Feuerwerk beeinflusst Wildvögel langfristig

Veränderungen im Verhalten der Tiere halten viele Tage nach der Feuerwerksnacht an

Forschende des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie in Konstanz und des Niederländischen Instituts für Ökologie haben Gänse um die Silvesterzeit in Deutschland, Dänemark und den Niederlanden mit GPS-Sendern ausgestattet, um die Langzeiteffekte des Silvesterfeuerwerks zu untersuchen. Die Bewegungsdaten von 347 Gänsen zeigen, dass die Vögel am Silvesterabend plötzlich von ihren Schlafgewässern aufflogen und sich in Gebiete mit geringer menschlichen Populationsdichte zurückzogen. Die verschreckten Tiere verkürzten ihre Nachtruhe im Schnitt um zwei Stunden und legten in ihren nächtlichen Flügen bis zu 500 Kilometer non-Stopp zurück, deutlich weiter als in Nächten ohne Feuerwerk. Aber auch nach Silvester fanden die Tiere bis zum Ende der Studie nicht zu ihrem normalen Verhalten zurück.

Alljährlich werden zur Begrüßung des neuen Jahres weltweit Feuerwerke gezündet. Das nächtliche Spektakel mit Licht, Farben und Lärm erfreut Menschen – Tiere jedoch weniger. Wie Besitzerinnen und Besitzer von Haustieren wissen, kann die Kombination aus lauten Explosionen, hellen Lichtern und Qualm Angst und Desorientierung bei Tieren auslösen. In den Ländern Westeuropas wird dieses Spektakel noch dadurch verstärkt, dass Feuerwerkskörper allgemein erhältlich sind und an Silvester selbst gezündet werden dürfen. Dies verstärkt die Störungen um ein Vielfaches, da es sich nicht um wenige zentrale Feuerwerkshows handelt, sondern um flächendeckende Explosionen.

Wissenschaftliche Studien belegen die negativen Folgen von Feuerwerk auf Wildvögel in Europa. In den Niederlanden konnte 2011 mit Hilfe von Wetterradar gezeigt werden, dass tausende Vögel in der Silvesternacht um Punkt Mitternacht in die Luft flogen. Unklar war jedoch, ob Feuerwerk wichtige Verhaltensweisen wie Fressen und Schlafen stört und ob die Tiere direkt nach der nächtlichen Störung zu ihren natürlichen Verhaltensweisen zurückkehren.

Gänse mit GPS

Mit GPS-Sendern konnten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen nun die Folgen des Silvesterfeuerwerks für das Verhalten von Vögeln messen. Hierfür wurden Bewegungsmuster von 347 Gänsen im Zeitfenster vom 19. Dezember bis zum 12. Januar in acht aufeinanderfolgenden Jahren untersucht. Die vier untersuchten Arten – Bläss-, Weißwangen-, Kurzschnabel- sowie Saatgänse – sind arktische Zugvögel, die ihre Winter in Norddeutschland, Dänemark und den Niederlanden verbringen.

Die Studie zeigt, dass alle vier Arten als Reaktion auf das Feuerwerk ihr Verhalten signifikant änderten. Normalerweise kehren die Vögel über mehrere Nächte zum gleichen Schlafgewässer zurück und sparen Energie, indem sie sich auf der Wasseroberfläche ausruhen. Nachdem das Feuerwerk jedoch in den untersuchten Silvesternächten gezündet wurde, verließen die Gänse häufig ihre Schlafstellen und flogen im Mittel 5 bis 16 Kilometer weiter und 40 bis 150 Meter höher als in den Nächten davor. „Es ist schockierend zu sehen, wie viel weiter die Vögel in der Silvesternacht flogen“, sagt Andrea Kölzsch, Wissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie und Erstautorin der Studie. „Einige Tiere legten Hunderte von Kilometer in einer einzigen Winternacht zurück, Distanzen die sie normalerweise nur während des Zuges absolvieren.“

Flucht vor Feinstaub

Des Weiteren analysierte das Team die Feinstaubbelastung der Luft über den Schlafgewässern. In der Silvesternacht stiegen die Werte in allen untersuchten Gebieten um bis zu 650 Prozent. „Wir konnten feststellen, dass Vögel Ihre gewohnten Schlafgewässer verließen und Orte wählten, die weiter entfernt von menschlichen Siedlungen lagen und geringere Feinstaubkonzentrationen aufwiesen. Das ist ein starkes Indiz dafür, dass die Gänse versuchten, dem Feuerwerk zu entkommen“, sagt Kölzsch.

Neben dieser direkten Reaktion auf das Feuerwerk, fraßen die Vögel in den zwölf Tagen nach Silvester zehn Prozent länger und bewegten sich tagsüber deutlich weniger. „Die Tiere versuchen wahrscheinlich, die Energie zu kompensieren, die sie in der Nacht des Feuerwerks ungeplant aufwenden mussten“, sagt Bart Nolet, Wissenschaftler am Niederländischen Institut für Ökologie und Letztautor der Studie.

Im letzten Jahr der Untersuchung konnte das Team durch besondere Umstände einen Kontrollfall der Feuerwerk-Aktivität untersuchen. Während des Covid-19 bedingten Lockdowns am Jahreswechsel 2020/21 wurde in vielen Ländern der Verkauf von Feuerwerk verboten, was zu geringeren Störungen führte. Trotzdem wurden erhöhte Flugaktivitäten, -distanzen und -höhen bei zwei der vier Arten gemessen. „Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass sogar geringe Störungsintensitäten durch Feuerwerk das Verhalten der Gänse derart ändern, dass zumindest in strengen Wintern ihre Überlebenswahrscheinlichkeit reduziert sein kann“, sagt Nolet. „Um den Tieren sichere Rückzugsgebiete bereitzustellen, sollte Partyfeuerwerk in der Nähe von Nationalparks, Vogelschutzgebieten und anderen wichtigen Ruhegebieten verboten werden.“

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