Eine vorindustrielle Quelle für Treibhausgas
Der Aufstieg von Tiefenwasser im Südpolarmeer könnte den CO2-Anstieg in der Atmosphäre während des Holozän erklären
Was nun immer mehr zu einer Bedrohung für Mensch und Umwelt wird, hat die menschliche Zivilisation in der Vergangenheit wahrscheinlich erst möglich gemacht. Denn schon vor dem massiven Anstieg des atmosphärischen CO2-Gehalts durch menschliche Emissionen, erhöhte sich die CO2-Konzentration in der Atmosphäre leicht. Die Zunahme spielte möglicherweise eine entscheidende Rolle bei der Stabilisierung des Klimas im Holozän und damit auch für die Entwicklung der menschlichen Zivilisation. Woher das Treibhausgas kam, hat nun ein internationales Team unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für Chemie und der Universität Princeton untersucht. Demnach könnte das CO2 in die Atmosphäre gelangt sein, weil im Südpolarmeer mehr Tiefenwasser aufstieg.
Die menschliche Zivilisation wäre ohne Hilfe des Klimas wahrscheinlich nicht da, wo sie heute steht: Seit dem Ende der letzten Eiszeit vor circa 11 000 Jahren hat sie sich rasant entwickelt und ausgebreitet. Das dürfte nicht zuletzt deshalb möglich gewesen sein, weil dieses Zeitalter, auch Holozän genannt, einer der seltenen warmen Zeitabschnitte der letzten Millionen Jahre war. Das Klima während des Holozän war ungewöhnlich stabil – ohne die für andere Warmzeiten typische größere Abkühlung.
Im Gegensatz zu anderen Warmzeiten, in denen die CO2-Konzentrationen stabil blieben oder gar abnahmen, stieg der CO2-Gehalt der Atmosphäre im Holozän um etwa 20 parts per million (ppm) an – von 260 ppm im frühen auf 280 ppm im späten Holozän. Zum Vergleich: Seit Beginn der Industrialisierung vor etwa 150 Jahren ist die CO2-Konzentration in der Atmosphäre als Folge der Verbrennung fossiler Brennstoffe von 280 auf mehr als 400 ppm angestiegen. In diesem Zusammenhang mag der Anstieg von 20 ppm im Holozän klein erscheinen. Wissenschaftler glauben jedoch, dass er eine Schlüsselrolle spielte, um eine Abkühlung zu verhindern und somit die Entwicklung komplexer menschlicher Kulturen zu erleichtern.
Fossilienproben verrieten Nährstoffkonzentrationen der letzten 10 000 Jahre
Wie ein Team von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Chemie und der Princeton University nun herausgefunden hat, könnte die CO2-Konzentration in der Atmosphäre während des Holozän angestiegen sein, weil große Mengen nährstoff- und CO2-reichen Wassers aus dem tiefen Ozean an die Oberfläche des Südpolarmeeres aufstiegen und das Treibhausgas in die Luft entwich.
Zu diesem Ergebnis gelangten die Forscher, indem sie Fossilienproben aus verschiedenen Regionen des Südpolarmeers untersuchten. Dabei analysierten sie das Verhältnis von Stickstoffisotopen organischer Spurenstoffe in den Schalen von Kieselalgen und Foraminiferen sowie von Tiefseekorallen. Aus diesen Daten rekonstruierten die Wissenschaftler, wie sich die Nährstoffkonzentrationen in den Oberflächengewässern des Südpolarmeers während der letzten 10 000 Jahren entwickelten. „Die Methode, mit der wir die Fossilien analysiert haben, ist einzigartig und bietet eine neue Möglichkeit, vergangene Veränderungen in den Ozeanen zu untersuchen“, sagt Anja Studer, Postdoktorandin am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz und Hauptautorin der Studie.
Die biologische Pumpe wurde im Holozän schwächer
Warum das CO2-reiche Wasser seit der letzten Eiszeit an die Oberfläche transportiert wurde, ist noch unklar. Die Forscher vermuten jedoch, dass die wahrscheinlichste Ursache eine Veränderung der westlichen Winde der südlichen Hemisphäre ist. Diese Bewegung der Luft und damit des Wassers hat sich auf die biologische Pumpe des Ozeans ausgewirkt. Bei diesem Prozess wird der Atmosphäre Kohlendioxid entzogen und im tiefen Ozean gespeichert, weil Phytoplankton das Treibhausgas aufnimmt und nach seinem Tod von der Meeresoberfläche absinkt. Aufgrund des erhöhten Auftriebs im Südpolarmeer wurde diese biologische Pumpe während des Holozän schwächer, wodurch mehr CO2 aus dem tiefen Ozean in die Atmosphäre gelangte.
Die Studienergebnisse können bei Vorhersagen helfen, wie sich der Tiefenwasseraufstieg im Südpolarmeer künftig verändern wird. So ließe sich besser prognostizieren, wie sich der atmosphärische CO2-Gehalt und damit das globale Klima entwickeln wird. Eine Möglichkeit wäre dabei besonders alarmierend: Der Klimawandel durch menschengemachte Treibhausgase könnte den Transport CO2-reichen Wassers an die Meeresoberfläche ankurbeln. Damit würde zusätzliches Treibhausgas in die Atmosphäre gelangen und die Erderwärmung noch verstärken.
NM/PH