Dumme Mäuse schaffen sich ab

Zusammenhang zwischen Hirngröße und Fruchtbarkeit entdeckt

7. September 2010

Gehirn und Geschlechtsorgane haben einen völlig unterschiedlichen Aufbau und ganz verschiedene Aufgaben. Umso mehr erstaunen Erkenntnisse von Max-Planck-Forschern aus Dresden und Leipzig. Sie haben herausgefunden, dass ein Gen sowohl die Gehirnentwicklung als auch die Funktion von Hoden und Eierstöcken steuert. Mäuse mit einer defekten Variante des Gens Aspm, die beim Menschen zu einem kleineren Gehirn führt, bilden nämlich nicht nur ein kleineres Gehirn, bei ihnen nimmt auch die Fruchtbarkeit deutlich ab. Die Ergebnisse der Max-Planck-Forscher liefern auch eine mögliche neue Erklärung, warum sich Veränderungen des ASPM-Gens, die dessen Funktion verbessern, in der Evolution von Primaten bis hin zum Menschen durchgesetzt haben. Das liegt wahrscheinlich weniger daran, dass Populationen mit besonders gut funktionierenden ASPM-Formen ein größeres Gehirn entwickeln, sondern vielmehr an ihrer höheren Fruchtbarkeit. (PNAS Early Edition, 6. September 2010)

Ist das Gen ASPM beim Menschen defekt, kann das zu Mikrozephalie führen: Betroffene haben einen deutlich kleineren Kopf und ein kleineres Gehirn. Der Name des Gens, das die Forscher um Wieland Huttner vom Max-Planck-Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden in Zusammenarbeit mit Wolfgang Enard und Svante Pääbo vom Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig näher untersuchten, steht für "Abnormal spindle-like microcephaly-associated". Damit weist die Bezeichnung des Gens neben seiner Zuständigkeit für eine richtige Anordnung der Zellteilungsspindel auch auf den Zusammenhang mit der krankhaften Entwicklungsbesonderheit des Gehirns hin. Die Versuche belegten dies: Mäuse, deren Aspm-Gen verstümmelt wurde, hatten bei der Geburt verkleinerte Gehirne, wenn auch nicht von so dramatischem Ausmaß, wie das bei Menschen mit einem ASPM-Defekt der Fall ist.

Kleines Hirn und kleine Hoden

Im Verlauf der Studie gestaltete sich die Aufzucht der genveränderten Mäuse überraschend schwierig - sie hatten deutlich weniger Nachkommen. Dem gingen die Forscher nach und haben quantitativ nachgewiesen, dass Mausweibchen mit mutiertem Aspm-Gen auffallend weniger Schwangerschaften und kleinere Würfe hatten. Auch das Sperma der Mausböcke wurde analysiert: Die Anzahl der Spermien in den Nebenhoden der genveränderten Mäuse ist zehnmal so niedrig wie bei Wildtyp-Mäusen. Die Erklärung dafür: Ein Ausfall von Aspm stört auch die Keimbahn der Mäuse. Die sich daraus entwickelnden Geschlechtsorgane zeigen deutliche Defizite: Die Eierstöcke und Hoden von Mäusen ohne voll funktionierendes Aspm waren teilweise drastisch verkleinert.

Schlauer oder einfach nur fruchtbarer?

Diese Beobachtungen werfen nun weitere Fragen auf, die es zu klären gilt: Ist etwa auch bei Menschen, die aufgrund einer ASPM-Mutation von Mikrozephalie betroffen sind, eine Störung der Geschlechtszellen-Entwicklung und somit eine Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit festzustellen?

Auch die Frage, wie sich das Gen Aspm im Laufe der Evolution entwickelt hat, welche Rolle es bei der Entwicklung der Menschenaffen und des Menschen gespielt hat, wird neu zu untersuchen sein. Bisher wurde angenommen, dass sich das Aspm-Gen im Laufe der Primaten-Evolution deshalb verändert hat, weil neue Varianten für ein größeres Gehirn stehen. Die neuen Ergebnisse lassen aber auch den Schluss zu, dass die so genannte positive Selektion des Aspm-Gens eine höhere Fruchtbarkeit der Träger entsprechender Aspm-Varianten widerspiegelt - auch bei Affen und beim Menschen.

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