Atome im Quantendialog

Quantenbits lassen sich nun kontrolliert zwischen zwei Atomen übertragen und in den Atomen reversibel speichern

16. April 2012

Der Weg, eine völlig neue Art der Information zu übertragen, steht jetzt offen. Physiker des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik in Garching haben die elementare Form eines Quantennetzwerks realisiert, indem sie zwischen zwei in Resonatoren gefangenen Atomen Quanteninformation übertrugen. Quanteninformation besitzt grundlegend andere Eigenschaften als die klassische Information, mit der heute etwa Computer operieren und die über Telefonkabel oder Glasfasern übertragen wird. Mit ihr verbindet sich die Hoffnung, Information in manchen Anwendungen effizienter verarbeiten zu können. Sie muss jedoch ausgesprochen vorsichtig gehandhabt werden, damit sie ihren Quanten-Charakter nicht verliert. Die Garchinger Physiker haben nun erstmals Quantenbits in Form einzelner Photonen über ein 60 Meter langes Glasfaserkabel von einem Atom zum anderen übertragen und im Empfänger-Atom zuverlässig abgespeichert. Diese Anordnung eignet sich nicht nur, um Daten zwischen Computern auszutauschen, wenn diese künftig einmal mit Quantenbits rechnen. Sie ermöglicht auch grundlegende Einsichten, wie Quantenkommunikation funktioniert, und könnte es Physikern in Zukunft erlauben, bisher unverstandene Quantensysteme zu untersuchen.

Die Entwicklung von der analogen zur digitalen Datenverarbeitung war vielleicht nicht der letzte Sprung in der Informationstechnologie. Weltweit erforschen Physiker die Möglichkeiten, Quanteninformation zu verarbeiten. Ob sie unseren Alltag so umkrempeln wird wie die digitale Informationsverarbeitung ist noch völlig offen, weil sie extrem fragil ist und ihre Quanteneigenschaften leicht abhanden kommen. Doch sie bietet Perspektiven, die der klassischen digitalen Information prinzipiell verschlossen sind. Physiker der von Gerhard Rempe geleiteten Abteilung Quantendynamik am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching haben Quanteninformation nun erstmals kontrolliert und reversibel übertragen.

Wenn man so will, lassen die Forscher einzelne Atome miteinander sprechen, und zwar in der Sprache einzelner Quantenbits, die von einzelnen Photonen übermittelt werden. Dabei ist den Garchinger Physikern gelungen, was für ein Gespräch selbstverständlich sein sollte und auch in der klassischen Datenverarbeitung funktioniert, in der Quantenkommunikation bislang aber noch nicht möglich war. „Unser Ansatz zeichnet sich dadurch aus, dass jedes System aus Atom und Resonator als Sender und Empfänger dienen kann, wir die Information in den Atomen auch abspeichern können und sie zwischen ihnen kontrolliert und reversibel austauschen können“, sagt Stephan Ritter, der maßgeblich daran beteiligt war, den Quantendialog zu vermitteln. Jedes Atom kann also die Quantensprache sprechen und die in ihr enthaltene Information weitergeben. Und das alles, ohne dass der empfindliche Quantencharakter der Information verloren geht.

Physiker erforschen auch andere Systeme wie Ensembles mehrerer Atome oder Atome und Moleküle ohne Spiegel zum Austausch von Quanteninformation. Die besondere Stärke der einzelnen Atome in Resonatoren liegt jedoch darin, dass sie alle Funktionen, nämlich das  Senden, Empfangen und Speichern von Quanteninformation, gleichermaßen ermöglichen.

