Rückkehr oder Neuanfang?

10. Dezember 2018

Somalische Flüchtlinge ziehen nicht nur von Afrika nach Europa, es gibt auch eine Gegenbewegung. Ein Projekt am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung in Halle fragt nach den Beweggründen und untersucht die Folgen.

Seit dem Zusammenbruch des somalischen Staates Anfang der 1990er-Jahre sind Hunderttausende Menschen vor den militärischen Konflikten zwischen Warlords, Clans und diversen Milizen geflohen. Die meisten von ihnen gingen zunächst in die Nachbarländer, zum Beispiel nach Kenia. Wem es möglich war, der zog weiter nach Europa, Nordamerika oder auch in arabische Länder.

Seit einiger Zeit gibt es einen gegenläufigen Trend, wie Tabea Scharrer vom Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung in Halle beobachtet: Somalier gehen aus Europa wieder nach Ostafrika, und damit auch nach Kenia. Besonders in den kenianischen Städten leben viele Somalis: Teils sind sie kenianische Bürger, teils geflüchtete Somalier, von denen viele mittlerweile seit Jahrzehnten in Kenia leben. Dazu kommen nun somalische Familien meist aus westlichen Ländern, teils aus arabischen Staaten.

Im ostafrikanischen Kontext gehören sie der Mittel- oder Oberschicht an – sie stammen aus vermögenden Familien oder haben sich außerhalb Afrikas wirtschaftlich etabliert. Zudem haben die meisten von ihnen die Staatsbürgerschaft der Länder angenommen, in denen sie viele Jahre gelebt haben. Viele Familien gehen nach Ostafrika, weil die Elterngeneration fürchtet, ihre Kinder seien zu stark vom westlichen Leben beeinflusst. Aber auch junge Leute, die außerhalb Afrikas aufgewachsen sind und dort eine Berufsausbildung gemacht haben, versuchen nun, in Kenia Fuß zu fassen.

Dieses Phänomen will Tabea Scharrer genauer untersuchen. Eine wichtige Frage des Projekts lautet, welche Gründe die Menschen dazu bewegen, aus Europa nach Ostafrika „zurückzukehren“. Exklusion könnte eine wichtige Rolle spielen: Fühlten sie sich in ihrer neuen Heimat nicht zu Hause? Wurden die Kinder in der Schule benachteiligt? Fanden sie zu wenig Anschluss an die Gesellschaft? Und wie leben die „Rückkehrer“ in Ostafrika, gelingt es ihnen dort besser, heimisch zu werden?

Ein weiteres Thema ist der potenzielle Einfluss der Rückkehrer auf die somalische Gesellschaft in Kenia. Unter Somaliern ist häufig zu beobachten, dass sie sich stark über ihre ethnische Zugehörigkeit definieren. Die Schwierigkeit, die eigene Kultur in den westlichen Industrieländern aufrecht zu erhalten, ist für manche Somalier die wesentliche Motivation zurückzukehren. In Kenia könnten sie allerdings da mit die konservative Haltung der somalischen Gesellschaft weiter verstärken und ebenso die Tendenz, sich von anderen kenianischen Bevölkerungsgruppen abzugrenzen.

Für Tabea Scharrer sind aber auch entgegengesetzte Entwicklungen denkbar. Die Zeit außerhalb der somalischen Gesellschaft Ostafrikas könnte auch einen kosmopolitischen Lebensstil hervorbringen – vor allem bei den Kindern der Rückkehrer, die oft lieber in Europa oder Nordamerika geblieben wären. Ihre Erfahrungen mit der Migration und dem Leben in anderen Gesellschaften könnte also auch dazu führen, dass die Gesellschaft der Somalier in Kenia offener und vielfältiger wird.

MZ

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