Qualitätssicherung in der Wissenschaft
Die Vermarktung von Forschungsergebnissen ist zu einem nicht unerheblichen Wirtschaftsfaktor geworden. Weltweit werden damit jährlich 8 Mrd. Euro allein mit wissenschaftlichen Artikeln umgesetzt. Leider agieren in diesem Umfeld auch Marktteilnehmer, die sich nicht der wissenschaftlichen Redlichkeit verpflichtet fühlen, sondern deren Praktiken vor allem auf Gewinnmaximierung abzielen. Interne Zahlen belegen: Für die Max-Planck-Gesellschaft ist Predatory Publishing kein Problem und auch im Bereich der Exzellenzforschung allgemein stellt Predatory Publishing keine Gefahr dar.
Pro Jahr werden 1,7 Mio. wissenschaftliche Artikel veröffentlicht (Stand 2017), die in der Datenbank Web Of Science verzeichnet sind. Web Of Science listet nur anerkannte wissenschaftliche Zeitschriften. Die Zeitschriften des Verlag OMICS, der als Beispiel für einen Predatory Publisher aufgeführt wird, sind aktuell nicht in Web Of Science gelistet. Im Vergleich zur Menge der in Web Of Science gelisteten Artikel macht die Gesamtzahl der von OMICS verbreiteten Artikel weniger als 0,9% aus (Stand 2017). Offenbar handelt es sich also um eine Randerscheinung.
Die Max-Planck-Gesellschaft hat in den Jahren 2007-2017 über 120.000 wissenschaftliche Artikel hervorgebracht, an denen Max-Planck-Autoren beteiligt sind. Darunter fanden sich lediglich neun Artikel in OMICS-Zeitschriften. Das ist ein zu vernachlässigender Anteil von 0,01% der MPG-Artikel. Bei mindestens drei dieser Publikation handelt es sich um Transfers, d.h. zum Zeitpunkt der Publikation wurde die Zeitschrift unter dem Dach eines etablierten Wissenschaftsverlags produziert und erst später von OMICS aufgekauft. Es ist also keineswegs so, dass alle unter dem Dach eines zweifelhaft operierenden Verlags verbreiteten Artikel auch automatisch als solche unseriös sind.
Wissenschaft ist Diskurs
Das wissenschaftliche Publikationssystem dient gerade bei Zeitschriftenartikeln und Konferenzbeiträgen nicht nur der Publikation von wissenschaftlich gesicherten Fakten, sondern es dient insbesondere auch dazu noch zu prüfende und noch wissenschaftlich zu diskutierende Spekulationen, Theorien, Hypothesen, Beobachtungen und Erkenntnisindizien in den wissenschaftlichen Diskurs zu bringen. Im wissenschaftlichen Publikationssystem ist es üblich, geschätzt und strukturell wertstiftend sowohl nicht durch Dritte geprüfte Artikel öffentlich zu machen (sog. Preprints oder Artikel, die im modernen Post-Publikation-Review-Verfahren publiziert werden) als auch interessante, noch nicht überprüfte oder noch nicht überprüfbare Überlegungen sogar in qualitätsgesicherten Zeitschriften zu veröffentlichen (im Rahmen der Qualitätssicherung wird dann z.B. im Peer-Review-Verfahren geprüft ob die Überlegungen in einer wissenschaftsadäquaten Weise, also insbesondere argumentativ nachvollziehbar und falsifizierbar, dargestellt sind).
Es gehört zum normalen Arbeitsvorgehen eines Wissenschaftlers, jede wissenschaftliche Publikation vor der Verwendung in den Dimensionen Fakt vs. wissenschaftliche Spekulation vs. unwissenschaftlicher Quatsch einzuordnen. Dabei können Marken und Namen als unterstützende Hilfe dienen, aber letztlich kann nur die kritische wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Artikels maßgeblich sein
Ist Open Access anfällig für Predatory Publishing?
Open Access verändert den Zugang zu Forschungsergebnissen und ist durch Transparenz, Nachvollziehbarkeit, Überprüfbarkeit und Reproduzierbarkeit besonders für die Nachnutzung geeignet und trägt auch zur Beschleunigung der Innovationszyklen bei. Um die Seriosität eines Anbieters sicherzustellen gibt es unter anderem die Möglichkeit, sich umfassend über die Qualitätsprüfung, Transparenz der Verfahren und ethische Grundlagen von Open-Access-Zeitschriften zu informieren, z.B. über das Directory of Open Access Journals (DOAJ) oder das Informationsportal Think-Check-Submit. Darüber hinaus unterstützen lokale Bibliotheken an wissenschaftlichen Einrichtungen mit ihrer Expertise Forschende bei der Auswahl und Bewertung geeigneter Publikationsorte. Gute Open-Access-Verlage haben dieselben, aufgrund einer größeren Transparenz zum Teil sogar höhere Qualitätsstandards als klassische Verlage.
