Älteste menschliche Genome aus Afrika analysiert

Forschungsteam findet Verbindungen von steinzeitlichen Bewohnern Marokkos in den Nahen Osten und in Gebiete südlich der Sahara

Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung mehrerer Max-Planck-Wissenschaftler hat Genome menschlicher Überreste aus Marokko sequenziert, die rund 15.000 Jahre alt sind. Es handelt sich dabei um die älteste Kern-DNA aus Afrika, die jemals erfolgreich analysiert wurde. Das genetische Erbe der aus der Mittleren Steinzeit Afrikas stammenden Menschen ähnelt teilweise dem der damaligen Bevölkerungsgruppen im Nahen Osten, teilweise gleicht es dem von Menschen, die heute südlich der Sahara leben.

Nordafrika ist eine wichtige Region für die Menschheitsgeschichte. Die geografischen Gegebenheiten in Nordafrika machen das Gebiet besonders interessant, wenn es um die Frage geht, wie sich der moderne Mensch aus Afrika heraus ausbreitete. So bildet die Sahara eine erhebliche Barriere für Menschen, die in nördlichere Regionen ziehen wollen. Ebenso könnte in der Vergangenheit das Mittelmeer ein Hindernis für den Austausch mit anderen menschlichen Gruppen gewesen sein.

Um Licht in diese Vergangenheit zu bringen, untersuchte das internationale Forschungsteam in der Grotte des Pigeons, einer Höhle im Osten Marokkos, eine Grabstätte der Ibéromaurusien-Kultur der späten Steinzeit. Es wird angenommen, dass die Menschen dieser Kultur als erste in dem Gebiet feinere Steinwerkzeuge herstellen. „Die Grotte des Pigeons ist ein wichtiger Ort, um die Menschheitsgeschichte Nordwestafrikas zu verstehen, da diese Höhle während längerer Perioden in der mittleren und späteren Steinzeit intensiv bewohnt war“, erklärt Louise Humphrey vom Naturhistorischen Museum in London, eine der Koordinatorinnen der marokkanischen Ausgrabungsstätte.

Erste afrikanische Kern-DNA aus dem Pleistozän

Das Forschungsteam analysierte mit Hilfe modernster Sequenzierungs- und Analysemethoden die DNA von neun Menschen aus dem Gebiet. Sie konnten mitochondriale DNA-Daten von sieben der Individuen und genomweite Daten der Kern-DNA von fünf der Individuen rekonstruieren. In Anbetracht des Alters der Proben von etwa 15.000 Jahren und der schlechten Erhaltungseigenschaften in dem Gebiet ist das ein beispielloser Erfolg. Das genetische Material gilt als „die älteste DNA von Menschen aus Afrika und die erste aus dem Pleistozän“, erklärt Co-Senior Autor Abdeljalil Bouzougar vom Institut National des Sciences de l’Archéologie et du Patrimoine im marokkanischen Rabat, der auch mit dem Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig verbunden ist.

„Aufgrund der schwierigen Bedingungen für die DNA-Konservierung wurden bislang relativ wenige alte Genome aus Afrika entschlüsselt, und keines davon stammt aus einer Zeit so lange vor der Einführung der Landwirtschaft in Nordafrika“, erklärt Erstautorin Marieke van de Loosdrecht vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena. „Wir konnten die Genome rekonstruieren, indem wir mithilfe spezieller Labormethoden hochgradig degradierte DNA zurück gewinnen konnten und daraus mit relativ neuen Analysemethoden die genetischen Profile der Individuen erstellten.“

Das Erbgut der untersuchten Individuen enthielt dabei zwei wichtige Bestandteile: Etwa zwei Drittel weisen auf eine Verwandtschaft mit damaligen Bewohnern in den östlichen Mittelmeerländern hin und ein Drittel auf eine Verbindung zu Menschen, die heute in Ländern südlich der Sahara leben, wobei die größte Ähnlichkeit mit Ost- und Westafrikanern besteht.

Verbindungen über Kontinente hinweg

Der hohe Anteil an Vorfahren im Nahen Osten zeigt, dass die Verbindung zwischen Nordafrika und dem Nahen Osten viel früher begann, als viele bisher annahmen. Obwohl vorangegangene Untersuchungen für spätere Zeiträume Verbindungen zwischen den beiden Regionen belegt hatten, wurde allgemein angenommen, dass Menschen während der Steinzeit nicht über so weite Entfernungen miteinander in Austausch standen. „Unsere Analyse zeigt, dass Nordafrika und der Nahe Osten bereits in dieser frühen Zeit Teil einer Region waren und es keine großen genetischen Barrieren gab", erklärt Co-Senior-Autor Choongwon Jeong, ebenfalls vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte.

Obwohl die Sahara eine physische Barriere darstellte, gab es zu dieser Zeit auch eindeutig Kontakte in die Regionen südlich des riesigen Wüstengebiets. Die starke Verbindung zwischen den Frühmenschen im Osten Marokkos und der Bevölkerung südlich der Sahara zeigt, dass es viel früher Interaktionen über das riesige Gebiet hinweg gab, als bisher angenommen. Tatsächlich ist der Anteil früher marokkanischen Siedler an der genetischen Herkunft der Bevölkerung südlich der Sahara um ein Drittel höher als an der genetischen Herkunft der modernen Bevölkerung in Marokko und vielen anderen nordafrikanischen Ländern.

Subsahara-Erbe einer zuvor unbekannten Bevölkerungsgruppe

Die Wissenschaftler haben zwar klare Marker gefunden, die das gefundene Genmaterial mit Subsahara-Afrika verbinden, aber keine zuvor identifizierte Population hat die genaue Kombination dieser Marker. Es lässt sich also nicht genau bestimmen, woher das Erbmaterial stammt. Möglicherweise kommt es von einer Gruppe, die nicht mehr existiert und sich schon vor langer Zeit von anderen Bewohnern Afrikas trennte. Diese Frage müsste jedoch weiter untersucht werden.

„Es ist offensichtlich, dass Bevölkerungsgruppen viel stärker mit Gruppen aus anderen, entfernteren Gebieten in Kontakt waren, als bisher angenommen ", sagt Co-Senior-Autor Johannes Krause, Direktor der Abteilung für Archäogenetik am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte. „Das illustriert das Potenzial der Archäogenetik, unser Verständnis der menschlichen Geschichte zu erweitern.“ Mithilfe weiterer Studien in dieser Region könnten die Forscher mehr darüber herausfinden, wann und wie die unterschiedlichen Populationen miteinander im Austausch standen und woher sie kamen.

AG/MEZ

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