Forscher entschlüsseln Schaltkreis der Großhirnrinde

Wissenschaftler am Max Planck Institut in Florida rekonstruieren erstmals ein räumliches Modell einer kortikalen Säule

13. Dezember 2011

Kortikale Säulen aus vertikal angeordneten Reihen verbundener Nervenzelle, die zusammen einen Gehirnschaltkreis bilden, gelten als Baustein der Großhirnrinde – also des Teils des Gehirns, der für viele seiner höheren Funktionen verantwortlich ist. Forscher am Max Planck Institut in Florida haben nun mit Hilfe einer neuen theoretischen Vorgehensweise und modernster Instrumente das erste wirklichkeitsgetreue räumliche Diagramm einer thalamokortikalen Säule im Gehirn eines Nagetiers erstellt. Damit ist ihnen der erste Schritt auf dem Weg zu einem vollständigen Computermodell des Gehirns gelungen.

„Dies ist die erste vollständige räumliche Rekonstruktion eines wirklichkeitsgetreuen Modells einer kortikalen Säule“, sagte Marcel Oberländer, der Erstautor des Artikels. „Dies ist das erste Mal, dass wir die Struktur einzelner Neurone in einem lebenden Tier im Wachzustand mithilfe vollständiger, dreidimensionaler Rekonstruktionen von Axonen und Dendriten mit ihrer Funktion in Beziehung setzen konnten. Mit diesem Modell können wir untersuchen, wie das Gehirn Sinnesreize verarbeitet, und wie daraus bestimmte Verhaltensweisen entstehen.“

Zusätzlich zur Nachbildung der Struktur der kortikalen Säule wirft die Studie auch ein klärendes Licht auf die Funktion der Neuronen, aus denen sie besteht, sowie auf die Beziehung zwischen ihrer Funktion und Struktur. Durch die Untersuchung der Reaktion des Neurons auf Sinnesreize fanden die Forscher heraus, dass die durch Sinnesreize hervorgerufene Aktivität in einigen der Zellen direkt mit ihrer Struktur und ihren Verbindungen in Beziehung steht. Dies entspricht einem ersten Schritt auf dem Weg, die grundlegenden Organisationsprinzipien des Gehirns zu verstehen.

Die Neurowissenschaftler nutzten für ihre Studie moderne Lichtmikroskope sowie speziell entwickelte Instrumente, um 15000 Nervenzellen, die neun verschiedenen Zelltypen angehörten, zu untersuchen. Die Forscher rekonstruierten und identifizierten die Bestandteile einer kortikalen Säule anhand eines mühsamen, aus sechs Einzelschritten bestehenden Prozesses. Die neuen Methoden wurden zum Teil am Max-Planck-Institut in Florida entwickelt und erlauben es Forschern erstmals, die elektrische Signalgebung auf subzellulärer Ebene mit einer zeitlichen Auflösung im Millisekundenbereich im Computermodell zu simulieren.

„Wir können nun die Zahl der Neuronen jedes Zelltyps, ihre räumliche Struktur, ihre Verbindung innerhalb dieser Netzwerke und ihre Reaktion auf Sinnesreize sowohl bei betäubten als auch bei Tieren im Wachzustand messen“, sagte Oberländer. „Solch eine quantitative Erfassung der Struktur und Funktion der Großhirnrinde war bisher nicht möglich. Sie markiert einen Meilenstein für künftige Untersuchungen der mechanistischen Prinzipien, die dem Signalstrom innerhalb des Gehirns während solcher Prozesse wie der Entscheidungsfindung zugrunde liegen könnten.“

Weitere interessante Beiträge

Zur Redakteursansicht