Quantenelektrodynamik auf dem Prüfstand

Forscher bestätigen Quantenelektrodynamik in starken Feldern mit bislang unerreichter Präzision

4. Juli 2011

In Goethes berühmtem Drama zweifelt der Gelehrte „Faust“ daran, dass die Wissenschaft ergründen kann, was die Welt im Innersten zusammenhält. Physiker setzen dieser Skepsis heute die Theorie der Quantenelektrodynamik entgegen. Sie beschreibt die Wirkung von elektrischen und magnetischen Kräften und bestimmt die Struktur von Atomen und Molekülen. Obwohl die Quantenelektrodynamik zu den am genauesten überprüften Theorien zählt, vermuten viele Physiker, dass sie bei sehr starken elektrischen Feldern versagen wird. Doch bei welchen Feldstärken tritt das ein? Eine Forschergruppe des Max-Planck-Instituts für Kernphysik in Heidelberg bestätigte gemeinsam mit Kollegen von der Universität Mainz und dem GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung die Theorie mit bislang unerreichter Genauigkeit. Ihre Methode eignet sich zudem, grundlegende Größen wie die Masse von Elektronen oder die Größe von Atomkernen zu messen

Anschließend gelangte das Ion wieder in die Präzisionsfalle zurück. Dort maßen Sturm und Kollegen zwei Bewegungen, die das Ion um die Magnetfeldlinien ausführt: eine Kreisbewegung (Zyklotronfrequenz) und eine Kreiselbewegung der Spin-Achse (Larmor-Frequenz). Diese Bewegung ähnelt der Taumelbewegung eines Kreisels, den man seitlich angestoßen hat.

Aus diesen beiden Frequenzen berechneten Sturm und Kollegen den sogenannten g- oder auch Landé-Faktor. Er ist gewissermaßen die Testgröße für die Quantenelektrodynamik, die einen bestimmten Wert vorhersagt. Das Experiment ergab einen Wert von g = 1,995 348 958 7 mit der Unsicherheit in der letzten Stelle. Er stimmt mit dem theoretisch erwarteten Wert innerhalb der Fehlergrenze perfekt überein. Das ist die bisher mit Abstand genaueste Messung des g-Faktors des gebundenen Elektrons und ist damit der aussagekräftigste Test der Quantenelektrodynamik in starken Feldern.

Damit konnten Blaum, Keitel und Kollegen die Quantenelektrodynamik erneut glänzend bestätigen. Doch die Geschichte geht noch weiter. Nach dieser Messung ist der experimentelle Wert jetzt mit noch größerer Genauigkeit bekannt als der theoretische. Deshalb wird nun die Gruppe um Christoph Keitel und Zoltan Harman den g-Faktor noch genauer berechnen. Gleichzeitig will Blaums Gruppe die Messgenauigkeit noch einmal um das Zehnfache erhöhen. Auch Experimente mit noch schwereren Ionen und deshalb noch größeren Feldstärken sind geplant.

„Am spannendsten wäre es natürlich, wenn wir dann eine Abweichung von der Theorie messen würden“, sagt Blaum. Das würde nämlich auf eine neue, übergeordnete Physik hinweisen. Doch selbst wenn die Forscher die Quantenelektrodynamik erneut bestätigen werden, ist das Experiment äußerst wertvoll. Wenn die Quantenelektrodynamik stimmt, kann man nämlich aus den Messwerten interessante atomare Größen mit ungeahnter Präzision ermitteln. Hierzu zählen die Elektronenmasse – eine der Fundamentalgrößen in der Physik – und die Größe der Atomkerne. So ermittelten die Heidelberger Physiker in dem jetzigen Experiment den Radius des Silizium-Atomkerns zu 3,18 Femtometer (1 Femtometer entspricht 10-15 Meter). Auch damit bestätigten sie den derzeitigen Standardwert.

TB/PH/HR

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