Neue Technik für Trickfilmspezialisten

Kinohelden werden bald einfacher und noch realistischer in virtuelle Welten versetzt

26. Februar 2013

In Hollywood wird viel Aufwand betrieben, um Monster durch echt erscheinende Umgebungen zu jagen. Forscher am Max-Planck-Institut für Informatik in Saarbrücken haben jetzt ein Verfahren entwickelt, das solche Szenen wesentlich vereinfacht. Dabei werden die Bewegungen von Schauspielern in einer echten Spielszene mit wenigen Kameras erfasst und äußerst realistisch auf virtuelle Charaktere übertragen. Dies wird nicht nur Trickfilmspezialisten die Arbeit erleichtern, sondern auch Ärzten und Sportlern bei der Bewegungsanalyse helfen.

Wenn computeranimierte Figuren wie Gollum im „Herr der Ringe“-Film durch wilde Landschaften streunen, waren auch echte Schauspieler im Einsatz. In Filmstudios wird dafür als gängige Methode das Motion-Capture-Verfahren angewendet. Dabei  schlüpfen Schauspieler in hautenge Anzüge, die mit Markern beklebt sind. Diese reflektieren Infrarotlicht, das von einem speziellen Kamera-System ausgestrahlt und empfangen wird. Auf diese Weise werden die Bewegungen des realen Schauspielers erfasst und später mit einer Animationssoftware auf die virtuelle Figur übertragen. „Die Anzüge sind jedoch für die Schauspieler unangenehm und auch die Marker behindern sie in ihren Bewegungen“, erklärt Nils Hasler vom Max-Planck-Institut für Informatik in Saarbrücken. Die Computergraphiker haben daher ein Verfahren entwickelt, das ohne Marker auskommt und dabei die Bewegungen sehr schnell und realistisch erfasst.

Dafür werden Schauspieler in ihrer normalen Kleidung von gewöhnlichen Kameras gefilmt. Im Computer werden die Bewegungen von einer speziellen Software analysiert und als Bewegungsskelett auf eine virtuelle Figur übertragen. „Wir benötigen dafür im Gegensatz zu den Trickaufnahmen in Hollywood nicht einige Dutzend Kameras, sondern nur ganz wenige. Der Computer berechnet die Bewegungen dann so schnell, dass wir sie ohne Zeitverzögerung direkt auf die zu animierende Figur übertragen können“, erläutert Nils Hasler. Das mittlerweile patentierte Rechenverfahren konnte in den vergangenen Monaten weiter verfeinert werden. Es kommt jetzt auch mit Szenen zurecht, bei denen mehrere Personen gleichzeitig die Szene bevölkern und sich Körperteile in den Aufnahmen überlagern. „Das System erkennt die Bewegungen auch dann noch, wenn Gegenstände die Menschen verdecken oder der Hintergrund sehr unruhig ist. Das wird in Zukunft auch Trickaufnahmen außerhalb der Studios, etwa in der freien Natur ermöglichen“, glaubt der Saarbrücker Forscher.

Noch ein weiteres Problem konnten die Informatiker um Christian Theobalt, dem Leiter der Forschergruppe „Graphics, Vision & Video“, in den vergangenen Monaten lösen: „Wenn Schauspieler weite Mäntel tragen oder Damen in langen Ballkleidern die Szene betreten, wurde es auch für unsere Software schwierig, die Bewegungen des Körpers zu rekonstruieren. Über ein neues Rechenverfahren können wir jetzt auch Oberflächen so genau erfassen, dass man zum Beispiel den Faltenwurf der Kleidung völlig realistisch nachbilden kann. Dies hat bisher weltweit noch kein anderes Computerprogramm geschafft“, erklärt Nils Hasler nicht ohne Stolz. Die neue Technologie ist dadurch auch für viele Anwendungen jenseits der Film- und Spieleindustrie interessant. Athleten könnten sie nutzen, um ohne störende Marker am Körper einzelne Bewegungen genau zu analysieren. Sportjournalisten hätten die Möglichkeit, live am Fernsehbildschirm die Bewegungsabläufe etwa beim Stabhochsprung oder Diskuswerfen direkt zu kommentieren.

„Auch die Medizin könnte davon profitieren. Für Ärzte wird es damit viel einfacher, den Heilungserfolg nach Operationen an Gelenken bildlich darzustellen und genau zu verfolgen“, sagt Nils Hasler. Der Forscher am Max-Planck-Institut für Informatik will jetzt mit Christian Theobalt und seinem Forscherkollegen Carsten Stoll eine Firma gründen, um aus der bisherigen Software ein kommerzielles Produkt zu machen. „Es haben schon etliche Unternehmen aus der Filmindustrie und Sportvermarktung angeklopft“, verrät Hasler.

Technischer Hintergrund

Die Technik, die für das neue Verfahren eingesetzt wird, ist recht preiswert. Etwa fünf bis zwölf normale Videokameras sind notwendig. Mit Hilfe ihrer Software erstellen die Informatiker dann ein 3-D-Modell des zu erfassenden Darstellers aus einem Bewegungsskelett mit 58 Gelenken. Um die Bewegungen zu erfassen, arbeitet das Rechenverfahren kontinuierlich daraufhin, dass sich das zweidimensionale Bild aus der Videokamera und das 3-D-Modell möglichst passgenau überlagern. Die dazu notwendigen Vergleiche können die Saarbrücker auf mathematischem Wege sehr effizient und schnell lösen. Auf diese Weise erfassen sie die gefilmte Bewegung und visualisieren sie innerhalb weniger Millisekunden in den virtuellen Figuren.

Informatik-Forschung auf dem Campus der Universität des Saarlandes

Das Max-Planck-Institut für Informatik ist nicht die einzige Einrichtung, die auf dem Campus der Universität des Saarlandes neue Aspekte der Informatik erforscht. Nur wenige Meter entfernt haben ebenfalls ihren Sitz: der Fachbereich Informatik der Universität des Saarlandes, das Max-Planck-Institut für Software Systeme, das Zentrum für Bioinformatik, das Center for IT-Security, Privacy and Accountability, der erneut bewilligte Exzellenzcluster „Multimodal Computing and Interaction“, das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) und das Intel Visual Computing Institute.

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