Lebensverlängerung durch schwarzes Loch

Ein Gedankenexperiment untersucht, was passieren würde, wenn ein winziges primordiales Schwarzes Loch im Zentrum der Sonne säße

Im Universum könnte es wimmeln von kleinen schwarzen Löchern, die nur so groß sind wie ein Atom und doch so schwer wie ein Wolkenkratzer. Solche primordialen schwarzen Löcher, die kurz nach dem Urknall entstanden sein könnten und seither durchs All schwirren, wird wahrscheinlich niemand direkt bemerken. Es sei denn, man weiß, wonach man suchen muss.

In einem hypothetischen Szenario könnten kleine primordiale schwarze Löcher von Sternen, die sich gerade bilden, einverleibt werden. Ein internationales Team unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für Astrophysik hat untersucht, wie sich solche „Hawking-Sterne“ entwickeln könnten und dabei festgestellt, dass sie eine überraschend lange Lebensdauer hätten und in vielerlei Hinsicht normalen Sternen ähneln würden. Dank dieser Forschung muss es nicht bei einem Gedankenexperiment bleiben, denn mit den Methoden der Asteroseismologie ließen sich solche Sterne durchaus identifizieren und damit primordiale schwarze Löcher nachweisen.

Was, wenn ein kleines schwarzes Loch die Erde trifft?

Eine Zeitreise 13,8 Milliarden Jahre in die Vergangenheit endet beim Urknall, dem Anfang von allem. Hier dominierte extrem heiße Materie, die auf engsten Raum zusammengepresst war. Hier könnten sich so genannte primordiale schwarze Löcher mit ganz unterschiedlichen Massen und Größen gebildet haben, von der Masse eines Asteroiden und der Größe eines Atoms bis hin zu Tausenden von Sonnenmassen, was immerhin einem schwarzen Loch von der Größe der Erde nahe käme. Möglicherweise bilden sie auch einen Teil der dunklen Materie und waren die Keimzellen der supermassereichen schwarzen Löcher, die Astronominnen und Astronomen in den Zentren der heutigen Galaxien finden.

Wenn diese Miniaturausführungen schwarzer Löcher damals wirklich entstanden sind,  dann muss es sie auch heute noch geben. Bisher hat sie aber niemand entdeckt. Auch größere Varianten dieser Materiefallen lassen sich nur dann nachweisen, wenn sie mit Materie wechselwirken, wenn etwa Materie auf sie strömt und dabei Energie in Form von Licht abgibt. Dazu muss die Materie dem schwarzen Loch aber sehr nahe kommen: Ein mikroskopisch kleines schwarzes Loch könnte, zumindest theoretisch, immerhin 2.000 Quadratkilometer Wald in Sibirien dem Erdboden gleich gemacht und einen infernalen Asteroideneinschlag vorgetäuscht haben, ohne einen sichtbaren Krater zu hinterlassen, erklärt der Astrophysiker Matt O’Dowd in der Radiolab Podcast-Folge „Little Black Holes Everywhere“.

Wenn sich schwarze Löcher in Sternen verirren

Am Max-Planck-Institut für Astrophysik beschäftigt man sich unterdessen mit einem ganz anderen Szenario: Angenommen, primordiale schwarze Löcher sind allgegenwärtig, dann ist zwar nicht allzu wahrscheinlich, aber durchaus möglich, dass ein gerade entstehender Stern ein solches Loch mit seiner Masse einfängt. „Wissenschaftler stellen manchmal verrückte Fragen, um ihr Wissen zu vertiefen“, sagt Selma de Mink, Direktorin der Abteilung für Sternforschung am Max-Planck-Institut für Astrophysik. „Wir wissen nicht einmal, ob es solche primordialen Schwarzen Löcher überhaupt gibt, aber wir können trotzdem ein interessantes Gedankenexperiment durchführen.“

