Im Reich des ewigen Eises

Sowohl an seiner Außengrenze als auch weiter innen im Sonnensystem kreisen Körper, die aus viel Wassereis bestehen

Weitgehend einig sind sich die Astrophysiker darüber, dass sich Gasplaneten wie der Jupiter relativ schnell formieren, also binnen weniger Jahrmillionen. Das nötige Gas beziehen sie aus der protoplanetaren Scheibe. Ein Vielfaches länger dauert hingegen die Geburt von Gesteinsplaneten wie der Erde. Für diesen Prozess ist der Staub die wichtigste Ingredienz: Er sammelt sich anfangs in Mikrometer-feinen Teilchen, wobei die Partikel jedoch schnell wachsen.

Haben die Objekte die Größe von einigen Kilometern erreicht, sorgt die Schwerkraft für weiteres Wachstum: Ein Wettlauf um den Massenzuwachs entsteht, wobei nur die schnellsten Körper als ausgewachsene Planeten enden. Die zahllosen Verlierer dieses Prozesses werden von den wenigen Gewinnern geschluckt.

Doch bereits die Frühphase dieses Vorgangs gibt den Theoretikern Rätsel auf, das gilt sowohl für die Gas- als auch die Gesteinsplaneten. Denn die Bildung der Zentimeter-großen Aggregate ist nicht vollständig verstanden. Bei den hohen Kollisionsgeschwindigkeiten sollten eigentlich mehr Partikel zerstört werden, als sich größere zusammen fügen.

Einen Beitrag zur Überwindung dieser Wachstumsbremse bilden nach den Worten von Paul Hartogh wahrscheinlich die volatilen Substanzen – etwa Wasser. Der Göttinger Max-Planck-Forscher leitet den Forschungsschwerpunkt „Wasser im Sonnensystem“ des Herschel-Weltraumteleskops der europäischen Raumfahrtorganisation ESA. „Nah am Stern ist Wasser in einer protoplanetare Scheibe gasförmig. Weiter außen, wo die Scheibe kühler ist, bildet sich eine sogenannte Schneegrenze, das heißt, ab dort gefrieren die Wassermoleküle zu Eis“, sagt Hartogh.

Das Eis schlägt sich auf den Staubkörnern der Scheibe nieder und versieht sie mit einer klebrigen Hülle. Die Folge ist ein höheres Wachstumstempo der sich formierenden Planeten, da nun bei Kollisionen der eisige Klebstoff ein Auseinanderbrechen der Staubkörner erschwert. Zusätzlich vergrößert das Eis den Anteil der festen Materie in der Scheibe, ebenfalls ein Wachstumsfaktor.

Die Wirklichkeit ist allerdings etwas komplexer als dieses übersichtliche Bild. Denn andere volatile Substanzen, die bei der Entstehung des Sonnensystems eine gesonderte Rolle spielen, haben ihre eigenen Schneegrenzen, die in jeweils unterschiedlicher Distanz zur Sonne liegen. Zudem sind, wie in der Politik, die Grenzen nicht für die Ewigkeit: „Im Laufe der Entstehungsgeschichte des Sonnensystems haben sich die Schneegrenzen verschoben“, sagt Hartogh im Hinblick auf die veränderliche Entwicklung der Wärmeabgabe der Sonne.

Auch an anderen Orten des Universums fanden US-Astronomen von der Universität Michigan Wassereis. Zusammen mit Kollegen präsentierten sie kürzlich dazu Auswertungen der Infrarotdaten von Herschel. Demnach wurden die Wissenschaftler in den äußeren Regionen der Scheiben um drei junge, sogenannte T-Tauri-Sterne fündig. Mit dem für die Wassersuche spezialisierten ESA-Satelliten entdeckten sie erstmals die Signatur von Eis in den protoplanetaren Scheiben um solche Frühphasen sonnenähnlicher Sterne. „In Herschels Spektralmessungen offenbaren sich möglicherweise eine Art von frühen Versionen des Kuipergürtels“, sagt Hartogh.

Zurück zu unserem heimischen Kuipergürtel: Um die Größe von Zwergplaneten zu bestimmen, sind Sternbedeckungen die beste Methode. Immerhin drei Fernrohre konnten in der Novembernacht 2010 den plötzlichen Helligkeitseinbruch aufzeichnen, als Eris vor den Walfisch-Stern trat. Die Auswertung ergab: Eris ist nahezu kugelförmig, ihr Durchmesser beträgt 2326 Kilometer – in dieser Hinsicht quasi ein Zwilling Plutos.

Da Eris von ihrem Trabanten Dysnomia umrundet wird, können Astronomen aus dessen Umlaufbahn die Masse des Zwergplaneten berechnen. Zusammen mit den Ausmaßen aus den Sternbedeckungen ergibt sich so die mittlere Dichte: Mit 2,5 Gramm pro Kubikzentimeter liegt sie deutlich höher als bei Pluto und Ceres (jeweils etwa 2,0).

Im Vergleich mit den beiden enthält Eris also offenbar mehr schweres Gestein und weniger leichtes Eis. Andere größere Kuiperobjekte zeigen bezüglich ihrer Dichte – also auch ihres inneren Aufbaus – eine beachtliche Bandbreite. Und das wird kaum die letzte Überraschung bei der Erforschung der Eiswelten unseres Sonnensystems bleiben.

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