Neue Perspektiven für die Verarbeitung von Quanteninformation

Dass die Garchinger Forscher Quanteninformation kontrolliert und reversibel – Physiker sagen kohärent – austauschen können, ist zum einen von grundlegendem Interesse. „Wir haben mit unseren Experimenten einen Durchbruch geschafft, um mehr über fundamentale Eigenschaften der Quantenwelt zu lernen“, sagt Gerhard Rempe, der die Arbeiten als Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik leitete. Da die Forscher den Austausch von Quanteninformation und damit die quantenmechanischen Wechselwirkungen zwischen ihren vernetzten Atomen genau kontrollieren, hoffen sie, damit künftig auch Quantenprozesse simulieren zu können, die Physiker heute noch nicht völlig verstehen. Dazu zählt etwa die Supraleitung – das ist der widerstandslose Stromtransport – bei relativ hohen Temperaturen. „Ein zukünftiges, größeres Quantennetzwerk könnte sich für solche Quantensimulationen besonders gut eignen, weil es besonders vielseitig ist“, sagt Stephan Ritter.

Der Dialog der Atome eröffnet zum anderen neue Perspektiven für den Austausch und die Verarbeitung von Quanteninformation. Die Quantenbits haben anders als klassische Bits die Eigenschaft, dass nicht feststeht, in welchem Zustand sie sich befinden, solange sie nicht gemessen werden. Sie nehmen einen Zustand an, den Physiker Überlagerungszustand nennen. Dieser hat eine Eigenschaft, die in unserer von der klassischen Physik beherrschten Alltagswelt kaum denkbar ist. Denn das Ergebnis einer Messung am Überlagerungszustand steht nicht von vorneherein fest, vielmehr entscheidet erst die Messung darüber. In diesem Sinne ändert die Messung den Zustand.

Die Recheneigenschaften von Quantenbits beruhen auf dieser Unentschiedenheit des Überlagerungszustandes. Ein Quantenbit steht also nicht für eine Null oder eine Eins wie ein klassisches Bit, sondern hat die Möglichkeit beide Zustände gleichzeitig anzunehmen. Diese Eigenschaft lässt sich für ausgeklügelte und leistungsstarke Rechenmethoden nutzen, die einem klassischen Computer versagt bleiben.

Quantenbits sind gegenüber äußeren Störungen sehr empfindlich

„Bei einem klassischen Bit ist Messen das beste was ich machen kann, denn dann kenne ich die Information“, erklärt Stephan Ritter. „In der Quantenkommunikation verändere ich durch die Messung den Inhalt aber in unumkehrbarer Weise.“ Da Quantenbits ihren Quantenzustand bei einer Messung verändern, gerät der Umgang mit ihnen zu einer heiklen Angelegenheit. Erschwert wird das noch durch die Tatsache, dass sie gegenüber Störungen von außen viel empfindlicher sind als klassische Bits.

Das fragile Wesen der Quanteninformation lässt sich zwar auch für manche Anwendungen der Quantenkommunikation ausnutzen – die Quantenkryptografie etwa setzt auf diese Eigenschaft von Quantenbits, damit niemand eine Information unbemerkt abgreift. Für die Garchinger Physiker liegt in dieser Empfindlichkeit jedoch die große experimentelle Herausforderung. Bewältigt haben die Forscher die Aufgabe über einige Jahre in zahlreichen Etappen. Sie haben gelernt, Atome mit Laserstrahlen zwischen zwei nahezu perfekten Spiegeln zu fangen und sie dort für einige Minuten festzuhalten. Sie haben die Atome ebenfalls mit Laserpulsen dazu gebracht, genau dann ein Photon auszusenden, wenn sie es wünschen. Sie haben eine Möglichkeit gefunden, Quanteninformation in einem einzelnen Atom zu speichern, indem sie den Prozess, bei dem die einzelnen Photonen erzeugt werden, exakt umdrehen. Und sie können die Information aus dem Atom auch wieder abrufen.

