Unerschrocken zum Touchdown
Auf dem College nannten sie ihn wegen seiner Figur und seines ausgeprägten Willens einfach stump – Baumstumpf. Heute ist der ehemalige Footballspieler Samuel Young ein anerkannter Neurowissenschaftler. Mit innovativen Werkzeugen und ausgefeilten Techniken möchte er herausfinden, wie Nervenzellen miteinander kommunizieren. Der Nachwuchsgruppenleiter am
Max Planck Florida Institute ist Forscher durch und durch. Doch seine Karriere verlief ungewöhnlich.
Rückblickend sieht Sam Young das als einen Wendepunkt in seiner jungen Laufbahn. Als er nach drei Wochen ins Labor zurückkehrte, hatte er seine Einstellung gründlich überdacht. „Es war ein kathartischer Moment. Und ich denke immer an Samulskis Ratschlag: Sam, du wirst nie genug Zeit haben, beim ersten Mal alles richtig zu machen. Aber du wirst immer genug Zeit haben, es noch einmal zu machen.“ Jahre später ließ Young seinen ersten Sohn in Anerkennung und Respekt für alles, was Samulski beruflich und privat für ihn getan hatte, auf den Namen Jude taufen.
Seine Doktorarbeit hatte Young dreieinhalb Jahre nach dem Hochschulabschluss fertig. Das Adeno-assoziierte Virus, fand er heraus, integrierte sich auf Chromosom 19 nicht nur, weil es dort geeignete Andockstellen fand, sondern weil seine Proteine auch die Replikation des Chromosoms bei der Zellteilung unterstützen.
Wie funktionieren Lernen und Gedächtnis?
Mit dem Ende dieses Projekts begann Young, sich nach Postdoc-Stellen umzusehen. In der Gentherapie wollte er nicht bleiben, da ihm dort die Fragen zu angewandt waren – ihn interessierte die Grundlagenforschung. Er erinnerte sich seiner Faszination für die neuronalen Grundlagen des Gedächtnisses und überlegte, ob sich Gene von Neuronen so manipulieren ließen, dass dies Rückschlüsse auf ihre Funktion erlaubt.
In der Hirnforschung hatte man nicht gerade auf Sam Young gewartet. Einige Wissenschaftler antworteten ihm, die Idee sei zu ambitioniert. Doch der Neurobiologe Charles Stevens am Salk Institute for Biological Studies im kalifornischen San Diego zeigte sich interessiert. „Ich bin Stevens für immer dankbar, dass er mir die Möglichkeit gab, meinen Schwerpunkt zu wechseln“, sagt Young heute. Er musste ein neues Forschungsfeld von Grund auf erlernen.
Das erste halbe Jahr verbrachte Sam Young deshalb damit, das klassische Handbuch von Eric Kandel über die neurologischen Grundlagen des Gedächtnisses und Bertil Hilles Standardwerk über Ionenkanäle in Zellmembranen zu studieren. Auch Steve Heinemann, ein weiterer Experte für molekulare Neurowissenschaften am Salk Institute, unterstützte Young dabei, das ihm unbekannte Terrain zu erkunden. Das Wagnis, sich ein neues Gebiet zu erarbeiten, demonstriert eine Stärke Youngs. Er scheut sich nicht, neue Fertigkeiten zu erwerben, wenn es der Beantwortung einer wissenschaftlichen Frage dient. „Ich habe nie bewusst angestrebt, interdisziplinär zu arbeiten, sondern es ergab sich zwangsläufig aus meinen Forschungsinteressen“, erzählt er.
Sam Young erlernte auch die aufwendige Patch-Clamp-Technik. Diese Methode erlaubt es, mithilfe feiner Pipettenspitzen winzige Ströme durch einzelne Ionenkanäle einer Zellmembran zu messen. Entwickelt haben diese Methode Erwin Neher und Bert Sakmann in den 1970er-Jahren am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen. 1991 erhielten die beiden dafür den Medizin-Nobelpreis. Sakmann hatte als Direktor die Gründung des Max Planck Florida Institutes begleitet.