Big Science

Mit der Integration des IPP in die Max-Planck-Gesellschaft schlägt das Institut ein neues Kapitel in seiner Geschichte auf, die bis zu Werner Heisenberg zurückreicht

Text: Susanne Kiewitz

Seit 2003 war das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) Diener zweier Herren: Finanztechnisch unterstand es der Helmholtz-Gemeinschaft, rechtlich der Max-Planck-Gesellschaft. Die ungewöhnliche Konstruktion wurde nun per Senatsbeschluss zum 1. Januar 2021 aufgelöst und das Institut in die Governance der Max-Planck-Gesellschaft eingegliedert.

Die Frage nach der Organisationsstruktur des IPP wurde allerdings schon bei seiner Gründung im Jahr 1960 heiß diskutiert – denn von Anfang an war klar, dass die Fusionsforschung am IPP den Bedarf von Großforschung haben würde. 1960 wurde es deshalb als Institut für Plasmaphysik GmbH in der Max-Planck-Gesellschaft gegründet, aber mit eigener Rechtsform. Treibende Kraft war Werner Heisenberg, Physik-Nobelpreisträger und Direktor des Max-Planck-Instituts für Physik und Astrophysik. Er trat persönlich als einer der beiden Gesellschafter auf, die für den Eintrag der GmbH ins Handelsregister notwendig waren und zahlte aus eigener Tasche 3.000 DM in deren Gründungskapital ein. Den größeren Anteil von 20.000 DM übernahm die Max-Planck-Gesellschaft als zweiter Gesellschafter.

Ein Blick in die Geschichte des Instituts ist nicht nur ein Exempel für die Entwicklung hochspezialisierter Großgerätetechnik, sondern zeigt auch, wie Big Science in die Wissenschaftskultur der Bundesrepublik und der Max-Planck-Gesellschaft einzog und diese veränderte. Zu ihren Kennzeichen gehören teambasierte Arbeitsstrukturen ebenso, wie kreative administrative Lösungen, um umfassende Kooperationen zwischen einer Vielzahl unterschiedlichster Einrichtungen und - über nationale Grenzen hinweg - politischer Systeme zu ermöglichen.

Ein Richtungsentscheid: der Einstieg in die Großforschung

Für die Max-Planck-Gesellschaft, die sich 1948 aus den Trümmern der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft neu konstituiert und von dieser ihre leitenden Prinzipien übernommen hatte, war die Großforschung weitgehend unbekanntes Terrain. Denn bis dahin hatte sie gemäß des Harnack-Prinzips kleinere, hierarchisch organisierte Institute errichtet. Die Pflege internationaler Kooperationen übernahmen die Forschenden zumeist selbst. Entsprechend stieß Heisenbergs Idee, ein im Vergleich zu allem bisher Dagewesenen ungleich kosten- und geräteintensiveres Institut für Fusionsforschung zu gründen, innerhalb der Max-Planck-Gesellschaft nicht nur auf Gegenliebe.  

Heisenberg hatte seit 1942 das Kaiser-Wilhelm-Institut für Physik geleitet und als Zentrum der deutschen Atomforschung profiliert. Er überführte sein Institut ab 1948 nahtlos in die Max-Planck-Gesellschaft und verlagerte es 1958 nach München. In dieser Zeit war klar, dass Deutschland auf dem Gebiet der Atomforschung im Rückstand lag – auch wegen des bis 1955 geltenden Forschungsverbots der Alliierten. Zugleich gab es ein massives politisches Interesse an dieser Forschung, was 1955 zur Gründung des Bundesministeriums für Atomfragen mit Franz Josef Strauß an der Spitze führte. Während die Adenauer-Regierung sowohl die wirtschaftliche als auch die militärische Nutzung der Kernenergie verfolgte, ging es den Wissenschaftlern um Grundlagenforschung und die Nutzbarmachung der Kernkraft als Energiequelle durch neuartige Kraftwerke.

Neue Wege – die Fusionsforschung

Der umtriebige Heisenberg bewies sich in dieser Zeit als einflussreicher Impulsgeber einer deutschen Atomforschungsstrategie. Er wirkte auch auf Minister Strauß ein, die neue Fusionsforschung zu fördern, denn – so Heisenberg brieflich an Strauß (10.10.1956) - „das experimentelle und theoretische Studium der genannten Vorgänge ist überall noch sehr jung, so daß wir uns von Deutschland aus noch mit einer vernünftigen Aussicht auf Erfolg in die internationale Konkurrenz einschalten können.“[1] Sein eigenes Institut wurde zu einer Keimzelle, als die Arbeitsgruppe Plasmaphysik 1956 dort ihre Arbeit aufnahm.

Nachdem der Löwenanteil der Finanzierung des neuen IPP durch die Europäische Atomgemeinschaft EURATOM gesichert war, begann die Forschungsarbeit. Sie war zunächst theoretisch und experimentell  breit angelegt. Von Anfang an essentiell war die Entwicklung verschiedener Anlagetypen zur Erzeugung von Plasma. Bereits 1960 ging die kleine Stellarator-Anlage Wendelstein 1-A in Betrieb – das war der Beginn der Entwicklungsreihe für die heute am Institutsstandort Greifswald betriebenen Wendelstein-Versuchsanlage.

1970 kam mit Pulsator als erster Tokamak-Anlage ein neuer Typ hinzu, der 1980 in die Asdex-Technologie mündete. In dieser Zeit spielte das Institut bereits eine wichtige Rolle im weltweit umspannenden Kooperationsnetzwerk der internationalen Fusionsforschung. Als Asdex Upgrade 1991 in Garching in Betrieb ging, gab das Institut den Vorläufer an das South-Western Institute for Plasma Physics in Chengdu weiter, was China half, seine Aktivitäten in der Fusionsforschung zu verstärken.

Zum  1. Januar 2021 ist nun die Rück-Integration des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik in die Max-Planck-Gesellschaft unter Dach und Fach. Der Senat hat in seiner Sitzung dem Wirtschaftsplan des IPP zugestimmt. Kurz zuvor hatte auch die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz  (GWK) der haushaltsrechtlichen Integration des IPP zugestimmt. Die Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren (HGF) und die Max-Planck-Gesellschaft hatten sich zuvor auf eine Fortsetzung der engen wissenschaftlichen Kooperation und eine Beendigung der Assoziierung des IPP mit der HGF verständigt. Eine gute Basis für Big Science und ein weiteres Kapitel in der erfolgreichen Geschichte des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik in Garching.

 


[1]  Zitiert bei Jaromir Balcar; Wandel durch Wachstum in „dynamischen Zeiten“. Die MPG 1955-1972. Preprint 14 gmpg (2020). S. 112.

 

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