Unerschrocken zum Touchdown

15. März 2012

Auf dem College nannten sie ihn wegen seiner Figur und seines ausgeprägten Willens einfach stump – Baumstumpf. Heute ist der ehemalige Footballspieler Samuel Young ein anerkannter Neurowissenschaftler. Mit innovativen Werkzeugen und ausgefeilten Techniken möchte er herausfinden, wie Nervenzellen miteinander kommunizieren. Der Nachwuchsgruppenleiter am
Max Planck Florida Institute ist Forscher durch und durch. Doch seine Karriere verlief ungewöhnlich.

Mit der Patch-Clamp-Technik lässt sich untersuchen, wie sich synaptische Kontakte und damit die Effizienz der Signalleitung verändern. An der Synapse wird das durch das Neuron wandernde elektrische in ein chemisches Signal umgewandelt, da es vom Senderneuron auf das Empfängerneuron übertragen werden muss. Das geschieht mittels Botenstoffen, die in membranumhüllte Bläschen (Vesikel) verpackt werden. Sie müssen mit der Zellmembran fusionieren, ehe sie in den synaptischen Spalt zwischen Sender und Empfänger gelangen.

Bei diesem Prozess spielen sogenannte SNARE-Proteine eine Rolle – die Sam Young in La Jolla genauer untersuchte. Dabei entdeckte er, dass sie die Stärke des Signals offenbar deutlich beeinflussen. Und das – anders als bis dahin gedacht – unabhängig von der an der Zellmembran zuvor bereitgestellten Zahl an Vesikeln. Vier Jahre arbeitete Young an dem Projekt; ein im renommierten Fachjournal PNAS 2005 veröffentlichter Artikel fasste die Ergebnisse zusammen.

Im Labor des Nobel-Preisträgers

Nach Kalifornien schloss sich eine zweite Postdoc-Stelle in Deutschland an, wo Sam Young später eine interne Gruppenleitung übernahm – bei Erwin Neher am Göttinger Max-Planck-Institut. Young hatte Neher im Sommer 2004 auf einer Konferenz getroffen. Anlässlich dieser Begegnung hatte dieser ihm eine Kooperation vorgeschlagen, woraufhin Young mutig meinte: „Wie wäre es, wenn ich zu Ihrer Arbeitsgruppe stoße?“ Neher, der monatlich Hunderte Anfragen bekommt, sagte spontan: „Prima Idee.“

Der Nobelpreisträger kann sich an das Gespräch noch gut erinnern. „Sam Young brachte Erfahrung in Virologie mit, die wir damals im Labor brauchten. Seine Zeit im Labor meines früheren Mentors, Charles Stevens, garantierte außerdem, dass er eine profunde Kenntnis in Elektrophysiologie hatte.“

Für Young gab es jedoch bald ein kleines Problem: Einige Wochen nach seinem Treffen mit Erwin Neher traf er bei einer Feier die Liebe seines Lebens: Sidney. Zwei Monate lang erzählte er ihr nichts von seiner bevorstehenden Abreise. Als er ihr seine Pläne eingestand, drohte die noch junge Beziehung auseinanderzubrechen. Doch nach einigen dramatischen Krisensitzungen kamen die beiden überein, dass sie ihn nicht nur begleiten würde, sondern sie auch heiraten würden – was dann allerdings noch drei Jahre dauerte.

Young war zuvor noch nie in Deutschland oder überhaupt in Europa gewesen. „Mir war nicht klar, wie weit nördlich es liegt, zumindest im Vergleich zu New Jersey, wo ich aufgewachsen bin.“ Sosehr ihn das kühlere Klima überraschte, Göttingen und besonders die Abteilung von Erwin Neher ist für Young bis heute das „Shangri-La“ der Naturwissenschaften – nach dem sagenhaften Ort im Himalajagebirge, an dem Menschen sich ganz einer geistigen Existenz widmen.

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