Das Konnektom des Gehirns - von Verzweigung zu Verzweigung
Max-Planck-Forscher entwickeln neue Analysewerkzeuge, um Nervennetzwerke schnell und exakt zu rekonstruieren
Das menschliche Gehirn ist das komplizierteste aller Organe. Milliarden von Nervenzellen sind darin mit ihren Fortsätzen zu einem hochkomplexen, dreidimensionalen Netz verwoben. Die Kartierung dieses Netzwerks stellt Wissenschaftler bislang vor eine kaum lösbare Herausforderung. Ein Forscherteam am Heidelberger Max-Planck-Institut für medizinische Forschung hat nun eine Methode entwickelt, um die Mammutaufgabe anzugehen. Dazu haben sie zwei neue Computerprogramme entwickelt, KNOSSOS und RESCOP. Mithilfe dieser Analysewerkzeuge haben mehr als 70 Studenten gemeinsam einen Verbund von über 100 Nervenzellen kartiert – deutlich schneller und weniger fehleranfällig als mit bisherigen Methoden.

Rund 70 Milliarden Nervenzellen, Hunderttausende von Kilometern Leitungsbahnen – das menschliche Gehirn ist so komplex, dass es lange Zeit unmöglich schien, dieses Netzwerk im Detail abzubilden. Denn jedes einzelne dieser Neurone ist über fein verästelte Fortsätze, die Dendriten und Axone, mit etwa eintausend anderen Nervenzellen verbunden, mit denen es über elektrische Signale kommuniziert. Die Verschaltungen zwischen den Zellen sind entscheidend für die Funktion des Gehirns. Um dessen Funktionsweise zu erforschen, wollen Neurowissenschaftler daher die Struktur dieser Nervennetze – das Konnektom – aufklären und in einer dreidimensionalen Karte darstellen. Weil dieser Aufgabe bisher kein Computer gewachsen ist, sind sie bei der Rekonstruktion auf das menschliche Auge angewiesen. Doch die schiere Zahl an Zellverbindungen, die selbst in einem winzigen Gewebestück vorhanden sind, lässt das Unterfangen aussichtslos erscheinen – es sei denn, man verteilt es auf viele Schultern.
Moritz Helmstaedter, Kevin L. Briggman und Winfried Denk, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für medizinische Forschung in Heidelberg, haben diese Vorgehensweise nun mit Erfolg getestet: Dazu haben sie eine spezielle Software namens RESCOP entwickelt, die die Ergebnisse vieler Beobachter zu einem Gesamtbild zusammenfasst. Mit der Unterstützung von mehr als 70 Studenten der Heidelberger Universität haben sie so den Verbund von über 100 Nervenzellen aus einem Stück Netzhaut des Auges in allen Einzelheiten rekonstruiert. Das untersuchte Gewebestück war dabei nicht größer als ein Sandkorn.
Um die Verbindungen zwischen den Nervenzellen zu verfolgen, haben die Studenten das Computerprogramm KNOSSOS verwendet, welches das Heidelberger Team entwickelt hat. Die Software trägt nicht umsonst den Namen der sagenumwobenen Palastes auf der griechischen Insel Kreta, der für seinen Irrgarten berühmt ist: „Den Verbindungen im Gehirn nachzuspüren ist mindestens so schwierig, wie den Weg aus einem mythologischen Labyrinth zu finden“, schildert Moritz Helmstaedter das Problem.