Zwei Sofja-Kovalevskaja-Preisträger gehen zu Max-Planck

16. November 2016

Zu den insgesamt sieben Trägern des Sofja-Kovalevskaja-Preises gehören in diesem Jahr auch zwei Nachwuchsforscher, die künftig an Max-Planck-Instituten forschen werden. Der amerikanische Festkörperphysiker Mazhar Ali wird am MPI für Mikrostrukturphysik in Halle an der Saale Materialien mit exotischen elektronischen Eigenschaften untersuchen. Der polnische Quantenphysiker Michal P. Heller widmet sich am MPI für Gravitationsphysik in Potsdam-Golm der Frage, was Schwarze Löcher über unsere Welt verraten. Der Kovalevskaja-Preis ist mit bis zu 1,65 Millionen Euro dotiert; gestern wurde er bei einem Festakt in Berlin verliehen.

Mazhar Ali, der bislang im Almaden Research Center von IBM in den USA forschte, wird künftig eine Forschungsgruppe in der Abteilung von Stuart Parkin am Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik leiten. Er widmet sich Dirac- und Weyl-Halbmetallen, und zwar mit Blick auf mögliche Anwendungen in der Elektronik. Bei diesen Stoffen handelt es sich oft um chemisch sehr einfache Verbindungen wie etwa Legierungen aus Wolfram und Tellur oder Bismut und Tellur, die Verbindungen besitzen aber sehr spezielle elektronische Eigenschaften.

Sowohl in Dirac- als auch in Weyl-Halbmetallen spielen die Elektronen so mit den Atomrümpfen ihres Kristallgitters zusammen, dass sie effektiv keine Masse mehr aufweisen und fast mit Lichtgeschwindigkeit durch die entsprechenden Materialien sausen können. Diese extreme Beweglichkeit bewirkt unter anderem, dass die Elektronen sehr leicht durch ein äußeres Magnetfeld abgelenkt werden. Deshalb ist in ihnen der sogenannte Titanenmagnetowiderstand gut 10 000 Mal stärker als in Materialien mit dem Riesenmagnetowiderstand, die heute in Schreib-Lese-Köpfen von Festplatten arbeiten. Dirac- und Weyl-Halbmetalle würden es daher erlauben, Daten auf Festplatten noch dichter zu packen.

Die verschiedenen ungewöhnlichen Eigenschaften von Dirac- und Weyl-Halbmetallen will Mazhar Ali generell besser verstehen und zum Beispiel auch herausfinden, wie diese sich verändern, wenn man nicht größere Kristalle betrachtet, sondern Schichten, die nur aus wenigen Atomlagen bestehen. Außerdem möchte er die Idee einer völlig neuen Spielart der Elektronik verfolgen: der Fermitronik. Diese beruht nicht wie die Elektronik auf der Ladung der Elektronen, sondern auf unterschiedlichen Fermiflächen in den Materialien. Fermiflächen charakterisieren die elektronische Struktur eines Metalls. Sie weisen in Dirac- und Weyl-Halbmetallen Merkmale auf, die sich ausnutzen lassen, um Information mit viel niedrigerem Energiebedarf zu verarbeiten als in der Elektronik.

Die Raumzeit weiter hinterfragen

Mit fundamentalen Fragen anderer Art beschäftigt sich der Preisträger Michal Heller: Ist unsere dreidimensionale Welt in Wirklichkeit ein Hologramm? Manche Physiker vermuten dies nach Beobachtungen an Schwarzen Löchern. Nach dem holografischen Prinzip wäre wie in Platons Höhlengleichnis das, was wir sehen, nur eine Abbildung oder der Schattenwurf einer mehr oder weniger weit entfernten Wirklichkeit. So wie die dreidimensionale Wirkung des Hologramms auf Informationen beruht, die in einem flachen Medium gespeichert sind.

Heller, der mit seinem Preisgeld an das Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Golm geht, wendet diese holografische Theorie und mathematische Instrumente wie Tensor-Netzwerke auf die Erforschung exotischer Materieformen wie dem Quark-Gluon-Plasma und auf die Zustände im Innern sowie an der Oberfläche von Schwarzen Löchern an. Ziel seiner Forschung ist es, neues Licht auf die Entstehung der Raumzeit und auf Quantenfeldtheorien zu werfen. Dabei hat Heller nicht nur schwarze Löcher im Blick, sondern das große Ganze. Denn der holografischen Theorie zufolge lässt sich aus den Informationen, die dem Ereignishorizont des Weltalls aufgeprägt sind, das Geschehen in unserer vierdimensionalen Raumzeit ableiten. Heller forschte zuletzt am Perimeter Institute for Theoretical Physics in Waterloo, Kanada, seine Gruppe am MPI richtet er in der Abteilung von Hermann Nicolai ein.

Der Sofja-Kovalevskaja-Preis wird - finanziert vom Bundesforschungsministerium - von der Alexander von Humboldt-Stiftung vergeben und ist einer der höchstdotierten Wissenschaftspreise Deutschlands. Mit dem Preisgeld können Wissenschaftler fünf Jahre lang ohne administrative Zwänge an einer selbst gewählten Hochschule oder Forschungseinrichtung in Deutschland arbeiten und eigene Arbeitsgruppen aufbauen.

HER/HOR/JE

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