Nun haben die Physiker all diese Fähigkeiten kombiniert und aus zwei Atomen in Resonatoren, die sie in benachbarten Laboren platzierten und mit einem 60 Meter langen Glasfaserkabel verbanden, die ersten Knoten eines Quantennetzes geknüpft. Dabei mussten sie auch damit fertig werden, dass jeder Schritt nicht mit 100prozentigem Erfolg klappt. Denn längst nicht bei jedem Versuch kommt ein Photon des Sender-Atoms beim Empfänger-Atom an. Wenn aber – so konnten die Forscher nachweisen – dann stimmt die Information im Empfänger-Atom auch gut mit der ursprünglich im Sender-Atom vorliegenden überein.

Die Knotenpunkte des Quantennetzes werden verschränkt

In den Atomen, die als stationäre Speicher dienen, legen die Physiker die Information in einem internen Zustand ab, der von verschiedenen Quanteneigenschaften bestimmt wird. Mithilfe einer raffinierten Prozedur übertragen sie die Information aus dem internen Zustand des Senderatoms auf die Schwingungsrichtung des ausgesendeten Photons, das die Form eines kleinen Wellenpaketes besitzt. Am Empfängeratom wird die Information dann wiederum auf den internen Zustand des Atoms übertragen, und zwar in einer Weise, die die Forscher genau kontrollieren können.

Die Garchinger Forscher sind jedoch noch einen Schritt weiter gegangen: Sie haben die beiden Knotenpunkte des rudimentären Datennetzes miteinander verschränkt – auch das ein sehr eigentümlicher Quantenvorgang. Dabei übertragen die Garchinger Physiker wiederum ein Photon von einem Atom zum anderen, diesmal aber eins, das mit dem Sender-Atom verschränkt ist. Zu diesem Zweck wählen sie den Prozess, bei dem das Photon entsteht, sorgfältig aus. Bei der Umkehrung des Vorgangs, wenn das Empfänger-Atom das Photon aufnimmt, wird auch die Verschränkung auf das zweite Atom übertragen. Auf diese Weise präparieren sie die beiden Atome so, dass sie sich beide in einem Überlagerungszustand befinden und ihre internen Zustände dabei voneinander abhängen. Das bedeutet: Die beiden Atome formen ein einziges Quantenobjekt und eine Manipulation an einem der beiden Atome wirkt sich unweigerlich auch auf das andere Atom aus. Genau das haben die Garchinger Physiker in einem weiteren Experiment auch beobachtet.

Das Quantennetz soll ausgebaut werden

Auch verschränkte Systeme, etwa in Form von Atomen, sind für die Quantenkommunikation nützlich, manchmal sogar unerlässlich. Bei der Übertragung von Quantenbits über große Distanzen soll die Verschränkung etwa helfen, trotz der Verluste, die bei jeder Übertragung unweigerlich auftreten, eine effiziente Übertragung von Quantenzuständen zu ermöglichen. Derzeit können die Garchinger Physiker die verschränkten Atome 100 Mikrosekunden lang vor äußeren Störungen schützen, die die Verschränkung zerstören. Das wäre bereits lang genug, um mit den verschränkten Atomen etwa Rechenoperationen vornehmen zu können.

Für Anwendungen in der Quantenkommunikation, aber auch für Quantensimulationen, ist ein Quantennetz mit mehr als zwei Knoten nötig. „Unser Ansatz für die Realisierung eines Quantennetzwerks ist vor allem deshalb so erfolgversprechend, weil es klare Perspektiven für die Erweiterbarkeit bietet“, sagt Gerhard Rempe. Daran wollen er und seine Mitarbeiter nun arbeiten. Sie planen aber noch weitere Schritte. So wollen die Physiker die Übertragung der Quanteninformation noch robuster gegen äußere Störungen machen. Zudem haben die Forscher einen Plan, um festzustellen, ob die Atome verschränkt sind, ohne den verschränkten Zustand selbst zu messen und dabei zu zerstören. „Damit werden wird die nächsten Schritte hin zur Quantenkommunikation über große Entfernungen und eines Tages vielleicht sogar zu einem Quanten-Internet machen“, sagt Stephan Ritter.

PH

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