Ursache für Antriebslosigkeit bei Depression entdeckt
Mangelnde Aktivierung des Locus Coeruleus im Gehirn hemmt den inneren Antrieb
Forschende des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie in München haben herausgefunden, dass die Erweiterung der Pupille als Reaktion auf eine erwartete Belohnung davon abhängt, ob ein Mensch Freude empfinden kann. Dies weist daraufhin, dass eine zu geringe Aktivität des Locus Coeruleus im Gehirn maßgeblich für die Antriebslosigkeit von Menschen mit Depression verantwortlich ist.
Forschende des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie haben die Pupillenreaktion von Teilnehmerinnen und Teilnehmern gemessen, während diese eine Aufgabe lösen sollten. Bei gesunden Menschen erweiterten sich die Pupillen bei der Erwartung auf eine Belohnung während der Aufgabe, wohingegen diese Reaktion bei Personen mit Depressionen weniger ausgeprägt war: „Besonders deutlich war die geringere Pupillenreaktion bei Patienten und Patientinnen, die keine Freude mehr empfinden konnten und von einem Mangel an Energie berichteten“, so Andy Brendler, Erstautor der Studie.
Antriebslosigkeit ist eines der meist beobachteten Symptome der Depression. „Diese Erkenntnis hilft uns, die physiologischen Mechanismen, die hinter Antriebslosigkeit stecken, besser zu verstehen", erklärt Forschungsgruppenleiter Victor Spoormaker. Die Pupillenreaktion ist unter anderem ein Marker für die Aktivität im Locus Coeruleus, einer Gehirnstruktur mit der größten Ansammlung noradrenerger Neuronen im zentralen Nervensystem.
Zu geringe Aktivität des Locus Coeruleus
Noradrenerge Nervenzellen reagieren auf den Neurotransmitter Noradrenalin. Der ist ein wichtiger Bestandteil der Stressreaktion sowie der Hochregulierung der Aktivierung des Nervensystems. „Die geringere Pupillenreaktion bei Menschen, die unter höherer Antriebslosigkeit leiden, weist darauf hin, dass eine mangelnde Aktivierung des Locus Coeruleus einen entscheidenden physiologischen Prozess darstellt, der dem Gefühl der Antriebslosigkeit unterliegt", so Spoormaker.
Die Pupillenreaktion war umso schwächer, je mehr depressive Symptome die Teilnehmenden zeigten. Diesen Zusammenhang hatten die Forschenden schon in einer früheren Studie gefunden. Die Reproduzierbarkeit neuropsychiatrischer Methoden ist eher die Ausnahme und zeigt die Zuverlässigkeit von Pupillometrie-Messungen.
Die Pupillometrie könnte als ergänzende Methode zur Diagnosestellung eingesetzt werden. Sie könnte auch dazu beitragen, individualisierte Behandlungsstrategien für Depression zu entwickeln. Wenn beispielsweise ein/e PatientIn starke Beeinträchtigungen in der Pupillenreaktion zeigt, könnten Antidepressiva, die auf das noradrenerge System wirken, effektiver als andere Medikamente sein. Auch könnte die Medikamentendosierung anhand der Pupillenreaktion optimiert werden. Etwa 30 Prozent aller depressiven PatientInnen sprechen auf eine medikamentöse Behandlung nicht an. Ein verbessertes Verständnis der physiologischen Mechanismen der Depression und eine entsprechende Weiterentwicklung von Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten ist daher dringend erforderlich.