Kräfte, die in Galaxien walten

Magnetfelder durchziehen auf Größenskalen von 100.000 Lichtjahren ganze Galaxien und umgeben deren zentrale Schwarze Löcher. Forscherinnen und Forscher um Rainer Beck, Silke Britzen und Sui Ann Mao am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn entlocken den unsichtbaren Kraftfeldern ihre Geheimnisse.

Astronomen nutzen einen Effekt aus der Natur

Hierfür eignet sich das Effelsberger Radioteleskop in einzigartiger Weise: Trotz seines stattlichen Alters von 42 Jahren ist es Dank ständiger technischer Verbesserung noch heute das weltweit empfindlichste Instrument zum Nachweis polarisierter Radiostrahlung.

Auch unser Milchstraßensystem ist eine Spiralgalaxie. Da sich unser Sonnensystem mittendrin befindet, empfangen Radioteleskope die Strahlung aus allen Bereichen. Das erschwert einerseits das Erkennen der räumlichen Struktur. Andererseits ist die Milchstraße naturgemäß die uns am nächsten gelegene Spiralgalaxie und offenbart deshalb eine Fülle von Details.

Um die räumliche Struktur des Magnetfeldes herauszufinden, wenden die Astronomen hier eine weitere Methode an. Sie beobachten Pulsare und auch ferne Galaxien, die Radiostrahlung aussenden. Durchläuft diese Strahlung ein Magnetfeld, so dreht sich die Polarisationsebene. Dieser Effekt ist nach Michael Faraday benannt, der ihn schon im Jahr 1845 bei Laborexperimenten entdeckte.

Aus dem Grad der Faraday-Drehung schließen die Forscher auf Stärke und Richtung des durchquerten Magnetfeldes. Mit der Entfernung eines Pulsars ergibt sich zudem die mittlere Stärke des dazwischen befindlichen Feldes. „Die Faraday-Rotation ist für uns wie ein kosmischer Kompass“, sagt Beck. Allerdings funktioniert dieser nicht ganz so einfach wie sein Pendant auf der Erde.

Ein Problem besteht darin, dass man zwar eine bestimmte Polarisationsebene der Radiowellen misst, aber nicht weiß, in welcher Ebene der Pulsar die Wellen ursprünglich ausgesandt hat. Hier kommt den Astronomen zu Hilfe, dass die Welle umso stärker gedreht wird, je größer die Wellenlänge der Radiostrahlung und die Feldstärke sind. Beobachtungen bei mehreren Wellenlängen liefern deshalb Stärke und Richtung des Feldes.

An der bisher genauesten Magnetfeldkarte der Milchstraße hat Sui Ann Mao mitgearbeitet. Die aus Hongkong stammende Radioastronomin forschte bis vor kurzem noch an der Universität Harvard in Cambridge (USA), seit Anfang 2014 ist sie am Bonner Max-Planck- Institut. Hier hat sie im Rahmen des Minerva-Programms eine auf fünf Jahre befristete Stelle erhalten.

Für Mao war dieses Programm, das die Karriere weiblicher Wissenschaftlerinnen fördert, mit entscheidend für ihren Umzug nach Deutschland. „Außerdem ist das wissenschaftliche Umfeld hier in Bonn sehr gut, und ich kann eine eigene Arbeitsgruppe aufbauen“, sagt sie.

Zusammen mit Kollegen vermaß Mao die Faraday-Drehung der Radiostrahlung mithilfe von Pulsaren und fernen Radiogalaxien. Hierfür verwendete sie das Very Large Array (VLA), ein aus 27 Radioantennen bestehende Anlage in New Mexico.

Das Ergebnis der galaktischen Magnetfeldkartierung lässt sich nicht so einfach interpretieren. Doch die Daten passen am besten zu einem Modell, in dem die Magnetfelder im inneren Bereich der Milchstraße – wie bei Messier 51 – den Spiralarmen folgen und symmetrisch zur Mittelebene sind. Hier besitzen sie Stärken bis zu zwei Mikrogauß. Zum Vergleich: Das Erdmagnetfeld ist in mittleren Breiten rund hunderttausendmal stärker.

