„Klimasünden könnten sehr teuer werden“
Zur 27. Weltklimakonferenz in Ägypten reisten auch neun Max-Planck-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler. Welche Ergebnisse Grund zur Hoffnung geben und welche Aufgabe auf die Wissenschaft zukommt, erzählt der Jurist Tom Sparks vom Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht im Interview.
Dr. Sparks, Sie konnten mit einer Delegation von Max-Planck-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftlern die Verhandlungen beobachten. Welche Eindrücke haben Sie aus Sharm el Sheikh mitgenommen?
Gemischte Eindrücke würde ich sagen: inspirierend und frustrierend, hoffnungsvoll und enttäuschend zugleich.
Wie das?
Es ist zum einen inspirierend, so viele engagierte Menschen aus verschiedensten Bereichen zu treffen und sich auf den sogenannten „Side Events“ oder „Pavillon Events“ bei Vorträgen und auf Meetings auszutauschen. Zum anderen waren die Anspannung und die Vorbehalte gegen Ägypten als Gastgeber der COP immer zu spüren: Der Verhandlungsprozess war chaotisch und schlecht verwaltet und bis zuletzt fehlte das Vertrauen in die ägyptische Präsidentschaft. Lange sah es so aus, als würde keine Einigung erzielt werden. Außerhalb der Verhandlungen wurden vor allem die Themen Menschenrechte in Ägypten und die starke Überwachung von Aktivisten diskutiert. So waren Demonstrationen außerhalb des Tagungsgeländes strikt verboten.
Ihr Forschungsgebiet ist unter anderem die Haftung für Klimaschäden und -sünden. Welchen Einfluss hat ein Konferenzbesuch für Sie als Wissenschaftler?
Ich profitiere vielfach. Ich untersuche Umweltklagen vor internationalen Gerichten. Dazu muss ich den Verhandlungsprozess gut verstehen, um besser einzuschätzen, wo die Stärken und Schwächen von aktuellen Rechtsverfahren liegen und welchen Effekt Klagen zum Klimaschutz haben. So sehe ich auch einen kleinen Erfolg für die Klimaklagen weltweit: In der Abschlusserklärung erkennen die Vertragsländer erstmals das Recht auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt an. Das könnte auch für weitere Verfahren weltweit relevant werden.
Welche Rolle spielen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf der Klimakonferenz?
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verhandeln nicht, daher haben sie keine formelle Funktion. Wir sind wie Lobbyisten der Industrie, Aktivistinnen und andere auf dem Status von „observants“, Beobachtern. Wir verfolgen die Verhandlungen mit und tauschen uns auf den Events neben den eigentlichen Verhandlungen aus.
Wo hatten Sie sich von der Konferenz mehr erwartet?
Viele wichtige Fragen, die wir auf dieser Konferenz hätten klären und angehen müssen, wurden wiederum auf die nächste Konferenz verschoben. Doch dafür fehlt die Zeit! Es fehlen beispielsweise Details zur internationalen Zusammenarbeit bei CO2-Minderungsmaßnahmen, wie sie schon Artikel 6 des Pariser Übereinkommens vorsieht. So können etwa reichere und weniger reiche Vertragsstaaten bei der Umsetzung ihrer Klimaschutzziele zusammenarbeiten. Unterstützt etwa Deutschland die Wiederaufforstung in Brasilien, nützt das dem Klima weltweit, aber auch der deutschen CO2-Bilanz, da durch Artikel 6 die Maßnahme auf das Klimaziel des Bezahlers angerechnet werden können. Wie genau das erfolgt und auch kontrolliert wird, ist nach wie offen.
Das Hauptziel, die Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad Celsius zu beschränken, rückt wiederum in weite Ferne…
Das finde ich besonders beschämend Manche der verhandelnden Staaten zeigten keine stärkeren Ambitionen für die Einhaltung dieses Zieles und stimmten auch dem notwendigen Rückzug aus fossilen Brennstoffen nicht zu. Ein Delegierter meinte: Let´s talk about emissions, not sources – wir sollten über Emissionen sprechen, nicht über die Quellen. Angesichts der Dringlichkeit der Umstände, sind diese Ergebnisse absolut unzureichend.
Immerhin gab es eine Einigung über den finanziellen Ausgleich. Ist die Vereinbarung eines Fonds zum Ausgleich von Klimaschäden ein wichtiger Schritt?
Ja. Die Einigung hierzu könnte sich sehr positiv auswirken. Vieles hängt aber von den Details ab, die noch nicht ausgearbeitet sind. So ist noch nicht klar, wer einzahlt und wer Geld bekommt. Die alte Aufteilung in Entwicklungsländer und wenig entwickelte Länder passt nicht mehr, wenn Sie sich China anschauen. Es ist – je nachdem welche Region Sie betrachten, beides: entwickelt und weniger entwickelt. Etwas ähnliches gilt auch für erdölproduzierende Länder wie Saudi-Arabien, unter Anderen. Hier etabliert sich gerade eine neue Definition von Geber- und Nehmerländern: High und low income countries. Solch eine Definition wird von manchen Ländern, hauptsächlich von den entwickelten, als gerechter angesehen, aber ist stark umstritten und wurde nicht adaptiert. Fest steht, der Fonds soll 100 Milliarden Euro pro Jahr erhalten. Bekommt der Fonds einen starken rechtlichen Rahmen, könnte er die Klimaschutzambitionen emittierender Länder erhöhen. Denn Klimasünden könnten fortan sehr teuer werden.
Welche Aufgabe kommt jetzt auf die Wissenschaft zu?
Wir müssen auf den Konferenzen vor Ort sein, um die Entwicklungen zu beobachten, Zusammenhänge zu erkennen und darüber zu informieren. Wenn wir jedoch Einfluss nehmen wollen, müssen wir vor der Konferenz aktiver werden und unser Wissen frühzeitig bündeln, um es nach außen zu tragen.
Interdisziplinäre Forschung als Antwort auf den „denialism“, der sich mehr und mehr breit macht?
Unbedingt! Nach einer Phase des „Wir haben noch Zeit“ und der Hoffnung, die neuen Technologien werden es richten, sind wir jetzt in einer Phase angekommen, in denen viele denken, es sei ohnehin alles zu spät. Und das ist es eben nicht. Daran müssen wir Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten.
Das Interview führte Michaela Hutterer