Energetische Winde aus der Dreiecksgalaxie
Radiobeobachtungen zeigen ein komplexes Szenario beim Zusammenspiel von Sternentstehung und dem interstellaren Medium in Messier 33
Untersuchungen des Zusammenspiels zwischen Sternentstehung und dem interstellaren Medium sind wichtig, um die Entwicklung von Galaxien zu verstehen. Ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Fatemeh Tabatabaei unter Mitarbeit von mehreren Wissenschaftlern des Bonner Max-Planck-Instituts für Radioastronomie hat mit dem Karl G. Jansky Very Large Array (VLA) in New Mexico hochaufgelöste Radiobeobachtungen der Nachbargalaxie Messier 33 in der lokalen Gruppe durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass in M 33 ein direkter Zusammenhang zwischen molekularem Gas und Sternentstehung besteht. Die Geburt von massereichen Sternen verstärkt das Magnetfeld und erhöht die Zahl der hochenergetischen Elektronen der kosmischen Strahlung, die wiederum die Entstehung von galaktischen Winden und Ausströmungen begünstigen können.
Galaxien sind Systeme aus Sternen und interstellarem Gas in Wechselwirkung. Beobachtungen zeigen, dass Galaxien heute weniger Sterne bilden als in der Vergangenheit. Da für die Entstehung von Sternen kaltes Gas benötigt wird, bringen Modellrechnungen die Verlangsamung dieses Prozesses und die beobachtete Entwicklung von Galaxien mit galaktischen Winden in Verbindung, durch die kaltes Gas abtransportiert wird.
Galaktische Winde entstehen in den Scheiben von Galaxien und erstrecken sich auf den Halo und das intergalaktische Medium; ihr Ursprung ist jedoch noch umstritten. Supernova-Explosionen und aktive galaktische Kerne (AGN) können starke Winde antreiben. Ihrer Rolle bei der Behinderung von Sternentstehung steht die Tatsache entgegen, dass das Gas ihrer Winde in die Galaxienscheibe zurückfallen und die Entstehung von neuen Sternen auslösen kann. Dank neuer detailreicher Radiobeobachtungen mit dem Karl G. Jansky Very Large Array fand ein internationales Forscherteam Hinweise für kosmische Strahlung als alternative Ursache für galaktische Winde – und zwar in unserer Nachbargalaxie M 33 im Sternbild Dreieck (Triangulum) in einer Entfernung von 2,7 Millionen Lichtjahren von der Erde. Diese Galaxie enthält rund 23-mal weniger Masse als die Milchstraße.
Kosmische Strahlung besteht aus hochenergetischen Teilchen, die sich nahezu mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. Sie können den Druck im interstellaren Medium erhöhen, Ausströmungen (outflows) verursachen und die Strukturen über eine gesamten Galaxie hinweg verändern. Frühere Studien hatten bereits auf die Bedeutung der von kosmischer Strahlung angetriebenen Winde für die Entstehung von Blasen in der Milchstraße und in der Andromedagalaxie hingewiesen, die eine Größe von einigen Tausend Lichtjahren haben.
„Das ist das erste Mal, dass wir Beweise für solche Winde in einer massearmen, sternbildenden Spiralgalaxie wie M 33 finden“, sagt Fatemeh Tabatabaei, die leitende Forscherin der vorliegenden Untersuchung. „Dieser Nachweis ergab sich aus einem Widerspruch, als wir feststellten, dass die Elektronen der kosmischen Strahlung in Regionen energiereicher sind, in denen auch das Magnetfeld stärker ist. „In einem starken Magnetfeld erwartet man, dass die Elektronen der kosmischen Strahlung Energie an eine stärkere Synchrotronstrahlung verlieren.“
Tabatabaei forschte schon im Rahmen ihrer im Jahr 2008 abgeschlossenen Promotion am Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) unter der Leitung von Rainer Beck, einem Mitautor der Studie.
Das oben genannte Paradoxon kann aufgelöst werden, wenn man die Struktur des Magnetfeldes in der Galaxie berücksichtigt. In Sternentstehungsgebieten wird das Magnetfeld aufgrund von turbulenten Gasbewegungen durch die Wirkung eines Dynamomechanismus verstärkt, der kinetische Energie in magnetische Energie umwandelt. Die resultierenden Feldlinien sind stark ineinander verknäuelt. „Der Dynamoeffekt ist ein wirkungsvoller Mechanismus, der überall im Universum arbeitet – in Sternen, Planeten, Galaxien und sogar in riesigen intergalaktischen Gaswolken“, sagt Rainer Beck.
„Diese verwirbelte Struktur des Magnetfeldes hilft der kosmischen Strahlung, sich über größere Bereiche zu verteilen, bevor sie ihre Energie durch die Synchrotronkühlung im Magnetfeld verliert. Die hochenergetische kosmische Strahlung kann sich dann leicht mit dem Hintergrundgas und -plasma verbinden und so Gebiete hohen Drucks in der Scheibe erzeugen. „Das daraus resultierende Druckungleichgewicht zwischen der Scheibe und den äußeren Schichten im Halo verursacht die Entstehung von Winden“, fügt Fatemeh Tabatabaei hinzu.
Die aktuelle Untersuchung zeigt, dass von der kosmischen Strahlung angetriebene Winde in den meisten Galaxien eine Rolle spielen können, insbesondere in solchen mit relativ geringer Masse, aber aktiver Sternentstehung wie in M 33. Das sind Systeme, die viel häufiger im Kosmos auftreten als massereiche Galaxien. Daher können die von der kosmischen Strahlung angetriebenen Winde prinzipiell auch in früheren Epochen eine wichtige Rolle beim Abtransport von Gas gespielt haben, da sie aufgrund der höheren Sternentstehungsaktivität damals noch stärker waren.
„Um diese Ergebnisse zu bestätigen und die Untersuchung auf frühere Epochen im Universum auszudehnen, sind detaillierte Radiobeobachtungen von weiter entfernten Galaxien erforderlich, die mit zukünftigen empfindlichen Radioteleskopen wie dem Next Generation Very Large Array und dem SKA-Observatorium möglich werden“, sagt Karl Menten, Direktor am MPIfR und Leiter der Forschungsabteilung Millimeter- und Submillimeter-Astronomie, ebenfalls Mitautor der Studie.