Ein schwarzes Loch in neuem Licht

Weltweit nehmen 19 Observatorien bei allen möglichen Wellenlängen das Zentrum der Riesengalaxie M 87 unter die Lupe

Das schwarze Loch im Herzen der Riesengalaxie Messier 87 steht im Fokus der Forschung. Seitdem im April 2019 das erste Bild veröffentlicht wurde, hat das Interesse an dem M87* genannten Objekt zugenommen. Vor allem seine unmittelbare Umgebung ist für die Astronomie attraktiv. Denn die gewaltige Gravitation dieses Massemonsters treibt einen energiereichen Jet an, der Teilchen mit nahezu Lichtgeschwindigkeit über riesige Entfernungen ins All bläst. Jetzt haben Forschende die Messdaten von 19 Observatorien veröffentlicht, die M87* weiter erhellen. An dem Projekt maßgeblich beteiligt ist das Max-Planck-Institut für Radioastronomie, unter anderem durch Beobachtungen mit der 100-Meter-Antenne in Effelsberg.

Gigantische schwarze Löcher produzieren sogenannte Jets, eng gebündelte Strahlen aus Energie und Materie. Im Fall von M87* reicht dieser kosmische Ausfluss mindestens 100.000 Lichtjahre weit ins All. Dabei sendet er Strahlung aus, die sich über die gesamte Klaviatur des elektromagnetischen Spektrums erstreckt – vom langwelligen Radio- bis hin zum extrem kurzwelligen Gammabereich. Das Muster dieser Strahlung ist bei jedem schwarzen Loch anders und gibt Einblicke in dessen Eigenschaften.

Allerdings verändert sich das Muster mit der Zeit, was die Beobachtungen erschwert. Während der Messungen mit dem Event Horizon Telescope (EHT), welches das erste Bild von M87* lieferte, kompensierten die Forschenden solche Schwankungen, indem sie die Beobachtungen mit vielen der weltweit leistungsstärksten Teleskope am Boden und im Weltraum koordinierten. Diese „Multi-Frequenz-Astronomie“ erfasste die Strahlung über das gesamte elektromagnetische Spektrum. Es war die bisher umfangreichste simultane Messkampagne für ein supermassereiches schwarzes Loch und seinen Jet.

„Dieser einzigartige Datensatz ist entscheidend für das Verständnis der physikalischen Bedingungen in der unmittelbaren Umgebung eines der massereichsten schwarzen Löcher in unserer kosmischen Nachbarschaft“, sagt Stefanie Komossa. Die Forscherin am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn ist Teammitglied bei den unterstützenden Beobachtungen des EHT und eine der Hauptautorinnen der aktuellen Veröffentlichung in der Zeitschrift The Astrophysical Journal Letters.

„Die Kombination aus Radiodaten mit zeitnahen Messungen bei anderen Wellenlängen wie Nahinfrarot, sichtbarem Licht sowie Röntgen- und Gammastrahlung liefert ein großartiges Datenreservoir für ein detailliertes Bild der physikalischen Prozesse, die in der Nähe des schwarzen Lochs und in der Startregion des Jets ablaufen“, ergänzt Komossas Kollege Thomas P. Krichbaum, ebenfalls Forscher am Bonner Institut und Mitglied des EHT-Wissenschaftsrats.

An der Messkampagne wirkten zudem zwei Forschende des Max-Planck-Instituts für Physik mit. Sie leiteten die Beobachtungen der beiden Magic-Teleskope, die zusammen mit zwei weiteren Observatorien - H.E.S.S. und Veritas - Gammastrahlen im höchsten Energiebereich aufzeichneten. „Eines der Ziele der gemeinsamen Beobachtung war, die gebündelte, hochenergetische Strahlung zu untersuchen, die aktive schwarze Löcher als Jets mit Lichtgeschwindigkeit in den Raum schleudern“, sagt Alexander Hahn, Doktorand am Max-Planck-Institut für Physik.

In ihrer aktuellen Studie geben die Wissenschaftler diesen riesigen Datensatz frei und machen ihn allen Interessierten zugänglich. „Mehrere Gruppen arbeiten schon auf Hochtouren, um zu sehen, ob ihre Modelle mit diesem reichhaltigen Beobachtungsschatz übereinstimmen“, sagt Daryl Haggard von der McGill University. Sie sei begeistert, dass die gesamte Gemeinschaft nun dabei helfe, die engen Verbindungen zwischen schwarzen Löchern und ihren Jets besser zu verstehen.

Erste Ergebnisse zeigen, dass die Menge an elektromagnetischer Strahlung, welche die Materie um M87* erzeugt, die geringste jemals beobachtete ist. Aus dieser Tatsache resultieren ideale Bedingungen für das Studium des schwarzen Lochs, insbesondere von Regionen nahe dem Ereignishorizont. Denn dadurch begegnen die Signale auf ihrem Weg nach draußen weniger Hindernissen.

Zudem planen die Forschenden, die Tests für Einsteins allgemeine Relativitätstheorie zu verbessern. Eine der „Zutaten“ für derartige Experimente sind extrem starke Gravitationsfelder, wie sie supermassereiche schwarze Löcher erzeugen. Allerdings wissen die Astronomen bisher nicht genau, wie das um M87* rotierende und im Jet abgestrahlte Material beschaffen ist. Ebenfalls noch rätselhaft sind die physikalischen Eigenschaften der Materie, die das ausgesendete Licht bestimmen.

„Das Verständnis der Teilchenbeschleunigung ist zentral für unsere Interpretation sowohl des EHT-Bildes als auch des Jets“, sagt Sera Markoff von der Universität Amsterdam. „Denn dieser Jet schafft es, die vom schwarzen Loch freigesetzte Energie auf Abstände zu transportieren, die größer sind als die Wirtsgalaxie, entsprechend einem riesigen Stromkabel.“ Die jetzt gesammelten Daten sollen dabei helfen, die Menge der transportierten Energie zu berechnen und damit den Effekt, den der Jet des schwarzen Lochs auf seine Umgebung ausübt.

Die Veröffentlichung fällt mit dem aktuellen EHT-Beobachtungslauf zusammen, bei dem erneut ein weltweites Netzwerk von Teleskopen zum Einsatz kommt. Noch in dieser Woche wollen die Astronomen sechs Nächte lang unter anderem die Galaxie M87 sowie Sagittarius A*, das supermassereiche schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße, unter die Lupe nehmen.

„In dieser Beobachtungskampagne haben sich viele Teleskope auf der Welt und im Weltraum mit der EHT-Kollaboration zusammengetan, um gemeinsam und gleichzeitig die Eigenschaften von M87* über das gesamte elektromagnetische Spektrum zu untersuchen“, sagt Anton Zensus, Gründungsvorsitzender des Event Horizon Telescope und Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie. Man werde auf diese Weise Magnetfelder, kosmische Strahlung, Jetstruktur, Emissions- und Absorptionsprozesse sowie die Rolle der allgemeinen Relativitätstheorie besser untersuchen können.

HOR / NJ

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