anders verhalten als in dreidimensionalen Strukturen. Aus den neuen Eigenschaften könnten sich Anwendungsmöglichkeiten etwa in der Mikroelektronik und Sensorik ergeben.

Man könnte meinen, dass Blattgold mit seinen gerade mal 0,1 Mikrometern Dicke eigentlich schon ganz schön dünn ist. Weit gefehlt. Denn es geht noch einige Hundert Mal dünner. So ist es Forschern um Ulrich Starke und seinen ehemaligen Doktoranden Stiven Forti gelungen, eine Goldschicht zu erzeugen, die gerade mal aus einer einzigen Atomlage besteht. Zweidimensionales Gold sozusagen.

Starke leitet am Stuttgarter Max-Planck-Institut für Festkörperforschung den Bereich Grenzflächenanalytik. Sein Team beschäftigt sich schon länger mit dem Grenzgebiet zwischen dreidimensionalen, also voluminösen, und zweidimensionalen, ergo flächigen Materialien. Festkörperforscher interessieren sich für diesen Übergang, weil mit ihm auch Veränderungen bestimmter Materialeigenschaften einhergehen. Am zweidimensionalen Kohlenstoff, Graphen, ist dies bereits eindrucksvoll gezeigt geworden. Unter anderem sind dessen Elektronen deutlich mobiler und lassen die elektrische Leitfähigkeit gegenüber der des dreidimensionalen Verwandten Graphit auf das 30fache steigen.

Goldatome werden zwischen Graphen und Siliciumcarbid geschoben

Materialschichten herzustellen, die gerade mal ein Atom dick sind, ist aber bei vielen Metallen gar nicht einfach. „Bei klassischen Abscheidemethoden würden sich etwa Gold-Atome sofort zu dreidimensionalen Clustern zusammenballen“, erklärt Ulrich Starke. Sein Team arbeitet daher mit einer anderen Methode, bei der es vor gut einem Jahrzehnt selbst Pionierarbeit geleistet hat – dem Interkalieren. Wörtlich heißt das etwa Dazwischenschieben, und genauso funktioniert es auch: Die Forscher gehen von einem Siliciumcarbid-Wafer aus. Mit einem selbst entwickelten Verfahren wandeln sie dessen Oberfläche zunächst in eine einatomige Lage Graphen um. „Wenn wir diese Siliciumcarbid-Graphen-Anordnung dann in einem Hochvakuum mit sublimiertem Gold bedampfen, lagern sich die Goldatome gerade zwischen das Carbid und das Graphen“, erklärt Stiven Forti. Der ehemalige Max-Planck-Doktorand forscht inzwischen am Center for Nanotechnology Innovation in Pisa. Wie die dicken Gold-Atome in den Zwischenraum gelangen, ist noch nicht endgültig verstanden. Nur so viel ist klar: Höhere Temperaturen begünstigen den Vorgang.

Die Interkalationstechnik hatte das Team auch auf andere Elemente angewandt, darunter Germanium, Kupfer und Gadolinium. Dabei habe man aber vor allem den Einfluss auf die Eigenschaften des Graphen im Blick gehabt, so Forti. Bei Gold allerdings fand man zum ersten Mal, dass sich die interkalierten Atome in einer regelmäßigen, periodisch wiederkehrenden zweidimensionalen Struktur entlang der Siliciumcarbid-Oberfläche anordneten – also kristallin. „Wenn man die Interkalation bei 600 Grad Celsius durchführt, verhindert die Graphen-Lage, dass sich die Gold-Atome zu Tropfen zusammenballen“, so Forti zur Funktion der Kohlenstoff-Deckschicht in dem Sandwich-Aufbau.

