Damit das Herz im Takt schlägt
Max-Planck-Forscher entwickeln einen neuen Defibrillator, mit dem Kammerflimmern schonender behandelt werden kann
Etwa 100.000 Menschen in Deutschland sterben jährlich am plötzlichen Herztod. Ursache sind häufig Herzrhythmusstörungen wie das Kammerflimmern. Einen langfristigen Schutz bieten bisher nur implantierte Defibrillatoren. Doch die elektrischen Pulse, die diese einsetzen, sind schmerzhaft und können erhebliche Nebenwirkungen haben. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation und der Universitätsmedizin in Göttingen entwickeln deshalb einen neuen Defibrillator, der mit deutlich geringeren Pulsenergien auskommt. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung zeichnete das Projekt am Donnerstag, den 23. Oktober, mit dem Innovationspreis Medizintechnik aus.
Elektrische Impulse, die sich entlang des Herzmuskels ausbreiten, steuern die Bewegung des Organs: Sie sorgen dafür, dass sich die Herzkammern in gleichmäßigem Takt zusammenziehen und entspannen. Bei Menschen, die unter Herzrhythmusstörungen leiden, funktioniert dies nicht zuverlässig: Immer wieder breiten sich die elektrischen Signale in ihren Herzen ungeordnet oder sogar chaotisch aus. Als Folge versorgt der Herzmuskel den Körper nicht mehr mit Blut. Der Betroffene kann innerhalb weniger Minuten sterben.
Wenn bei Patienten immer wieder Rhythmusstörungen auftreten, können Ärzte nur mit Defibrillatoren helfen. Ein elektrischer Puls legt alle Zellen des Herzmuskels für eine kurze Zeit lahm: Sie können keine Signale mehr weiterleiten. Danach findet das Herz wieder in seinen gewohnten Takt zurück - wie ein Computer, der wegen eines Fehlers kurz aus- und wieder eingeschaltet wird. Die nötige Energie ist jedoch sehr hoch, so dass das Verfahren für die Patienten sehr schmerzhaft ist. Zudem kann es umliegendes Gewebe schädigen.
Unter Federführung des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation (MPIDS) wollen Göttinger Wissenschaftler deshalb nun eine Alternative entwickeln. Grundidee ist, dass bereits eine deutlich schwächere Pulsfolge das Kammerflimmern beenden könnte, wenn sie an mehreren Stellen des Herzens ansetzen würde. Doch anstatt mehrere Elektroden zu implantieren, machen sich die Forscher natürliche Inhomogenitäten im Herzen zunutze. "Solche Stellen sind etwa Blutgefäße oder Fettgewebe. Hier kann ein schwaches elektrisches Feld das Herzgewebe lokal anregen", erklärt Stefan Luther, Projektleiter am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation und Honorarprofessor an der Universität Göttingen. Die Inhomogenitäten wirken somit wie eine Art natürliche Elektrode.
Die innovativen Defibrillatoren könnten nicht nur beim Kammerflimmern, sondern auch vorbeugend bei anderen Herzrhythmusstörungen eingesetzt werden. Damit würden sie einer größeren Anzahl von Patienten helfen als konventionelle Geräte und die Sterblichkeit durch den plötzlichen Herztod verringern. "Sollte sich die Technologie durchsetzen, könnten implantierbare Defibrillatoren bei gleicher Sicherheit wesentlich leichter und kleiner gebaut werden", erklärt der Kardiologe Markus Zabel, der die Abteilung "Klinische Elektrophysiologie" am Herzzentrum der Universitätsmedizin in Göttingen leitet.
In ersten Laborexperimenten hat sich das neue Verfahren bereits bewährt. Den Wissenschaftlern ist es gelungen, gezielt chaotische, elektrische Wellen zu erzeugen und diese mithilfe eines sanften Stromstoßes zu beenden. "Entscheidend für unsere Versuche sind vor allem Hochgeschwindigkeitsmessverfahren, die etwa 2000 Bilder pro Sekunde aufnehmen", sagt Eberhard Bodenschatz, Direktor am Max-Planck-Institut. "Nur so können wir genau verfolgen, wie sich die Signale ausbreiten." In einem nächsten Schritt wollen die Forscher ihr Verfahren zusammen mit der Universitätsmedizin in Göttingen weiterentwickeln. Dieses Vorhaben zeichnete das Bundesministerium für Bildung und Forschung am Donnerstag, den 23. Oktober, aus.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung verleiht den Innovationspreis Medizintechnik in diesem Jahr zum zehnten Mal. Von den insgesamt 91 Bewerben ist es nur 14 Forschungsgruppen gelungen, die Jury zu überzeugen. Diese Gruppen können nun bis zu drei Jahre lang finanziell unterstützt werden.