Plädoyer für eine faktenbasierte Migrationspolitik

Ein Forschungsprojekt zeigt Wege auf, wie sich künftige Herausforderungen der Zuwanderung bewältigen lassen

Fünf Jahre nach dem „langen Sommer der Migration“ im Jahr 2015 hat die Wissenschaftsinitiative „Herausforderungen der Migration, Integration und Exklusion” (WiMi) der Max-Planck-Gesellschaft den Forschungsbericht „Wir haben das geschafft – und uns verändert“ vorgelegt. Darin ziehen die Forscherinnen und Forscher eine erste Bilanz der Ereignisse und leiten aus den gewonnenen Erkenntnissen acht Empfehlungen ab, die sie in einem Positionspapier zusammengefasst haben.

Angesichts der anstehenden globalen Herausforderungen, die der Klimawandel, die Globalisierung und der demographische Wandel mit sich bringen, sei es nicht nur bedauerlich, sondern auch gefährlich, dass sich die aktuelle Migrationsdiskussion im Wesentlichen um einen sehr kleinen Teil des Migrationsgeschehens dreht, nämlich die irreguläre Migration und den Asylbereich, heißt es in dem Papier, mit dem sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an die Politik wenden: „Der Fokus auf diesen Bereich verdeckt den Blick auf die größeren Zusammenhänge und die zukünftigen globalen Herausforderungen.“

Eine zentrale Forderung ist daher, wissenschaftliche Erkenntnisse aus unterschiedlichen Disziplinen gemeinsam mit Daten und Fakten über Migration zu bündeln und zur Basis eines lösungsorientierten politischen Handelns zu machen. „So ließe sich Politik gestalten, statt sie im Krisenmodus kleinteilig zu verwalten und zu fragmentieren“, schreiben die Forschenden. Für Deutschland empfehlen sie die Stärkung und den Ausbau von Strukturen, die auf Bundesebene in einem längerfristig angelegten Austausch mit Politik und Zivilgesellschaft stehen.

Zudem sehen sie es als essentiell an, den zersplitterten nationalen Rechtsrahmen in Deutschland umfassend neu zu sortieren, zu gestalten und zu vereinfachen. Die praktischen Fragen ließen sich nach den Erkenntnissen der WiMi-Initiative am besten auf lokaler Ebene lösen. Daher sei es wichtig, Migrationsentscheidungen in Abstimmung mit Akteurinnen und Akteuren vor Ort sowie den betroffenen Personen zu treffen. Ziel müsse sein, den Entscheidungsprozess transparent, gerecht und zielorientiert zu gestalten.

Migration lasse sich jedoch nicht auf nationaler Ebene allein regeln. Im Gegenteil, Migrationspolitik sei notwendigerweise partnerschaftlich und auf Kooperation mit anderen Staaten ausgerichtet, betonen die Forschenden. Besonders wichtig sei es daher, die Blockade auf der europäischen Ebene zu überwinden. „Der Streit um die Migration gefährdet nicht nur die europäische Einigkeit in diesem Feld, sondern die gesamte europäische Zusammenarbeit und den Schengen-Raum“, so die Mahnung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Sie fordern darüber hinaus die EU auf, ihre Asylpolitik im Einklang mit den Menschenrechten zu gestalten. Es sei eine Frage der Glaubwürdigkeit, die Migrationspolitik im Einklang mit den europäischen Werten zu gestalten und damit den Anspruch einzulösen, ein liberales Gegenmodell zu autoritären und menschenverachtenden Politiken anderswo zu bieten.

Die Wissenschaftsinitiative Migration wurde auf Anregung von Max-Planck-Präsident Martin Stratmann im Jahr 2016 ins Leben gerufen. Die Forschungsarbeiten sind interdisziplinär angelegt und bringen Perspektiven aus Anthropologie, Politikwissenschaft und Soziologie sowie aus den Rechtswissenschaften, der Demographie und den Geschichtswissenschaften zusammen. Insgesamt 34 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus sechs Max-Planck-Instituten sind an der Initiative beteiligt.

MEZ

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