Eine Goldschicht aus zwei Atomlagen leitet bereits metallisch

Die gelungene Herstellung einer nur ein Atom dünnen Goldschicht war aber nur der erste Schritt. Denn nun wurde es erst interessant für die Forscher, die solche extrem dünnen Materialien gerade im Hinblick auf ihre möglicherweise besonderen Eigenschaften erschaffen. Und in der Tat zeigte sich zum Beispiel, dass die so dünne Lage Gold ihre eigenen elektronischen Eigenschaften entwickelt – und Halbleiter-Eigenschaften aufweist. Zum Vergleich: Die elektrische Leitfähigkeit von volumigem, also dreidimensionalem Gold reicht fast an die von Kupfer heran. Der Halbleiter-Befund war auch insofern eine gewisse Überraschung, als theoretische Betrachtungen für reines 2-D-Gold einen metallischen Charakter prognostizieren. „Offenbar spielen hier also noch Wechselwirkungen der Gold-Atome mit dem Siliciumcarbid oder dem Graphen-Kohlenstoff hinein, wodurch die Energieniveaus der Elektronen beeinflusst werden“, vermutet Starke.

Halbleiter sind essenzielle Materialien unter anderem in der Mikroelektronik. So basieren etwa elektronische Schaltelemente wie Dioden oder Transistoren darauf. Daher kann sich das Team um Ulrich Starke nun auch einige für Halbleiter typische Einsatzgebiete für das neue 2-D-Material vorstellen. Hochinteressant sei dabei der Umstand, dass bereits eine zweite Lage Gold-Atome wieder für den metallischen Charakter – und damit für elektrische Leitfähigkeit – sorgt. „Ob sich eine oder zwei Lagen Gold bilden, können wir sehr gut über die Menge an sublimiertem Gold steuern“, erklärt Forti.

Denkbar seien daher zum Beispiel Bauteile mit abwechselnd ein- oder zweiatomigen Gold-Lagen. Hierzu müsse man die neue Herstellmethode lediglich mit gängigen lithographischen Verfahren der Chipfertigung geeignet kombinieren. Dann ließen sich beispielsweise Dioden herstellen, die deutlich kleiner wären als herkömmliche. Die unterschiedlichen elektronischen Zustände von ein- und zweilagigem Gold ließen sich darüber hinaus auch für die Verwendung in optischen Sensoren nutzen, so Starke.

Elektronische Effekte auch in der Graphen-Schicht

Eine weitere Anwendungsidee ergibt sich aus den beobachteten Effekten, für die das Gold in der benachbarten Graphen-Schicht sorgt – und die ganz offenbar von der Gold-Dicke abhängen. „Eine ein Atom dicke Gold-Schicht bewirkt im Graphen eine n-Dotierung, das heißt, wir bekommen Elektronen als Ladungsträger“, sagt Forti. Dort, wo das Gold zwei Atomlagen dick ist, passiere genau das Gegenteil, nämlich eine p-Dotierung, es entstehen als Ladungsträger also sogenannte Löcher, positiv geladene Lücken, die fehlende Elektronen hinterlassen. Zusätzlich verstärkt das Gold die Wechselwirkung sogenannter Plasmonen – das sind vereinfacht gesprochen Schwankungen in der Ladungsträgerdichte – mit elektromagnetischer Strahlung. „Daher ließe sich eine strukturierte, abwechselnde Anordnung von n- und p-Dotierungen im Graphen zum Beispiel als sehr empfindliches und zugleich hochauflösendes Detektor-Array für Terahertz-Strahlung nutzen, wie sie etwa in der Materialprüfung, bei Sicherheitskontrollen an Flughäfen oder zur drahtlosen Datenübertragung eingesetzt wird“, sagt Ulrich Starke.

Unterdessen ist dem Team um Starke schon der nächste Schritt bei der Herstellung zweidimensionaler Edelmetallschichten gelungen. Denn auch bei einem Interkalationsversuch mit Silber bildete sich zwischen Siliciumcarbid und Graphen eine streng kristalline zweidimensionale Silber-Schicht aus. Und: Auch dieses Metall, das üblicherweise ein noch besserer elektrischer Leiter als Gold ist, wird beim Schrumpfen auf die Zweidimensionalität zu einem Halbleiter. Dabei deuten erste Versuchsergebnisse an, dass der Energieaufwand, der nötig wäre, um die Silber-Schicht doch elektrisch leitend zu machen, vermutlich höher ist als beim 2-D-Gold. „Die Halbleitereigenschaften eines daraus gefertigten Bauteils sind also möglicherweise thermisch stabiler als bei Gold“, so Ulrich Starke zu möglichen praktischen Konsequenzen.

KH

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