Von der Gesamtzahl der im WOS verzeichneten wissenschaftlichen Artikel erscheinen 15% Open Access ab dem Tag der Publikation. 50% der Artikel sind nicht unbedingt gleich ab dem Tag der Publikation, aber zu einem späteren Zeitpunkt Open Access. Dabei wächst der Open Access Anteil von Jahr zu Jahr. Durch den Vormarsch von Open-Access-Publikationsmodellen wird dieser Markt gerade stark verändert.
Was ist Predatory Publishing?
„Predatory Publishing“ bezeichnet unlautere Geschäftsmodelle unseriös operierender Verlage, Konferenzveranstalter oder Online-Fachzeitschriften. Dabei werden qualitativ hochwertige verlegerische Geschäftsprozesse und eine kompetitive Preisgestaltung vorgetäuscht, die bei seriösen Verlagen üblich sind; Qualitätssicherungsprozesse (Peer Review Prozess durch Editorial Board etc.) und redaktionelle Bearbeitungen der Artikel finden jedoch häufig nicht oder nicht nach den geltenden Standards statt, Preise sind in Wirklichkeit jedoch überhöht. Zu den Praktiken der Predatory Publisher und Konferenzanbieter zählen u.a.:
- Nachahmung und Kopie der Titel und Layouts renommierter Zeitschriften;
- überhöhte Gebühren für die Artikelbearbeitung;
- Unübliche zusätzliche Gebühren, beispielsweise für die Einreichung von Artikeln;
- Ausschluss des Wissenschaftlers vom Verbreitungsrecht an seiner eigenen Publikation durch Vertragsklauseln gefolgt von deutlich überteuertem Verkauf des Zugangs an Wissenschaftsorganisationen;
- Aufblähen der zu abonnierenden Zeitschriften-Flotte unter einer renommierten Verlagsmarke durch zusätzliche wenig relevante Zeitschriften;
- Irreführende Verwendung von Flotten-Symbolen (z.B. Marken, Layout) und Statistischen Durchschnittswerten (z.B. Journal Impact Faktor) als vorgeblicher Qualitätsindikator für einzelne spezifische Inhalte
- Werbung um Teilnahme und Beiträge zur Konfernzen mit scheinbar renommierten Konferenzbänden und vermeintlich hohen Besucherzahlen
Es gibt bei zahlreichen nicht wissenschaftlichen oftmals von Wirtschaftsinteressen, politischen Interessen oder persönlichen Glaubensgrundsätzen getriebenen Akteuren ein großes Bedürfnis äußerlich in Stile der Wissenschaft aufzutreten. Hierfür haben sich umfangreiche kommerzielle entsprechende Publikations-, Konferenz-, "Studien"-Durchführungs-, Think-Tank- und Marketing-Dienstleister etabliert. Die wissenschaftlichen Arbeitsmethoden sind i.a. wohlgeeignet mit derartigen nicht wissenschaftlichen Darstellungen im wissenschaftlichen Gewand umzugehen und sie von echten wissenschaftlichen Inhalten zu trennen. Aufgrund des Kräfteverhältnis -- die Lobbykräfte außerhalb der Wissenschaft sind i.a. stärker --, aus Effizienzgründen und teilweise sogar aus Gründen des Personenschutzes (z.B. von Editoren und Reviewern) werden i.a. wenig konfrontative, jedoch für die Wissenschaft ausreichend wirksame Maßnahmen der Einordnung verwendet.
Um gegen Praktiken wie das Predatory Publishing – gleich ob es im Zusammenhang mit dem traditionellen Abonnement-Modell oder Open Access auftritt – vorzugehen, kommt es in erster Linie darauf an weiter für qualitative und seriöse Praktiken zu sensibilisieren. Die Max-Planck-Gesellschaft tut dies u.a. auf der Basis ihrer Regeln zu guter wissenschaftlicher Praxis. Darüber hinaus geht es auch darum einen qualitativen und preislichen Wettbewerb unter den Verlagen sicherzustellen.
Zahlen zu Predatory Publishing:
- Es sind 911 Zeitschriften des Verlags OMICS bekannt. Insgesamt sind im Verlag OMICS im Zeitraum 2007-2017 82 Tsd. Artikel erschienen.
- WASET ist wesentlich kleiner als OMICS (10 Zeitschriften, 25 Tsd. Artikel in 2007-2017, 6 Tsd Editoren).
- SCIRP ist wieder größer, jedoch nicht so groß wie OMICS (259 Zeitschriften, 76 Tsd. Artikel in 2007-2017, 6 Tsd. Editoren).