Gedächtniswellen im Vogelhirn
Vögel speichern Erinnerungen möglicherweise anders ab als Säugetiere
Vögel haben ein gutes Gedächtnis, aber im Gegensatz zu Säugetieren ist bisher noch kaum etwas darüber bekannt, wie sie Erlerntes während des Schlafes im Gedächtnis festigen. Forscher des Max-Planck-Instituts für Ornithologie in Seewiesen und der Utrecht Universität in den Niederlanden haben im Gehirn von schlafenden Tauben langsame Wellen gemessen ähnlich derer, wie sie auch bei Säugetieren vorkommen. Sie haben jedoch keine weiteren Gehirnrhythmen entdeckt, die für die Gedächtniskonsolidierung von Säugern wichtig sind. Die Wissenschaftler vermuten daher, dass bei Vögeln Erinnerungen in anderer Art und Weise verarbeitet werden als bei Säugetieren.
Vögel und Säugetiere schlafen sehr ähnlich mit zwei verschiedenen Arten von Schlafphasen. Während des REM-Schlafes (engl.: Rapid-Eye-Movement) zuckt das Auge, die Muskeln entspannen, und das Gehirn ist aktiv, aber das Tier reagiert nicht auf seine Außenwelt. Während des sogenannten Slow-wave-Schlafs, auch bekannt als Non-REM Schlaf, können langsam schwingende Wellen an Aktivität gemessen werden. Bei Säugetieren ist das die Schlafphase, in der Erinnerungen gefestigt werden. Dabei arbeitet eine Kombination aus drei Gehirnrhythmen im Hippocampus und der Großhirnrinde zusammen. So werden nach und nach Informationen aus dem Kurzzeitgedächtnis im Hippocampus ins Langzeitgedächtnis der Großhirnrinde überführt.
Zu den drei Gehirnrhythmen zählen neben den langsamen Wellen in der Großhirnrinde sogenannte „Thalamokortikale Spindeln“ und „spitze Wellen“ (egl.: sharp-wave ripples) im Hippocampus. “Bei Vögeln hat man bisher nur die langsamen Wellen gemessen, durch Elektroenzephalogramme von der Oberfläche des Gehirns”, sagt Jacqueline van der Meij, Erstautorin der Studie. “Da Vögel aber ein gutes Langzeitgedächtnis besitzen, haben wir uns gefragt, ob in den tieferen Gehirnschichten nicht auch Spindeln vorkommen.”
Die Wissenschaftler haben von schlafenden Tauben die Gehirnaktivität im Hyperpallium gemessen – eine Gehirnregion, die bei den Säugern der Großhirnrinde entspricht. Sie fanden jedoch in der Non-REM-Schlafphase der Tauben nur die bereits bekannten langsamen Wellen. Interessanterweise beginnt die langsam oszillierende Welle wie bei Säugetieren auch in spezifischen Regionen des Hyperpallium und breitet sich wellenförmig durch verschiedene Gehirnschichten aus. Spindeln oder spitze Wellen konnten die Wissenschaftler jedoch nicht finden.
“Wahrscheinlich lagern Vögel ihre Erinnerungen im Hippocampus anders ein als Säugetiere”, sagt Niels Rattenborg, der die Studie geleitet hat. “Bei Säugern werden Erinnerungen, die zunächst im Hippocampus gespeichert sind, nach und nach in die Großhirnrinde ins Langzeitgedächtnis transportiert. Es sieht so aus, als ob sie bei Vögeln den Hippocampus nicht verlassen.“ Es könnte daher sein, dass Vögel die Spindeln gar nicht brauchen. “Unsere Ergebnisse lassen vermuten, dass die langsam oszillierenden Wellen, die schlafende Vögel und Säugetiere gemeinsam haben, an Prozessen beteiligt sind, die über den Transport von Erinnerungen zwischen den Gedächtnissen herausgehen“, fasst Jacqueline van der Meij zusammen.