Forschungsbericht 2023 - Max-Planck-Institut für Meteorologie
Sind Passatwindwolken als Einzelgänger oder in der Gruppe effektiver?
Im Januar und Februar 2020 fand auf und um die Karibikinsel Barbados in der Passatwindregion unter Federführung des Max-Planck-Instituts für Meteorologie in Hamburg und dem CNRS der Sorbonne Universität zu Paris eine internationale Messkampagne namens EUREC4A statt [1]. Kernziel dieser Messkampagne war es zu verstehen, wie die Passatwindwolken auf die Klimaerwärmung reagieren und eventuell zu ihr beitragen. Angezogen von der Möglichkeit, diese Fragestellung um weitere Aspekte zu ergänzen, vergrößerte sich EUREC4A schnell zu einer internationalen Atmosphären- und Ozean-Messkampagne mit vier Forschungsschiffen, fünf Flugzeugen, diversen autonomen und ferngesteuerten Plattformen sowie umfangreichen Messungen auf Barbados. Insgesamt waren über 300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus mehr als 20 Nationen an EUREC4A beteiligt.
Unsere Forschung stützt sich insbesondere auf ein spezielles, hochauflösendes Regenradar. Unterstützt durch Fördergelder der Fördernden Mitglieder der MPG, wurde das Polarisations-Dopplerradar (Poldirad) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt aus Oberpfaffenhofen in vier Containern nach Barbados verschifft und dort während der EUREC4A-Kampagne erneut aufgebaut, um die Messungen des dortigen Wolkenobservatoriums zu erweitern.
Das gab uns die einmalige Möglichkeit, die Wechselwirkung zwischen der Organisation der Passatwindwolken und deren Regenentwicklung im Detail zu untersuchen. Passatwindwolken verteilen sich nämlich nicht zufällig, sondern sind gesellig: Sie treten oft bevorzugt in Regionen auf, wo bereits Wolken vorhanden sind und organisieren sich so zu größeren zusammenhängenden Wolkengebilden, die eine Größenordnung von hundert Kilometern erreichen. Diese Wolkencluster treten oft in Verbindung mit Regenbildung auf, die Wechselwirkung zwischen diesen beiden Prozessen – Organisation und Regenentwicklung – ist jedoch noch wenig verstanden. Mithilfe der Radardaten konnten wir feststellen, dass die Anzahl und Größe der Regenzellen und weniger ihre Intensität die Regenmenge in einem Gebiet bestimmt und dass Regenwolken stärker organisiert auftreten, wenn die sie umgebende Atmosphäre trockener ist [2].
Das ist eine Eigenschaft, die wir für hochreichende Konvektion in den inneren Tropen schon kennen, die aber in den von uns untersuchten relativ flachen Passatwindwolken noch unbekannt war. Zudem haben wir herausgefunden, dass stärker oder weniger stark organisierte Felder aus Regenwolken insgesamt ähnlich stark regnen – dass also die Bodenniederschlagsmenge nicht von der Stärke der Organisation abhängt.
In einem zweiten Schritt haben wir uns gefragt, ob Passatwindwolken Regen immer auf die gleiche Weise bilden. Welche Prozesse ermöglichen die scheinbare Unabhängigkeit von Regenmenge und Organisation? Um diese Frage zu beantworten, haben wir hochauflösende Simulationen genutzt, die die Prozesse, die hinter der Entwicklung von Passatwindwolken, Regen und ihrer Organisation stehen, abbilden können. Simuliert wurde die Region und der Zeitraum der EUREC4A-Kampagne im westlichen Nordatlantik in der Umgebung der Insel Barbados.
In den Simulationen konnten wir die Entwicklung des Niederschlags in zwei Phasen zerlegen: in eine Entstehungsphase, in der die kleinen Wolkentropfen zu größeren Regentropfen heranwachsen, und in eine Sedimentationsphase, in der die gebildeten Regentropfen zu Boden fallen und auf ihrem Weg zum Teil verdunsten. Nur Regentropfen, die nicht komplett verdunsten, tragen zum Bodenniederschlag bei. Mithilfe der Simulationen konnten wir zeigen, dass die Effektivität der Bodenniederschlagsbildung insgesamt nicht davon abhängt, ob Regenwolken mehr oder weniger stark organisiert auftreten [3]. Die Organisation beeinflusst aber, wie die beiden Entwicklungsphasen zu der Entstehung von Bodenniederschlag beitragen. Sind Regenwolken stärker organisiert, ist die Umwandlung von Wolkenwasser in Regenwasser weniger effektiv, dafür verdunsten die Regentropfen auf dem Weg zum Boden weniger stark. Das hängt sowohl mit der thermodynamischen Struktur der Atmosphäre in der näheren Umgebung der Wolken, aber auch mit der Größe der entstehenden Regentopfen zusammen. Dass sich beide Effekte ausgleichen, erklärt, warum die Niederschlagsmenge in Regionen mit Passatwindbewölkung nicht vom Organisationsgrad der Wolken abhängt. Diese Erkenntnis bringt uns dem Verständnis der Empfindlichkeit von Passatwindwolken gegenüber dem Klimawandel einen Schritt näher.