Strafrechtliche Konzepte gegen Terrorismusfinanzierung
Freiburger Max-Planck-Wissenschaftler haben die Möglichkeiten analysiert, Terroristen den Geldhahn zuzudrehen
Nach den Anschlägen von Paris und Istanbul wurden wieder einmal Forderungen laut, endlich die Geldströme der Terroristen auszutrocknen. Bemühungen in diese Richtung gibt es schon länger. Erst im vergangenen Jahr wurde ein Gesetz in Deutschland weiter verschärft. Das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht hat sich in diesem Zusammenhang intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt und die Gesetzgebung beratend begleitet. Dabei wurde klar: Es ist gar nicht so einfach, dieses Ziel mit juristischen Mitteln zu erreichen – besonders, wenn die Grundsätze des deutschen Rechtsstaats gewahrt werden sollen.
Die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) beherrscht inzwischen ein weiträumiges Territorium. Damit hat der internationale Terrorismus eine neue Dimension erreicht, die für demokratische Staaten neue Herausforderungen mit sich bringt. Das gilt besonders für die Eindämmung der Terrorismusfinanzierung. Vereinigungen wie der IS finanzieren sich heute nicht mehr nur durch Spenden und Organisierte Kriminalität, sondern sie plündern besetzte Gebiete, erheben Zwangsabgaben und entwickeln sich zunehmend zu transnational tätigen Wirtschaftsakteuren, zum Beispiel mit dem Verkauf von Öl, Raffinerieprodukten, Getreide oder archäologischer Kunstwerke. „Die Verhinderung der Terrorismusfinanzierung wird dadurch komplexer und sehr viel schwieriger“, sagt Ulrich Sieber, Direktor am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg.
Sieber weiß, wovon er spricht: Er hat sich gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Benjamin Vogel intensiv mit den Möglichkeiten und Grenzen entsprechender Gesetze gegen Terrorfinanzierung befasst, als das Institut im vergangenen Jahr vom Rechtsausschuss des Bundestags gebeten wurde, eine entsprechende Gesetzesnovelle zu begutachten. Die Herausforderung bestand darin, bestehende Gesetze sowie die Grundsätze der deutschen Rechtskultur in Einklang zu bringen mit neuen Anforderungen, die auch von außen an Deutschland herangetragen wurden.
Internationaler Druck auf Deutschland
In den letzten Jahren hatten die Europäische Union, der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen sowie die Financial Action Task Force (FATF) – eine zwischenstaatliche Organisation mit 38 Mitgliedern – immer weiterreichende Vorgaben für eine entsprechende Gesetzgebung erarbeitet. Die Bundesregierung stand unter erheblichem Druck. Die FATF hatte bereits mehrmals gerügt, dass Deutschland die Finanzierung terroristischer Aktivitäten nicht hinreichend kriminalisiert.
Um einen tragfähigen Kompromiss zwischen den rechtsstaatlichen Grundsätzen hierzulande und den Anforderungen von außen zu finden, verschafften sich Sieber und Vogel zunächst einen Überblick über die verschiedenen Formen von Terrorfinanzierung. Zudem analysierten und verglichen sie das geltende deutsche Strafrecht und die internationalen Vorgaben. Im Ergebnis konnten sie vier Konzepte identifizieren, um Terrorismusfinanzierung juristisch als Straftatbestand zu fassen.
1. Modell: Geldsammeln für Terroristen
Das erste Konzept ist das sogenannte „subjektive Tatbestandsmodell“, das vor allem auf die Vorgaben der FATF und der UN zurückgeht. Danach wird das Sammeln und Bereitstellen von Vermögenswerten unter Strafe gestellt, wenn es in dem Wissen oder in der Absicht geschieht, damit terroristische Aktivitäten zu unterstützen. Das Besondere an diesem Modell ist, dass es aus zwei Komponenten besteht: Während der objektive Tatbestand, also zum Beispiel das Sammeln von Geldern, eine alltägliche und gesellschaftlich akzeptierte Handlung darstellt, wird das Unrecht der Tat erst durch die Kombination mit dem Vorsatz begründet, Terror zu unterstützen.
Einen solchen Paragrafen hat der deutsche Gesetzgeber letztes Jahr in das neue Gesetz gegen Terrorismusfinanzierung aufgenommen. Dank des Gutachtens aus dem Freiburger Max-Planck-Institut wurde der ursprüngliche Gesetzentwurf ergänzt: So ist nun neben dem wissentlichen Handeln auch das absichtliche Handeln strafbar. Ohne diese Änderung wäre die Regelung praktisch nicht anwendbar gewesen. Denn die deutschen Strafverfolgungsbehörden hätten nach der ursprünglichen Fassung nachweisen müssen, welche Taten die Geldempfänger – zum Beispiel von Terroristen in Syrien – konkret mit dem Geld planten. Gleichzeitig forderten die Wissenschaftler aber auch, die objektiven Tathandlungen besser zu beschreiben und deutlicher einzugrenzen.
2. Modell: Finanzielle Unterstützung von Terroristen
Eine zweite Möglichkeit, Terrorismusfinanzierung unter Strafe zu stellen, hat das Freiburger Strafrechts-Institut mit dem „objektiven Tatbestandsmodell“ beschrieben. Es verlangt, dass die Gefährlichkeit einer terroristischen Vereinigung tatsächlich aktiv gestärkt wurde. Im deutschen Strafgesetzbuch gibt es dieses Modell schon länger in § 129a, der die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung unter Strafe stellt.
Sowohl das subjektive als auch das objektive rein strafrechtliche Modell stehen jedoch vor der praktischen Schwierigkeit, dass im Strafverfahren ein konkreter Zusammenhang zwischen bestimmten Vermögenswerten und einer terroristischen Aktivität oder einem terroristischen Akteur nachgewiesen werden muss. Das kann jedoch sehr schwierig sein. Für Sieber ist es daher fraglich, inwieweit diese Modelle vor Gericht praktikabel sind.