Je weiter man sich vom Milchstraßenzentrum entfernt, desto mehr verändert sich das Feld. Im Außenbereich ist es fast azimutal, das heißt, die Feldlinien verlaufen nahezu kreisförmig. Lange haben Astronomen gerätselt, wie eine solche Struktur, die sich in ganz ähnlicher Weise in fast jeder Spiralgalaxie findet, entstehen kann.

„Wir stellen uns das heute in einem mehrstufigen Prozess vor“, sagt Rainer Beck. In einem Elektromagneten erzeugt ein stromdurchflossener Draht ein Magnetfeld. Im Weltall übernehmen turbulent verwirbelte Plasmen diese Aufgabe. Sie entstehen etwa, wenn Sterne explodieren. Dann stoßen sie heiße Gashüllen ab, die sich mit hohen Geschwindigkeiten ausbreiten. In ihnen entstehen zunächst chaotische Magnetfelder. Diese werden dann von der Rotation der Galaxie erfasst und mitgezogen.

Bei diesem Vorgang ordnen sich die Feldlinien nach und nach neu an, bis sie das heute beobachtete Muster ergeben, das den Spiralarmen folgt. „Dieser galaktische Dynamo erzeugt Ordnung aus dem Chaos“, fasst Becks Kollegin Mao diesen auf Skalen von Zehntausenden von Lichtjahren ablaufenden Prozess zusammen. Dynamo deswegen, weil hier Bewegungsenergie in magnetische Energie umgewandelt wird – entfernt vergleichbar mit einem Fahrraddynamo.

Bei den meisten untersuchten Galaxien handelt es sich um ungestörte Einzelgänger. Doch Astronomen wissen, dass die Sternsysteme sich auch gefährlich nahe kommen oder gar zusammenstoßen können. Dann verwirbeln die Gas- und Staubwolken, verdichten sich lokal und werden dort zu Geburtsstätten vieler neuer Sterne. Was passiert in solchen Fällen mit den Magnetfeldern?

Das prominenteste Beispiel von zwei verschmelzenden Sternsystemen, die 90 Millionen Lichtjahre entfernte Antennengalaxie, untersuchten Beck und Kollegen mit dem VLA. Hierbei kam ihm eine besondere Eigenschaft dieser Anlage zu Hilfe. Ihre Gesamtausdehnung lässt sich nämlich variieren, indem man die 27 auf Schienen gelagerten Teleskope hin und her fährt. „Auf diese Weise realisiert man eine Art Zoomobjektiv für den Radiobereich“, erklärt Beck.

Tatsächlich stellte er damit fest, dass die Magnetfelder stärker als in normalen Spiralgalaxien sind, insbesondere in der „Knautschzone“ des kosmischen Crashs. Ursache ist wahrscheinlich die verstärkte Turbulenz im Gas und eine intensive Sternentstehung. Dort ist die geordnete Magnetfeldstruktur zerstört und einer chaotischen gewichen. Mit dem inzwischen erheblich verbesserten VLA hat Sui Ann Mao vor kurzem neue Messungen vorgenommen, die das magnetische Chaos lichten sollen.

Spannend wäre es, diese Felder lokal mit größerer Detailauflösung zu untersuchen. Doch die heutigen Teleskope stoßen dabei an ihre Grenzen. Große Hoffnungen setzen die Radioastronomen auf das zukünftige Square Kilometre Array. Das ist ein internationales Projekt, bei dem Tausende von Radioantennen in Australien und Südafrika mit einer gesamten Sammelfläche von einem Quadratkilometer errichtet werden. Ein gigantisches Gerät, das im kommenden Jahrzehnt fertig werden soll und diese Forschung auf lange Zeit dominieren dürfte.

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