Gehirnzellen bilden Entwicklungsstörung im Labor nach

Gehirnähnliche Zellkulturen liefern Forschern neue Therapieansätze

12. März 2019

Heterotopie ist eine Erbkrankheit, bei der die Wanderung von Neuronen während der Gehirnentwicklung gestört ist. Dadurch ist die äußerste Schicht des Gehirns, der Kortex, deformiert. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie (MPI) konnten im Labor diese Entwicklungsstörung nachbilden, die zu geistiger Behinderung und Epilepsie führen kann. Sie verwendeten dazu sogenannte Gehirn-Organoide, bei denen sich menschliche Zellen in der Petrischale zu hirnähnlichen Strukturen formieren. Sie beobachteten, dass sich die in den Organoiden enthaltenen Zellen von Patienten in Aussehen und Wanderverhalten von denen Gesunder unterschieden. Insbesondere haben die Forscher einen kompletten Satz molekularer Signaturen entdeckt, der für die krankhaft veränderten Zellen spezifisch ist. Dadurch erhielten sie wertvolle Ansätze und Ideen für Therapiemöglichkeiten. Die Ergebnisse der Studie wurden kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift Nature Medicine veröffentlicht.

Die Forschungsgruppe von Silvia Cappello am Max-Planck-Institut setzte in enger Zusammenarbeit mit anderen Forschern, vor allem mit dem Labor von Barbara Treutlein am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, Gehirn-Organoide ein, um entwicklungsbedingte Fehlfunktionen des Gehirns nachzubilden. Diese Modelle für Gehirnentwicklung haben die Neurowissenschaften revolutioniert, da sie sehr realitätsnah nachstellen, wie sich Neuronen entwickeln. Während der Reifung des menschlichen Gehirns wachsen und verbinden sich neue Zellen in einer ganz bestimmten Reihenfolge.

Die Gehirn-Organoide dieser Studie wurden aus Hautzellen von Patienten entwickelt. Forschungsleiterin Silvia Cappello erklärt: „Wir haben die Hautzellen in induzierte pluripotente Stammzellen umprogrammiert. Mit diesen Stammzellen können wir Hirnzellen erzeugen, die sich zu vielen verschiedenen Typen entwickeln können.“ Diese Zellen verhalten sich wie im menschlichen Gehirn. Die unterschiedlichen Typen und ihre Wechselwirkungen können dann unter dem Mikroskop genau untersucht werden. Cappello fügt hinzu: „Gehirn-Organoide geben uns ein viel genaueres Bild davon, wie Hirnzellen funktionieren als herkömmliche Zellkulturen. Sie dienen uns dadurch als vereinfachtes Modell für neurologische Erkrankungen beim Menschen.“

Grenzen von Tierversuchen

Wertvolle Einblicke in die Funktionsweise des Gehirns erhalten Wissenschaftler in der Regel durch ihre Arbeit mit Tiermodellen. Mit Tierversuchen stoßen sie jedoch an ihre Grenzen, da die Gehirne von Tieren einen Entwicklungsprozess durchlaufen, der sich von dem des Menschen grundlegend unterscheidet. Untersuchungen am menschlichen Gehirn sind naturgemäß schwierig; dafür ist man auf Organspenden und Zellkulturverfahren angewiesen. Das macht den Bedarf nach neuen Verfahren zur Abbildung von Erkrankungen beim Menschen groß.  

Die Entwicklung des menschlichen Gehirns in vitro nachzubilden, birgt deshalb enormes Potenzial, um aus Forschungsergebnissen Therapien zu entwickeln. Da ein Gehirn-Organoid aus den Zellen eines einzelnen Menschen entsteht, können Wissenschaftler genau erforschen, was bei genau diesem Patienten im Gehirn passiert. Auf diese Weise haben Gehirn-Organoide Forschern bereits geholfen, das Zikavirus oder die Alzheimer-Krankheit und Autismus besser zu verstehen.

Cappello stellt abschließend fest: “Gehirn-Organoide sind sehr vielversprechend für die Entwicklung neuer Behandlungsmethoden und ihre Validierung ist ein extrem wichtiger Schritt hin zum Verständnis von Entwicklungsstörungen und neurologischen Störungen.“

jk/as/sc

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