Quantenkommunikation: Aus Eins mach' Zwei

Ein Elektron erzeugt beim quantenmechanischen Tunneleffekt viel häufiger zwei Photonen, als theoretisch vorhergesagt

14. Mai 2019

Quantenphysik könnte künftig zum Garanten einer sicheren Informationstechnologie werden. Denn in Form von einzelnen Lichtteilchen, so genannten Photonen, lassen sich Daten abhörsicher übertragen. Eine Entdeckung von Physikern des Max-Planck-Instituts für Festkörperforschung könnte hierfür sehr nützlich sein. Die Forscher sind per Zufall auf eine Lichtquelle gestoßen, die aus der Energie eines Elektrons ein Photonenpaar erzeugt. Das eine Lichtteilchen könnte dabei als Träger der fragilen Quanteninformation dienen, das andere als Bote, der das Geschwisterteilchen ankündigt.

Was beim Kochen geht, ist in der Quantenkommunikation nicht möglich: Wer wissen möchte, ob alle Zutaten für ein Rezept vorhanden sind, schaut einfach in den Küchenschrank. Mehl wird schließlich nicht schlecht, sobald man es einmal schief anguckt. Wer wissen will, ob eine Anleitung zur Übertragung von Quanteninformation wie geplant funktioniert, hat es da deutlich schwerer. Denn Quantenobjekte verändern ihren Zustand, wenn sie beobachtet, also vermessen werden. In der Quantenkommunikation erschwert das die Kontrolle der Information, die mit Photonen übermittelt wird. Die ist aber dringend nötig. Denn zum einen kann jeder Kontakt mit der Umgebung die mit Photonen transportierte Quanteninformation zerstören, und zum andern erzeugen Quellen einzelner Lichtteilchen diese oft nur sehr unregelmäßig. Wie kann man also mit Gewissheit sagen, wann ein Photon gerade unterwegs ist—ohne es zu messen? Paare von Photonen können dieses Problem lösen: Ein Photon kann dann als Botschafter für das Geschwisterteilchen dienen.

Eine unerwartete Quelle für Photonenpaare

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Festkörperforschung haben nun eine unerwartete Quelle für solche Photonenpaare entdeckt: ein Rastertunnelmikroskop. Mit diesem Instrument untersuchen Forscher normalerweise Oberflächen leitender oder halbleitender Materialien. Das Prinzip eines solchen Mikroskops basiert auf dem quantenmechanischen Tunneleffekt. Elektronen können dabei eine Barriere, die sie der klassischen Physik zufolge nicht überwinden können, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit durchqueren. In einem Rastertunnelmikroskop tunneln Elektronen beim Anlegen einer Spannung von einer metallischen Spitze über eine geringe Distanz zu einer Probe. Wenn ein Elektron bei diesem Tunnelvorgang Energie verliert, entsteht Licht.

Genau dieses Licht erforschen die Stuttgarter Physiker seit einigen Jahren. Dabei machten sie nun eine überraschende Beobachtung: Beim Tunneln entstehen neben einzelnen Lichtteilchen auch Photonenpaare, und zwar 10.000 Mal häufiger, als die Theorie vorhersagt. „Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Photonenpaar entsteht, ist der Theorie nach so gering, dass man dies normalerweise nicht beobachten sollte“, erläutert der Wissenschaftler Christopher Leon . „Aber unser Experiment zeigt, dass Photonenpaare mit einer viel höheren Rate produziert werden. Das war eine große Überraschung für uns.“

Gemessen haben die Physiker die Photonenpaare mithilfe zweier Detektoren, mit denen sie den zeitlichen Abstand zwischen den eintreffenden Photonen bestimmten. „Beide Photonen eines Paars entstehen im Tunnelkontakt innerhalb von weniger als 50 Billionsteln einer Sekunde“, erklärt der leitende Wissenschaftler Klaus Kuhnke. Ob die Photonen gleichzeitig oder kurz hintereinander produziert werden, lässt sich bislang aber noch nicht sagen. Dafür reicht die Auflösung der Detektoren noch nicht aus.

Neue Anwendungen für Tunnelkontakte

Mit den Erkenntnissen ergeben sich für Tunnelkontakte neue Anwendungen in der Photonik und in der Quantenkommunikation. Zwar gibt es bereits Verfahren, mit denen sich Photonenpaare produzieren lassen, aber die meisten erzeugen die Paare aus intensivem Laserlicht. Die Methode der Stuttgarter Max-Planck-Wissenschaftler funktioniert hingegen rein elektronisch.

Noch dazu sind die benötigten Komponenten sehr klein, und der Prozess findet in der Größenordnung von Atomen statt. Die neue Lichtquelle könnte damit auch Verwendung in zukünftigen Generationen von Computerchips finden, bei der Teile der elektronischen Komponenten durch optische ersetzt werden sollen. Das wäre nützlich, weil Photonen unter anderem schnelle und verlustfreie Übertragungen von Daten versprechen. Im Experiment der Stuttgarter Forscher waren die Photonenpaare sehr schnell, allerdings könnten das Ultrahochvakuum sowie die sehr tiefen Temperaturen, unter denen die Versuche derzeit noch stattfinden, für die Praxis zur Herausforderung werden.

Im nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler nun herausfinden, ob die Messung des einen Photons direkt den Zustand des anderen beeinflusst. Dann wären die Lichtteilchen verschränkt. Solche „verschränkten“ Teilchen spielen eine große Rolle in der Quantenkryptographie. Die Ergebnisse werfen außerdem fundamentale Fragen darüber auf, wie Photonenpaare entstehen. Denn bislang wurde dieser Vorgang von der Theorie regelrecht übersehen. „Dass Photonenpaare entstehen, bedeutet, es muss ein komplizierter Prozess stattfinden,“ sagt der Theoretiker Olle Gunnarsson.  Das findet auch Klaus Kern, Direktor des Max-Planck-Instituts für Festkörperforschung, spannend: „Das ist aufregend, weil es eine neue Sichtweise auf die Produktion von Licht bietet.“

NB

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