3. Modell: Geschäfte mit gelisteten Terroristen
Teilweise Abhilfe kann hier ein drittes Regelungsmodell schaffen, nämlich das „Listungsmodell“. Dabei wird nicht erst nach der Tat im Strafverfahren geklärt, ob finanzielle Mittel bewusst für terroristische Zwecke geflossen sind. Stattdessen wird ein potenzieller Terrorist oder eine mögliche Terrororganisation bei Verdacht schon proaktiv durch die Entscheidung einer Verwaltungsbehörde identifiziert und diese Entscheidung öffentlich gemacht. Das hat zur Folge, dass alle Wirtschaftsteilnehmer einem „Bereitstellungsverbot“ unterliegen, womit jede finanzielle Interaktion mit diesem Akteur verboten ist. Da sich ein Finanzier bereits strafbar macht, wenn sein Wirtschaftspartner gelistet ist, wird das Strafverfahren gegen ihn von der schwierigen Frage des Terrorismusbezugs entlastet.
Allerdings sind solche Listungsverfahren in der Praxis ebenfalls nicht unproblematisch. Zum einen benötigen die listenden Stellen eine verwertbare Kenntnis der terroristischen Beziehungen. Zum anderen erfordern die Listungsverfahren Zeit und können von den gelisteten Personen oder Unternehmen durch Strohleute und Scheinfirmen umgangen werden.
4. Modell: Geschäfte mit potenziellen Terroristen
Um diese Schwierigkeiten zu vermindern, verweisen die Forscher auf ein viertes Modell, das „Ermittlungsmodell“. Dabei werden private Akteure wie Unternehmen, Händler und Banken dazu angehalten, in bestimmten wirtschaftlichen Risikobereichen keine Geschäfte mit potenziellen Terroristen zu machen. Die privaten Akteure können dabei verpflichtet werden, nicht nur ihre Geschäftspartner auf eine Terrorismusbeteiligung zu überprüfen, sondern bei Verdachtsgründen auch die Polizei zu verständigen. In Deutschland betreffen solche Regelungen bislang vor allem Finanzdienstleister. Festgeschrieben sind sie im Geldwäschegesetz, das in erster Linie Drogenhandel und andere Formen der organisierten Kriminalität eindämmen soll.
Die Untersuchungen des Freiburger Max-Planck-Instituts führten weltweit erstmalig zu einer Systematisierung der verschiedenen Konzepte und Straftatbestände zur Terrorismusfinanzierung. Dank der Gesamtanalyse haben die Staaten nun einen Überblick über die Ansätze und Modelle und können sie für eine erfolgreiche Prävention sinnvoll miteinander kombinieren. Sie wurde inzwischen auch der Financial Action Task Force FATF in Paris vorgestellt.
Allerdings sieht Ulrich Sieber den politischen Zwang, den einflussreiche Staaten in Gremien wie der FATF ausüben, auch kritisch. So sinnvoll es sein mag, wenn sich Staaten auf gemeinsame Standards bei der Terrorbekämpfung einigen, so problematisch ist es aus der Sicht des Strafrechtlers, wenn demokratisch nicht legitimierte Regierungsorganisationen (wie die FATF oder die UN) die Strafvorschriften vorgeben und dadurch – so Sieber – „Kontrollbefugnisse der demokratisch gewählten nationalen Parlamente verloren gehen, die sich die Bürger westlicher Staaten seit der Aufklärung erkämpft haben“.
Gefahr für den Rechtsstaat
Zudem warnt der Strafrechtler davor, mit zu weit gefassten Regelungen über das Ziel hinauszuschießen und letztlich den Rechtsstaat auszuhöhlen. So ist es für ihn fraglich, ob weit vorverlagerte – eigentlich alltägliche – Vorbereitungshandlungen wie das Sammeln von Geld in Verbindung mit einer terroristischen Absicht tatsächlich strafwürdiges Unrecht darstellen oder ob damit beinahe schon bloße Gedanken kriminalisiert werden. Solch präventives Strafrecht stütze sich zudem oft auf eine fragwürdige Prognose der Gefährlichkeit bestimmter Personen: „Zur Feststellung terroristischer Absichten greifen die Behörden mit verdeckten Ermittlungsmethoden tief in die Privatsphäre von Verdächtigen ein“, sagt Sieber. „Sie nutzen oft schwer überprüfbare Erkenntnisse von Geheimdiensten, die für einen Strafprozess so gar nicht hätten erhoben werden können.“ Die praktischen und verfassungsrechtlichen Konsequenzen dieser Fragen seien bisher in der Rechtsprechung und in der Literatur noch wenig geklärt.
Sinnvoller und wirkungsvoller wäre es aus Siebers Sicht, stärker bei den wirtschaftlichen Aktivitäten der Terroristen anzusetzen, also das Ermittlungsmodell zu stärken. Dazu müssten Wirtschaftsteilnehmer in Bereichen, die für die Terrorismusfinanzierung relevant sind, ihre Geschäftspartner, Lieferanten-und Abnehmerketten aktiv auf bestimmte Risiken prüfen. Die gewonnenen Kenntnisse könnten Ermittlungen ermöglichen und auch die notwendigen Kenntnisse für die Listungsverfahren verbessern, ist Sieber überzeugt: „Wenn wir diese Ansätze kombinieren und eine internationale Institution im Rahmen von Public Private Partnership diese Möglichkeiten nutzt, dann könnten wir wirklich neue Ansätze eröffnen, um Terrorismusfinanzierung wirksam zu verhindern.“