Lichtstift beschreibt Quantengas Atom für Atom

Der Spin einzelner Atomen in einem optischen Kristall lässt sich gezielt verändern, sodass diese als Quantenbits dienen können

16. März 2011

Auf einzelne Atome zu zielen geht nur mit raffinierten Kniffen: In einem Quantengas aus Rubidium-Teilchen haben Physiker des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik und der Ludwig-Maximilians-Universität München zielgenau einzelne Spins manipuliert. Der Spin entspricht vereinfacht gesprochen dem Drehsinn eines Atoms. Mit einem eigens entwickelten Mikroskop adressierten die Forscher um Stefan Kuhr und Immanuel Bloch jeweils einzelne Teilchen in einem Atom-Ensemble, das in überlagerten Laserwellen liegt wie in einem optischen Eierkarton. Das Experiment schafft eine Voraussetzung, um mit Atomen in einem künstlichen Lichtkristall Information zu verarbeiten – so, wie es etwa für einen Quantencomputer angedacht ist. Vor allem aber eröffnet die Arbeit den Forschern völlig neue Möglichkeiten, Quantenprozesse zu untersuchen. So haben sie erstmals direkt beobachtet, wie einzelne massive Teilchen, nämlich die Rubidium-Atome, durch Potentialwände tunneln.

Manchmal kommen Physiker nur weiter, indem sie ein Problem simulieren. Denn um die Quantenwelt zu erforschen, sind Messungen oft zu ungenau oder gar nicht möglich und Rechnungen zu aufwendig. Etwa wenn es darum geht, den Magnetismus oder die Hochtemperatur-Supraleitung, bei der Materialien schon unter relativ hohen Temperaturen verlustfrei Strom leiten, im Detail zu erklären. Erst mit einem genauen Verständnis dieser Phänomene können Forscher jedoch Materialien entwickeln, die sich etwa für widerstandslose Kabel im Alltag eignen. Tiefere Einsicht in die Hochtemperatur-Supraleitung oder den Magnetismus könnten sie gewinnen, indem sie entsprechende Materialien mit Quantensystemen, die sie genau verstehen und kontrollieren können, experimentell simulieren. Dafür haben die Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik in Garching und der Ludwig-Maximilian-Universität München nun neue Möglichkeiten geschaffen.

Die Physiker haben in einem Gitter aus überlagerten Laserwellen bis zu 400 Rubidium-Atome gefangen, sodass die Atome in den Kuhlen des elektromagnetischen Potenzials der Lichtstrahlen sitzen wie Eier in ihrem Karton. In dieser Anordnung drehten sie dann den Spin einzelner Atome von einer Richtung in die andere, und zwar jeweils genau bei dem einen Teilchen, das sie sich für eine Manipulation ausgeguckt hatten.

Zu diesem Zweck bestrahlten die Wissenschaftler den Gitterplatz des Atoms zunächst gezielt mit einem weiteren Laser, den sie durch ein eigens entwickeltes Mikroskop auf einen extrem kleinen Durchmesser fokussierten. Dessen elektromagnetisches Potenzial überlagerte sich mit dem optischen Eierkarton und dellte ihn quasi ein. Auf diese Weise veränderten die Forscher den energetischen Abstand zwischen den beiden Spinzuständen der Atome. Am größten war die energetische Veränderung genau an dem Gitterplatz, den die Forscher ansprechen wollten. Nur das Atom an diesem Platz reagierte daher auf einen Mikrowellenpuls, den die Wissenschaftler nun einstrahlten, um den Spin umzuklappen.

Obwohl der Abstand zwischen den Atomen kleiner ist als die Wellenlänge des Adressier-Lasers, haben die Forscher mit diesem Kniff einzelne Gitterplätze angesprochen. „Das ist eine Voraussetzung, um einzelne Atomen als Quantenbits zu beschreiben“, erklärt Stefan Kuhr, der die Arbeit am Max-Planck-Institut für Quantenoptik leitete. Ein Atom könnte in seinen beiden Spinrichtungen nämlich die Null und Eins eines Bits speichern. Wie sich das Bit auslesen lässt, hatten die Forscher aus München und Garching erst kürzlich vorgestellt. Indem sie die Quantengesetze ausnutzen, wollen Physiker aus solchen Bits Quantencomputer konstruieren, die viel schneller rechnen als ihre klassischen Pendants.

Zur Redakteursansicht