Leibniz-Preis für drei Max-Planck-Wissenschaftler

Ralph Hertwig, Frank Jülicher und Joachim P. Spatz erhalten die höchste wissenschaftliche Auszeichnung Deutschlands

8. Dezember 2016

Der Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der mit jeweils 2,5 Millionen Euro dotiert ist, wird am 15.März 2017 an insgesamt zehn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verliehen. Sie wurden aus 134 Vorschlägen ausgewählt.

Ralph Hertwig (53) vom Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung erforscht die Psychologie menschlichen Urteilens und Entscheidens. Mit welchen Strategien treffen Menschen gute Entscheidungen, trotz begrenzten Wissens und mangelnder Zeit? Nach dem Kognitionspsychologen können einfache Faustregeln ebenso gut zur Problemlösung beitragen wie komplexe Handlungsmodelle.

Ein weiterer bedeutender Beitrag von Ralph Hertwig zur Entscheidungsforschung ist die Unterscheidung zwischen erfahrungsbasierten und beschreibungsbasierten Einschätzungen von Risiken. Am Beispiel des Klimawandels bedeutet dies, dass die dramatischen Folgen in der Bevölkerung oft unterschätzt werden. Es liegen zwar umfassende Informationen vor. Alltägliche Erfahrungen, die Menschen ihren Entscheidungen in erster Linie zugrunde legen, hingegen fehlen.

Ralph Hertwig leitet seit 2012 am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin den Forschungsbereich Adaptive Rationalität. Seine wissenschaftliche Laufbahn begann er 1995 am Max-Planck-Institut für Psychologische Forschung in München, 1997 wechselte er an das Berliner Max-Planck-Institut. Von 2000 bis 2002 war er Research Fellow an der Columbia University. 2003 habilitierte sich Hertwig an der Freien Universität Berlin, 2005 erhielt er einen Ruf als Professor für Kognitionswissenschaft und Entscheidungspsychologie an der Universität Basel. Von dort aus wechselte er auf seine jetzige Position.

Mit Frank Jülicher (51) vom Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme in Dresden wird ein weltweit führender Wissenschaftler im Bereich der Biophysik ausgezeichnet, der es versteht, „universelle physikalische Prinzipien in der komplexen Welt der lebenden Materie“ herauszuarbeiten, so das Urteil der Jury. Bereits seine frühen Arbeiten zur Physik des Hörens und zur Mechanik der Zellen erregten Aufsehen.

Mit der Erforschung molekularer Motoren, die eine wesentliche Rolle bei der Zellbewegung und -teilung spielen, hat Jülicher ein neues Forschungsfeld eröffnet. Dieses wirft viele grundlegende Fragen der Physik auf und hat zugleich neue Anwendungen wie biomimetisches Design inspiriert. In neuester Zeit wendete sich Jülicher vor allem der Kontrolle und Organisation von Zellen in Gewebe zu. Damit trägt er zum Verständnis der Selbstorganisation von Zellen in Gewebe bei. Sie ist bisher weitgehend unverstanden und sowohl für die Entwicklungsbiologie als auch für medizinische Anwendungen von großer Bedeutung.

Frank Jülicher studierte in Stuttgart und Aachen Physik, wurde 1994 an der Universität zu Köln promoviert und forschte im Anschluss daran zwei Jahre in den USA und in Kanada. Danach arbeitete er in Paris und habilitierte sich 2000 an der Universität Paris VII. Seit 2002 ist Jülicher Direktor am Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme in Dresden und Professor für Biophysik an der Technischen Universität Dresden.

Joachim Spatz (47) vom Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Stuttgart wird für seine herausragenden Forschungen an der Grenze von Materialwissenschaft und Zellbiophysik ausgezeichnet. Seine Forschungen beschäftigen sich mit der Zelladhäsion: Wie binden sich Zellen aneinander? Wie haften Zellen auf Oberflächen? Auf experimentellem Weg ist es ihm gelungen, präzise Einblicke in die Kontrolle der Zelladhäsion und Einblicke in ihre physiologischen Prozesse zu gewinnen.

Dazu hat Spatz durch den Einsatz von künstlichen, molekular strukturierten Grenzflächen mögliche Wechselwirkungen auf ein Minimum reduziert. Dadurch kann er mithilfe origineller materialwissenschaftlicher und physikalischer Konzepte die Kommunikationsmechanismen zwischen Zellen auf neuartige Weise untersuchen. So konnte er auch aufklären, wie der molekulare Mechanismus der kollektiven Zellmigration bei der Schließung von Wunden funktioniert.

Joachim Spatz studierte in Ulm und an der Colorado State University Physik, schloss in Ulm seine Promotion in Makromolekularer Chemie ab und habilitierte sich ebenfalls dort mit einem Thema zur Mechanik von Zellen. Seit 2000 ist er Professor für Biophysikalische Chemie in Heidelberg. 2004 wurde er zum Direktor am Max-Planck-Institut für Metallforschung, dem jetzigen Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme, in Stuttgart berufen. Seit Kurzem ist er als Direktor am Max-Planck-Institut für medizinische Forschung in Heidelberg tätig. Zudem hat er eine Gastprofessur für Molekulare Zellbiologie am Weizmann-Institut in Rehovot in Israel inne.

Zum Leibniz-Preis

Der Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis wird seit 1986 jährlich von der DFG verliehen. Pro Jahr können bis zu zehn Preise mit einer Preissumme von jeweils 2,5 Millionen Euro verliehen werden. Mit den zehn Preisen für 2017 sind bislang insgesamt 348 Leibniz-Preise vergeben worden. Davon gingen 115 in die Naturwissenschaften, 101 in die Lebenswissenschaften, 79 in die Geistes- und Sozialwissenschaften und 54 in die Ingenieurwissenschaften. Da Preis und Preisgeld in Ausnahmefällen geteilt werden können, ist die Zahl der Ausgezeichneten höher als die der Preise. Insgesamt haben bislang 374 Nominierte den Preis erhalten, darunter 326 Wissenschaftler und 48 Wissenschaftlerinnen.

Sieben Leibniz-Preisträger haben nach der Auszeichnung mit dem wichtigsten Forschungsförderpreis in Deutschland auch den Nobelpreis erhalten: 1988 Hartmut Michel (Chemie), 1991 Erwin Neher und Bert Sakmann (beide Medizin), 1995 Christiane Nüsslein-Volhard (Medizin), 2005 Theodor W. Hänsch (Physik), 2007 Gerhard Ertl (Chemie) und zuletzt 2014 Stefan W. Hell (Chemie).

DFG/BA

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