Bakterien hinterlassen Signatur in Darmkrebszellen

Wissenschaftler identifizieren Mutationen im Genom, die durch das Darmbakterium Escherichia coli hervorgerufen werden

1. Juni 2020
Manche Bakterien verursachen Schäden im Erbgut infizierter Zellen, die zu Krebs führen könnten. Dass die Mikroben aber tatsächlich die Ursache einer Krebserkrankung sind, ist schwer nachzuweisen, da Krebs oft erst Jahre später ausbricht. Forschende suchen daher nach einer Signatur, die Bakterien im Erbgut infizierter Zellen hinterlassen und die sie auch in den späteren Krebszellen nachweisen können. Forschende unter der Leitung von Thomas F. Meyer vom Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin haben nun zusammen mit Kollegen aus Helsinki, Stockholm und Barcelona einen solchen genetischen Fußabdruck identifiziert. Sie liefern damit erstmals einen direkten Beleg dafür, dass ein Bakterium Krebs auslösen kann.

Escherichia coli ruft mit seinem Toxin „Colibactin“ Schäden an der DNA hervor. Die Forscher haben deshalb nach Brüchen im DNA-Doppelstrang gesucht, die nach der Infektion menschlicher Zellen mit Colibactin-positiven E. coli-Bakterien entstehen. Sie haben dabei in einem Abschnitt extremer struktureller Merkmale gehäuft Brüche entdeckt.

Eine Computermodellierung ergab, dass der Abschnitt in einem besonders schmalen Rillenbereich in der DNA liegt, an den normalerweise kaum Proteine binden. Dieses Motiv enthält viele Adenin:Thymidin-Basenpaare, an die Colibactin gut binden kann. Dementsprechend reagiert Colibactin mit zwei Adeninen auf gegenüberliegenden Strängen der DNA und verknüpft die beiden DNA-Stränge in einem diagonalen Abstand von drei Nukleotiden.

Häufige Mutation

Die Forschenden haben entdeckt, dass diese Mutation bei bestimmten Darmkrebsformen besonders häufig auftritt. Die Position, an der Colibactin den Schaden an der DNA verursacht, entspricht zudem genau der Stelle, an der auch in den Krebszellen Mutationen auftreten. Offensichtlich machen die Zellen bei der Reparatur der betroffenen DNA gelegentlich Fehler und bauen einen falschen Buchstaben in den genetischen Code ein. So wird vermehrt eine Guanin- oder eine Cytosin-Base in die jeweiligen DNA-Stränge eingebaut.

Forscher hatten kürzlich in einer anderen Studie genau diese Mutationssignatur in scheinbar gesundem Darmgewebe festgestellt. „Zusammen mit diesen Befunden deuten unsere Daten darauf hin, dass die von Colibactin stammenden Mutationen bereits früh im Leben erworben werden", sagt Hilmar Berger als Bioinformatiker des Max-Planck-Teams. „Vielleicht besteht eine besonders sensible Phase in der Kindheit oder frühen Jugend“, fügt Paulina Dziubanska-Kusibab hinzu.

Mutationen in Tumorsuppressor-Gen

Die Wissenschaftler haben auch untersucht, ob die durch Colibactin verursachten Mutationen einen Einfluss auf die Karzinogenese haben. Beim Dickdarmkrebs treten in der Regel zuerst Mutationen im Tumorsuppressor-Gen APC auf. Die Zellen werden dadurch von bestimmten Wachstumsfaktoren unabhängig. Tatsächlich stellte das Max-Planck-Team fest, dass von allen mutierten Genen mit einer Colibactin-Signatur das APC-Gen besonders häufig betroffen ist. „Dies untermauert unsere Annahme, dass Colibactin eine Ursache von Dickdarmkrebs ist. Wir müssen nun weitere Informationen über die Bedingungen in Erfahrung bringen, unter denen Colibactin-bildende Bakterien Mutationen verursachen und ob vielleicht nur bestimmte Personen und Altersgruppen empfänglich sind", sagt Meyer. "Jedenfalls sollte man angesichts unserer Ergebnisse künftig genau abwägen, ob der zurzeit noch gängige Einsatz von Colibactin-produzierenden E. coli-Bakterien als Probiotikum vertretbar ist.“

Auch andere Bakterien können Colibactin, sowie andere Genotoxine mit potentiell krebsfördernden Eigenschaften bilden. Die Wechselwirkung zwischen den Toxinen der Bakterien und den Epithelzellen und ihre Rolle bei der Krebsentstehung soll deshalb nun weiter erforscht werden.

Die Studie, die ursprünglich im Oktober letzten Jahres im Preprint-Repository von bioRxiv vorgestellt und jetzt in Nature Medicine veröffentlicht wurde, wurde in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Universität Helsinki, des Karolinska-Instituts Stockholm und des Instituts für Forschung in der Biomedizin Barcelona durchgeführt.

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