Friedrich Bonhoeffer erhält Gruber-Preis für Neurowissenschaften 2020
Auszeichnung würdigt bahnbrechende Forschung über Mechanismen, die der Entwicklung neuronaler Schaltkreise im Gehirn zugrunde liegen
![Friedrich Bonhoeffer](/14946375/original-1591958726.jpg?t=eyJ3aWR0aCI6MjQ2LCJvYmpfaWQiOjE0OTQ2Mzc1fQ%3D%3D--41507ffc116fa1f25bfb3816f3ae7958f6eac300)
Friedrich Bonhoeffer entwickelte seiner Zeit völlig neuartige in-vitro Systeme, mit denen er molekulare Mechanismen entschlüsseln konnte, die für ein geordnetes Wachstum der Nervenverbindungen zwischen dem Auge und dem optischen Tectum, einem der wichtigsten visuellen Areale im Gehirn, verantwortlich sind. Diese Verbindungen entstehen durch Axone, die signalleitenden Strukturen zwischen Nervenzellen. Bonhoeffer zeigte, dass im sich entwickelnden Gehirn die Bildung der korrekten Verbindungen nicht nur durch anziehende, sondern – unerwarteter Weise – auch durch abstoßende molekulare Signale zwischen den Axonen und den Zielzellen vermittelt wird. Diese Entdeckungen waren bahnbrechend, denn sie bewiesen erstmals experimentell, dass geordnete Verbindungen im Nervensystem durch chemische Moleküle in Form von Gradienten organisiert werden. Genau dies hatte Nobelpreisträger Roger Sperry in seinen theoretischen Arbeiten in den 1960er Jahren gefordert.
Corey Goodman leistete Pionierarbeit bei der Identifizierung von Signalstofffamilien die für die Wegfindung der Axone im Nervensystem essentiell sind, sowie der entsprechenden Rezeptoren und Wachstumsregulatoren. Marc Tessier-Lavigne entdeckte weitere bedeutende molekulare Mechanismen die die korrekte Verknüpfung von Nervenzellen gewährleisten und entschlüsselte das Zusammenspiel all dieser Mechanismen.
„Zusammengenommen sind die Entdeckungen dieser drei Wissenschaftler eine der größten Erfolgsgeschichten bei der Entschlüsselung der Entwicklung des Nervensystems“, so Joshua Sanes Harvard Professor und Mitglied des Auswahlkomitees.
Friedrich Bonhoeffer studierte Physik und promovierte 1958 in Göttingen in Kernphysik. An der Universität von Kalifornien, Berkeley, arbeitete er als Postdoktorand und beschäftigte sich mit der physikalischen Chemie von Makromolekülen. Ab 1961 arbeitete er in Tübingen am ehemaligen Max-Planck-Institut für Virusforschung und war dort auch Gruppenleiter am Friedrich-Miescher-Laboratorium. Im Jahr 1972 wurde er Direktor der Abteilung Physikalische Biologie am Max-Planck-Institut für Virusforschung (später Entwicklungsbiologie)
Im Jahr 2007 erhielt Friedrich Bonhoeffer den Ralph-W.-Gerard-Preis und 1996 den Ipsen Neuronal Plasticity Prize (ebenfalls zusammen mit Goodman und Tessier-Lavigne). Er ist seit 1994 Mitglied der Leopoldina.
Das Internationale Preisprogramm der Peter and Patricia Gruber Stiftung ehrt herausragende Wissenschaftler aus den Bereichen Kosmologie, Genetik und Neurowissenschaften, die mit ihren wegweisenden Arbeiten zu einem grundlegenden Fortschritt in der Wissenschaft beigetragen haben. Preisträger werden durch den neurowissenschaftlichen Auswahlbeirat ausgewählt. Das Komitee konzentriert sich dabei auf Persönlichkeiten, deren Beiträge in ihrem jeweiligen Fachgebiet unser Wissen grundlegend erweitert haben und das Potential haben unser Leben fundamental zu verändern.
Die Gruber-Stiftung wurde 1993 von Peter Gruber und seiner Frau Patricia Gruber gegründet. Die Stiftung begann ihr internationales Preisprogramm im Jahr 2000.