Der Stern hätte dann ein schwarzes Loch in seinem Zentrum. Ein solcher Stern wird auch als „Hawking-Stern“ bezeichnet, benannt nach Stephen Hawking, der diese Idee in den 1970er Jahren erstmals niederschrieb. Das schwarze Loch im Zentrum eines Hawking-Sterns würde nur langsam wachsen, weil die nach außen abgestrahlte Energie des Sterns verhindert, dass Sterngas in Richtung des zentralen schwarzen Lochs fällt. Das Team hat nun am Computer modelliert, wie sich ein solcher Sternenwirt entwickeln würde, je nachdem, wie schwer sein Gast im Zentrum ist. Ihr verblüffendes Ergebnis am Beispiel der Sonne: Ist das schwarze Loch nur leicht genug, unterscheidet sich der Stern kaum von einem normalen Stern. „Unsere Sonne könnte in ihrem Zentrum sogar ein schwarzes Loch von der Masse des Planeten Merkur in ihrem Zentrum haben, ohne dass wir es bemerken“, sagt Earl Patrick Bellinger vom Max-Planck-Institut für Astrophysik und Assistenzprofessor an der Yale University.

Schwarzes Loch verlängert Sternenleben

Bellinger weist sogar auf einen Vorteil hin: „Sterne, die in ihrem Zentrum ein schwarzes Loch haben, können auch erstaunlich lange leben.“ Ein Stern wie unsere Sonne erzeugt seine Energie durch Kernfusion. Wenn der Fusionsvorrat an Wasserstoffkernen in einigen Milliarden Jahren aufgebraucht ist, geht die Sonne ihrem Ende entgegen. Befände sich in ihrem Zentrum aber ein schwarzes Loch, wäre das noch lange nicht das Ende: Denn bis dahin könnte es langsam, aber stetig etwa 0.1 Prozent der Sonnenmasse zugelegt haben - genug Masse, um den Motor wieder anzuwerfen, und zwar durch die so genannte Akkretion von Materie. Dabei fällt Materie aus dem Sonneninneren ohne großen Widerstand auf das schwarze Loch im Zentrum. Dabei wird ein großer Teil der Gravitationsenergie sehr effizient freigesetzt. Die Sonne hätte die Kernfusion durch eine neue Energiequelle ersetzt und könnte noch einige Milliarden Jahre länger strahlen.

Der Einfluss des schwarzen Lochs im Hawking-Stern könnte sogar mit Hilfe der Asteroseismologie nachgewiesen werden, bei der Forscherinnen und Forscher akustische Schwingungen nutzen, um das Innere von Sternen zu untersuchen. Auch während der späteren Sternentwicklung, der Phase der Roten Riesen, könnte das schwarze Loch charakteristische Signaturen erzeugen. Mit zukünftigen Projekten wie Plato ließen sich solche Objekte tatsächlich entdecken. Allerdings sind weitere Simulationen nötig, um herauszufinden, nach welchen Signaturen Forschende genau suchen müssen.

Diese Suche nach Hawking-Sternen könnte den endgültigen Beweis für die Existenz von primordialen schwarzen Löchern erbringen. „Auch wenn die Sonne hier nur als Beispiel dient, gibt es gute Gründe für die Annahme, dass Hawking-Sterne in Kugelsternhaufen und sehr lichtschwachen Zwerggalaxien häufig sind“, betont Professor Matt Caplan von der Illinois State University. Hawking-Sterne könnten also die Lösung sein, um gleich zwei Rätsel des Universums zu lüften: die Existenz primordialer schwarzer Löcher und die Natur der dunklen Materie.

BEU,HH

 

Anmerkung der Redaktion: In einer vorherigen Version der Meldung war davon die Rede, dass sich in der Sonne ein schwarzes Loch der Größe des Planeten Merkur befinden könne, ohne dass dies auffallen würde. Korrekt ist ein schwarzes Loch der Masse des Planeten Merkur. Ein solches schwarzes Loch wäre nur etwa einen Millimeter groß. 

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