Kräfte, die in Galaxien walten
Magnetfelder durchziehen auf Größenskalen von 100.000 Lichtjahren ganze Galaxien und umgeben deren zentrale Schwarze Löcher. Forscherinnen und Forscher um Rainer Beck, Silke Britzen und Sui Ann Mao am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn entlocken den unsichtbaren Kraftfeldern ihre Geheimnisse.
Schwarze Löcher in den Herzen der Galaxien
„Mit dem SKA würde etwa die Zahl der Pulsare, die wir für die Magnetfeldkartierung der Milchstraße verwenden, auf 10000 steigen“, schwärmt Mao. Doch zur großen Überraschung und zum Unmut aller deutschen Radioastronomen hat Bundesforschungsministerin Johanna Wanka im Juni 2014 Deutschlands Ausstieg aus diesem Zukunftsprojekt angekündigt.
Das SKA wäre auch ideal, um einen weiteren Aspekt von Galaxien zu studieren: die Aktivität von supermassereichen Schwarzen Löchern in deren Zentren. Nach heutigem Kenntnisstand besitzt fast jede Galaxie in ihrem Herzen ein Schwarzes Loch, das Materie von einigen Millionen bis Milliarden von Sonnenmassen in sich vereint. Wohl jeder dieser unsichtbaren Körper ist von einer heißen, rotierenden Gasscheibe umgeben, die je nach Bedingungen sehr hell leuchten kann.
In einigen Fällen löst sich Materie aus der Scheibe und strömt auf das Schwarze Loch zu. Während ein großer Teil davon in dem kosmischen Mahlstrom auf Nimmerwiedersehen verschwindet, wird ein anderer Teil umgelenkt und schießt in zwei entgegengesetzten Richtungen senkrecht zu der Scheibenebene mit nahezu Lichtgeschwindigkeit ins All hinaus. Ein solcher Jet kann mehrere Millionen Lichtjahre weit reichen; vermutlich halten ihn Magnetfelder zusammen. Auf welche Weise diese Plasmaströme entstehen, versucht Silke Britzen herauszufinden.
„Es besteht kaum noch ein Zweifel daran, dass Magnetfelder hierbei eine wichtige, vielleicht sogar die entscheidende Rolle spielen“, sagt die Astrophysikerin. Sie könnten das Gas in der Scheibe abbremsen – was essenziell wichtig ist, damit es sich auf einer Spiralbahn dem Schwarzen Loch nähern und schließlich in das Massemonster hineinstürzen kann. Doch was in dessen unmittelbarer Umgebung wirklich passiert, ist noch weitgehend unklar.
So wissen die Forscher nicht, ob in der Gasscheibe auf viel kleineren Skalen ein ähnlicher Dynamo arbeitet wie in der Spiralgalaxie. Denkbar wäre auch, dass sich entgegengesetzt gepolte Magnetfeldlinien plötzlich verbinden und Energie freisetzen, die in die Beschleunigung der Jet-Teilchen fließt. Forscher kennen solche magnetischen Kurzschlüsse von der Sonne, wo sie Strahlungsausbrüche auslösen.
Auch Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie dürfte Auswirkungen auf die Jet-Entstehung haben. Sie sagt voraus, dass der Raum von einem schnell rotierenden Schwarzen Loch mitgerissen wird und wie ein Wasserstrudel im Abfluss eines Waschbeckens um den Zentralkörper herumwirbelt. Diese Rotation des Raumes erfasst alles, auch den Innenbereich der Gasscheibe.
Was also löst die Beschleunigung des Jets aus? Die Rotation des Schwarzen Lochs oder die der Scheibe? „Diese Frage lässt sich mit Computermodellen nur angehen, indem man die Physik der Allgemeinen Relativitätstheorie und der Magnetohydrodynamik gemeinsam löst“, sagt Britzen. Das hört sich nicht nur furchtbar kompliziert an, das ist es auch. Tatsächlich konnte diese Frage bisher nicht beantwortet werden.
„Wir würden aber natürlich am liebsten die Region in der unmittelbaren Umgebung des Schwarzen Lochs mit Radioteleskopen direkt beobachten“, sagt die Bonner Forscherin. Vielleicht wird dies einmal mit der Very Long Baseline Interferometry (VLBI) bei kleinen Wellenlängen möglich. Bei dieser Technik beobachtet man einen Himmelskörper gleichzeitig mit mehreren Radioteleskopen weltweit und führt die Daten auf bestimmte Weise zusammen. So erzielt man eine Auflösung, die ein Einzelteleskop mit den Ausmaßen der Erde hätte.
Die meisten Jets verlaufen nicht geradlinig
VLBI ist eine seit langem etablierte Technik bei Radiowellenlängen von einigen Millimetern bis Zentimetern. Wenn man sie in den Submillimeterbereich erweitern könnte, würde auch die räumliche Auflösung steigen. Dieses nächste große Projekt, an dem das Bonner Max-Planck-Institut führend beteiligt ist, läuft unter dem Projektnamen Event Horizon Telescope.
Seit Kurzem ist Silke Britzen einem weiteren Phänomen auf der Spur, das bedeutender sein könnte als bisher angenommen: doppelte Schwarze Löcher. Wenn zwei Galaxien zusammenstoßen und schließlich miteinander verschmelzen, muss die neu entstehende Galaxie im Zentrum eigentlich zwei Schwarze Löcher besitzen, die sich gegenseitig umkreisen. In einigen wenigen Fällen hat man solche Doppelsysteme tatsächlich nachweisen können. „Wahrscheinlich gibt es viel mehr Paare als vermutet“, sagt Britzen.
Hinweise darauf sieht sie in einigen Jets. „Mittlerweile beobachten wir manche Jets seit Jahrzehnten, sodass wir darin auch Veränderungen feststellen“, sagt die Astrophysikerin. Die meisten Jets verlaufen nicht ganz geradlinig, sondern winden sich wie Schlangen, haben Knicke und Biegungen.
Dies könnte seine Ursache in variierenden Bedingungen bei der Entstehung des Gasstrahls haben: „Da wackelt etwas am Fußpunkt des Jets“, meint Silke Britzen. Dieses „Wackeln“ könnte seine Ursache darin haben, dass sich zwei Schwarze Löcher in geringem Abstand umkreisen und die Gasscheibe des einen Partners am Boden des Jets zum Schwingen bringen.
Um ihre Beobachtungsdaten mit Modellen erklären zu können, arbeitet Britzen mit Theoretikern zusammen. Kürzlich konnten sie die Jet-Strukturen von zwei Galaxien erklären. In dem einen Fall könnten sich zwei Schwarze Löcher im Abstand von eineinhalb, im anderen von neun Lichtjahren umkreisen. Für zwei, schätzungsweise jeweils eine Milliarde Sonnenmassen schwere Giganten ist diese Strecke geradezu winzig.
Wegen der enormen Entfernungen von einigen Milliarden Lichtjahren wird man die Zentralbereiche dieser beiden Galaxien nicht direkt beobachten können. Aber der leuchtende Fußpunkt der Jets sollte nach dem Modell ebenfalls hin und her wackeln. Nach diesen Schwankungen will Silke Britzen suchen. Dabei setzt sie nicht nur auf immer genauere Radioteleskope, sondern auch auf den kürzlich gestarteten Astrometriesatelliten Gaia der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Auf dessen Ergebnisse muss die Bonner Forscherin allerdings noch ein paar Jahre warten. Aber als Astronomin braucht man ohnehin viel Geduld.