Earth Day 2019: „Man sieht an vielen Orten Effekte des Klimawandels“

18. April 2019
Der Klimawandel verändert viele Ökosysteme. So könnten etwa die arktischen Permafrostböden teilweise auftauen. Solche Umwälzungen wirken sich wiederum darauf aus, welche Mengen an Treibhausgasen in diesen Gebieten freigesetzt beziehungsweise gebunden werden. Wir fragten Mathias Göckede, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena, welche Folgen die Erderwärmung für die Permafrostböden hat.

Herr Göckede, was passiert denn, wenn die arktischen Permafrost-Landschaften auftauen?

Im Permafrost sind enorme Mengen Kohlenstoff gespeichert, die dem aktiven Kohlenstoffkreislauf entzogen sind, weil sie tiefgefroren und somit weggeschlossen sind. Sollte dieser Eistresor auftauen, würde der Kohlenstoff im Boden teilweise aktiviert und könnte dann in die Luft oder ins Wasser freigesetzt werden.

Wie relevant wäre das für den Klimawandel?

Das kommt auf die verschiedenen Szenarien des Klimawandels an. Selbst wenn wir weitermachen mit den jetzigen CO2-Emissionen, würde laut aktueller Berechnungen bis 2100 maximal nur etwa ein Achtel des Kohlenstoffvorrats im Permafrost freigesetzt. Selbst diese Menge würde den Klimawandel schon spürbar verstärken. Aber es gibt auch Studien, die den Anteil der Arktis am Klimawandel als gering einschätzen.

Wann beziehungsweise unter welchen Bedingungen wird dabei ein Kipppunkt erreicht?

Das kann niemand sagen, ob in 20 oder 200 Jahren oder nie.

Aber was würde dann passieren?

Das wäre ein Punkt, von dem an das Ökosystem nicht mehr zum jetzigen Zustand zurückkehren könnte und wir somit nicht mehr kontrollieren könnten, was weiterhin passieren wird. Die Freisetzung von Permafrost-Kohlenstoff würde den Treibhauseffekt und Klimawandel verstärken, was den Auftauprozess in der Arktis weiter beschleunigen und noch mehr Kohlenstoff freisetzen würde. Diese Gefahr einer solchen klassischen positiven Rückkopplung ist durchaus gegeben.

Wie weit hat sich der Permafrost bereits verändert?

Man sieht an vielen Orten schon Effekte des Klimawandels. In Nordsibirien zum Beispiel, wo wir arbeiten, kann man die Bildung sogenannter Thermokarstseen nachweisen. Auch die Baumgrenze hat sich schon nach Norden verschoben.

Welche anderen ökologischen Folgen hat der Verlust der Permafrostböden etwa für den Wasserhaushalt?

Zur Zeit haben wir je nach Standort eine Auftautiefe von einigen Dezimetern bis wenigen Metern. Regenwasser kann nicht tiefer in den Boden eindringen und staut sich somit an der Oberfläche. Wenn sich durch die Erwärmung die Auftautiefe steigerte, würde das Wasser der großflächigen Feuchtgebiete in dieser Landschaft viel besser versickern. Auch die Bildung der Thermokarstseen könnte weite Teile der umliegenden Gebiete trockenlegen. So würde das Erscheinungsbild mancher arktischen Regionen umgekrempelt, und die charakteristischen Feuchtgebiete könnten deutlich schrumpfen.

Könnte man den Klimawandel durch Auftauen des Permafrosts bremsen durch Maßnahmen vor Ort?

Schwierig! Mögliche menschliche Eingriffe, wie zum Beispiel die Manipulation von Wasserhaushalt oder Vegetation, könnten in den sensiblen arktischen Ökosystemen leicht zu unerwarteten Nebenwirkungen führen. Einige russische Kollegen propagieren die Transformation in eine arktische Steppenlandschaft durch Ansiedlung großer Herden grasfressender Tiere. Dass dies die Stabilität der Permafrostböden verbessern kann, konnte auf kleiner Skala schon demonstriert werden. Ob das aber eine großflächige, klimarelevante Lösung sein kann, sei mal dahingestellt.

Das Gespräch führte Klaus Wilhelm

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