Supernova-Explosionen: Auf den Geschmack kommt es an
Forschungsteam untersucht Bedeutung von Neutrino-Flavor-Wechseln in Supernova-Simulationen
Supernovae, Sternexplosionen gigantischen Ausmaßes, werden ausgerechnet von den leichtesten Elementarteilchen angetrieben: den Neutrinos. Diese kommen in drei unterschiedlichen Varianten vor, die man als Flavors bezeichnet. Bisher war man davon ausgegangen, dass die Neutrinos in einer Supernova ihren aktuellen Flavor (Geschmack) behalten. Neuere Erkenntnisse zeigen, dass die Teilchen den Flavor bei Supernova-ähnlichen Bedingungen „spontan“ ändern können. Max-Planck-Forschende haben untersucht, wie sich die Flavor-Umwandlungen auf die Vorgänge in der Supernova auswirken.
Wenn massereiche Sterne ihr Brennmaterial für die Kernfusion aufgebraucht haben, sorgt der fehlende Strahlungsdruck dafür, dass ihr Zentrum in sich zusammenfällt. Es entsteht ein ungeheuer dicht gepackter Vorläufer eines Neutronensterns. Er ist nur einige Dutzend Kilometer groß – und dabei schwerer als unsere Sonne. Im Kollaps wandelt sich Gravitationsenergie letztendlich in Wärme um, die im Inneren gefangen ist. Neutrinos sind die einzigen Teilchen, die dieser brodelnden Umgebung entkommen können – und den Proto-Neutronenstern damit abkühlen.
Ein kleiner Teil der Neutrinos wechselwirkt jedoch mit der Sternmaterie und heizt die Region in der Nähe des Kerns auf. Wenn dabei ausreichend Energie übertragen wird, dehnt sich das Sternmaterial immer weiter aus und zündet die Supernova-Explosion. Ist die Energiezufuhr zu gering, kollabiert der Stern zu einem Schwarzen Loch.
Neutrinos liegen in drei Flavors vor (Elektron-, Myon- und Tau-Neutrino) und wechselwirken äußerst schwach mit Materie – am stärksten noch das Elektron-Neutrino. Die beiden anderen Varianten entkommen ihrer Umgebung schneller und sind im Mittel energiereicher. Seit einigen Jahrzehnten ist bekannt, dass Neutrinos ihren Flavor auf ihrer Reise durchs Universum ändern können. Dies gilt aber nicht für eine Umgebung mit hoher Dichte, die auch das Innere einer Supernova kennzeichnet.
Spontane Flavor-Wechsel
Allerdings können gerade hier Neutrinos den Flavor-Wechsel auch selbst auslösen, weil sich viele Neutrinos auf engstem Raum aufhalten und Selbstwechselwirkungen relevant werden. Diese spontanen Umwandlungen flossen bislang nicht in Simulationen zum Ablauf von Supernovae ein. Ein Team der Max-Planck-Institute für Astrophysik und Physik sowie des Niels Bohr-Instituts hat sich jetzt mit dem Einfluss der Flavor-Wechsel auf Supernova-Simulationen beschäftigt.
Die Forschenden nutzten dafür einen einfachen Ansatz, mit dem sich schnelle und effiziente Flavor-Wechsel in die Dynamik von Supernova-Simulationen integrieren lassen. In ihrer Studie simulierten die Wissenschaftler*innen einen Stern, der 20-mal so schwer ist wie die Sonne. In verschiedenen Szenarien vergrößerten sie den Bereich nahe der Sternmitte, in dem Neutrinos ihren Flavor ändern können, und untersuchten, wie sich diese starken Änderungen auf das Gesamtsystem auswirken.
Die Autor*innen kommen zu dem Schluss, dass der Einfluss von Neutrino-Flavor-Umwandlungen bei Vorhersagesimulationen berücksichtigt werden sollte: Denn sie könnten einen entscheidenden Einfluss auf den Neutrino-gesteuerten Explosionsmechanismus haben. Allerdings ist es noch zu früh für endgültige Schlussfolgerungen. Die Effekte wurden bisher nur schematisch untersucht und nicht im Detail berechnet.
Die Rolle der Sternstruktur
Außerdem gehen die Simulationen von einer kugelförmigen Symmetrie aus und vernachlässigen die komplexen Strömungen, die in echten Kernkollaps-Supernovae auftreten und bekanntermaßen zu einer erfolgreichen Explosion beitragen. Schließlich spielt auch die Feinstruktur des Vorläufersterns eine Rolle für das Supernova-Geschehen.
Die beiden letztgenannten Aspekte sind bereits Gegenstand einer Folgeuntersuchung, die derzeit begutachtet wird: Diese untersucht mehrdimensionale Kernkollaps-Simulationen und bezieht auch Sterne mit geringerer Masse ein. Die vorläufigen Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Flavor-Wechsel in leichten Sternen (um die 10 Sonnenmassen) eine Explosion wahrscheinlicher und stärker machen, während in schwereren Sternen (um die 20 Sonnenmassen) Explosionen unwahrscheinlicher werden.